Bisher sieht das Gesetz lediglich zwei Elternteile vor. Das könnte sich künftig ändern: Denn das Bundesverfassungsgericht will die Rechte leiblicher Väter stärken. In Zukunft wäre es dann auch möglich, Elternrechte auf drei Elternteile zu verteilen.
Das Bundesverfassungsgericht kann sich die Aufteilung der Elternrechte auf drei Elternteile vorstellen. Das geht aus einer am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Entscheidung hervor.
Bislang sehen die gesetzlichen Regeln immer nur zwei Elternteile vor. Der Erste Senat des Verfassungsgerichts erläuterte nun, eine Ausweitung auf drei Personen sei mit dem Grundgesetz und insbesondere mit dem Kindeswohl vereinbar. Allerdings brauche es in diesem Fall klare und eindeutige Zuweisungen der jeweiligen Rechte und Pflichten der drei Eltern gegenüber dem Kind.
Beschränkung auf zwei Elternteile gilt weiterhin
Zugleich stellte das Verfassungsgericht klar, dass der Gesetzgeber auch bei der Beschränkung auf zwei Elternteile bleiben kann. Dann müssten allerdings die Rechte von leiblichen Vätern gestärkt werden: Leibliche Väter müssten insbesondere in Streitfällen die Chance erhalten, die rechtliche Vaterschaft zu beantragen.
Die aktuellen Regeln verletzten unter Umständen die grundgesetzlich garantierten Elternrechte, entschied das Verfassungsgericht. Beispielsweise, weil leibliche Väter keine Chance auf eine rechtliche Vaterschaft hätten, wenn diese rechtliche Vaterschaft bereits von einem neuen Partner der Mutter übernommen wurde und dieser in einer "sozial-familiären Beziehung" zum Kind stehe.
Christine und Gianni haben eine gemeinsame Tochter. Entstanden ist sie nicht aus einer Liebesbeziehung, sondern in einer Co-Elternschaft. Ein Familienmodell, für das sich gerade immer mehr Menschen entscheiden. Von David Donschen
Keine Aussage zu Kindern aus künstlicher Befruchtung
Die leiblichen Eltern müssten grundsätzlich die Möglichkeit haben, Elternverantwortung für ihre Kinder zu erhalten und auszuüben, erläuterte Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth. Als leibliche Eltern definiert das Gericht "Mann und Frau, die das Kind durch Geschlechtsverkehr mit ihren Keimzellen gezeugt haben". Keine Aussagen trifft das Gericht also zu Kindern aus künstlicher Befruchtung.
Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber zu einer Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2025. Bis dahin können leibliche Väter, deren Antrag auf rechtliche Vaterschaft unter den jetzigen Regelungen scheitert, ihr Anfechtungsklage aussetzen. Nur wer rechtlicher Vater ist, hat umfassende Mitbestimmungsrechte und -pflichten: etwa im Sorgerecht, beim Unterhalt oder bei der Entscheidung über medizinische Behandlung oder Schulwahl.
Immer mehr Menschen entscheiden sich in Deutschland für eine Co-Elternschaft. Die Berliner Familienberaterin Jenny Wilken sieht in dieser Konstellation viele Vorteile für Eltern und Kinder. Die rechtliche Absicherung lasse allerdings zu wünschen übrig.
Zahl der Verfahren wächst
Im Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils steht eine wachsende Zahl von Verfahren, in denen Männer um ihre rechtliche Vaterschaft kämpfen. Sind die Eltern eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet, liegt die rechtliche Elternschaft zunächst nur bei der Mutter. Die Vaterschaft muss in einem formalen Akt anerkannt und eingetragen werden. Das kann bereits vor oder auch nach der Geburt geschehen.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte zuletzt weitreichende, gesetzliche Änderungen beim Abstammungs- und Kindschaftsrecht angekündigt. Buschmanns Pläne sehen auch eine Stärkung von biologischen Vätern bei Streitfällen um die rechtliche Vertretung des Kindes, aber keine Ausweitung auf drei Elternteile vor. Die geplanten Reformen müssen nun das Verfassungsgerichtsurteil berücksichtigen.
Mann aus Sachsen-Anhalt hatte Verfassungsbeschwerde eingereicht
Konkret ging es in Karlsruhe um die Verfassungsbeschwerde eines Mannes aus Sachsen-Anhalt. Er erhielt am Dienstag weitgehend Recht. Der Kläger ist leiblicher Vater eines heute drei Jahre alten Kindes und sah seine Elternrechte verletzt. Denn die Mutter weigert sich, ihn als rechtlichen Vater anzuerkennen. Die Frau trennte sich unmittelbar nach der Geburt von ihm und ließ den neuen Lebenspartner als rechtlichen Vater eintragen. Der leibliche Vater durfte bislang sein Kind nur alle zwei Wochen für drei Stunden sehen.