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Quelle: picture alliance/Torsten Goltz Photography/Shotshop

Zehn Jahre stillgelegtes ICC

Berliner Raumschiff im Blindflug

Seit zehn Jahren ist das ICC geschlossen - und ob dort jemals wieder Kongresse stattfinden können, ist offen. Wie alle Vorgängerregierungen versucht auch der aktuelle Senat einen Neuanfang. Allerdings unter erschwerten Bedingungen. Von Sebastian Schöbel

Keine Waffen. Kein Glücksspiel. Kein Sex. Dieser Dreisatz ist die einzige politische Konstante im Leben des Berliner ICCs gewesen, seit hier am 9. April 2014 mit der Daimler-Aktionärsversammlung die letzte Veranstaltung stattfand. Die Frage, was aus dem "Kongress-Raumschiff" im Westend werden soll, hat in den zurückliegenden zehn Jahren jedoch keine der insgesamt vier Berliner Landesregierungen beantwortet. Nur Waffenbörsen, Casinos und Bordelle konnte man definitiv ausschließen.

ICC Berlin

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Und so dümpelt der einstige West-Berliner Prachtbau als architektonischer Schmutzfänger in bester Lage seit April 2014 weiter vor sich hin. In regelmäßigen Abständen dient es Architekturbüros als Projektionsfläche für Ideen und Visionen: Futuristische Konzepte mit horizontalen Aufzügen und riesigen Foliendächern waren genauso im Gespräch wie Labore für autonomes Fahren und Serverfarmen.

Mehr als beeindruckende Computergrafiken kamen dabei allerdings nicht heraus. Darüber hinaus produzierte das Gebäude seit 2014 neben den knapp zwei Millionen Euro Betriebskosten pro Jahr auch noch eine Markterkundungsstudie und ein Interessenbekundungsverfahren, die beide auf dem Stapel der bereits existierenden Studien und Gutachten landeten, ohne Ergebnis.

Immer mal wieder durfte jemand das ICC als Standort für die Zentral- und Landesbibliothek ins Spiel bringen, so wie 2017 SPD-Fraktionschef Raed Saleh, nur um von Fachleuten eines Besseren belehrt zu werden. Sogar ein fragwürdiger Rettungsplan mit mexikanischem Gold schaffte es schon in eine der vielen parlamentarischen ICC-Debatten des Abgeordnetenhauses.

Konzeptverfahren

Wettbewerb zur Nachnutzung des ICC soll im nächsten Sommer starten

Denkmal und Kulturstandort

Deutlich weniger spektakulär, dafür deutlich pragmatischer waren die Zwischennutzungen des ICC, meist aus der Not geboren. 2015 bis 2017 wohnten hier hunderte Geflüchtete, weil der Stadt die Unterkünfte ausgingen, und während der Coronapandemie entstand in den langen Fluren der Eingangshalle ein riesiges Impfzentrum. In den Toiletten wurden Gäste allerdings darauf hingewiesen, das Wasser aus den alten Leitungen nicht zu trinken, sicherheitshalber.

2019 stellte Berlins Landeskonservator Christoph Rauhut das Kongressgebäude unter Denkmalschutz und wähnte es "mindestens in einer Liga mit dem Centre Pompidou in Paris" - ein recht optimistischer Vergleich, der seitdem jedoch so fest am ICC klebt wie der Autobahnschmutz an dessen metallischer Fassade. Besonders der ehemalige Wirtschaftssenator Stephan Schwarz machte sich die Idee später zu eigen und trieb die Vision der kulturellen Nutzung voran, seine Amtsnachfolgerin Franziska Giffey (SPD) wiederholte sie später sogar im Centre Pompidou selbst.

Dem Anspruch gerecht wurde man bislang aber nur zehn Tage lang: 2021, als die Berliner Festspiele mit ihrer Kunstveranstaltung "The Sun Machine is coming down" das ICC zum Kultur-Tempel machten.

Video | Offenes Denkmal

ICC öffnet für 48 Stunden

Senat streicht Sanierungszulage

Dass hier irgendwann wieder Messen und Kongresse abgehalten werden sollen, haben seit 2014 zwar viele Politikerinnen und Politiker als ultimatives Ziel ausgegeben. Doch passiert ist bislang wenig. Im Gegenteil: Durch die angespannte Haushaltslage in Berlin sind die Voraussetzungen eher schwieriger geworden. Die 200 Millionen Euro, die das Land einst zur Sanierung des ICC beisteuern wollte, sind längst vom Tisch. Wer auch immer das gigantische Gebäude übernimmt, wird es aus eigener Tasche ertüchtigen müssen.

Die Zahl der möglichen Interessenten dürfte das eher kleiner machen. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) zeigte sich zuletzt im rbb-Fernsehen dennoch optimistisch. Man wolle "weltweit Akteure suchen", die das ICC übernehmen und zu einem Ort "für Kultur, Kreativität, Innovation, Technologie, aber auch das Kongressgeschäft" machen. Das dazugehörige Wettbewerbsverfahren wird gerade von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) vorbereitet und soll noch in diesem Jahr starten und vor der nächsten regulären Berliner Wahl 2026 abgeschlossen sein.

Schon die Architektin plante ein ICC-Hotel

Aktuell werde bereits ein neues Brandschutzgutachten und ein Schadstoffkataster erstellt, teilte eine Sprecherin der BIM auf rbb-Nachfrage mit. Damit könnte sich dann auch ein für alle Mal klären, wie asbestverseucht das ICC wirklich ist. Zudem arbeite die Stadtentwicklungsverwaltung an einer Machbarkeitsstudie. "Dabei geht es insbesondere um Fragen zum Abriss des Parkhauses und der Bebauung des Parkplatzes", so die BIM-Sprecherin. Entstehen könnten dort Hotels, von denen es in unmittelbarer Nähe der Messe viel zu wenige gibt. Sie könnten zudem einem möglichen ICC-Investor als Einkommensquelle dienen, um den Betrieb des Kongresszentrums zu finanzieren.

Die Erkenntnis, dass das ICC nur in Kombination mit mindestens einem Hotel zu betreiben ist, hätte man allerdings schon vor zehn Jahren haben können, mindestens. Damals erinnerte die inzwischen verstorbene ICC-Architektin Ursulina Schüler-Witte daran, dass Hotels zum Originalkonzept des Kongresszentrums gehörten, aber nie gebaut wurden. Schon 2014 sprach sie sich dafür aus, das kaum genutzte Parkhaus dafür abzureißen - und wurde später immer wieder durch diverse, auch vom Senat angefragte, Konzepte bestätigt, zuletzt 2019.

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Nichts anderes ist also auch von der nächsten Suche nach einem ICC-Investor zu erwarten: Abriss des Parkhauses für einen Hotelneubau, dazu Mischnutzung mit Kongressen und Kulturevents. Doch die Voraussetzungen dafür werden mit jedem Jahr, das ins Land geht, schwieriger. Nicht nur, weil die Co-Finanzierung des Landes Berlin inzwischen fehlt: Das Autobahndreieck Funkturm wird in absehbarer Zeit zur Großbaustelle, bis in die 2030er Jahre hinein. Die Messe Berlin fürchtet schon um den Besucher- und Anlieferverkehr. Noch problematischer könnten dann umfangreiche Bauarbeiten am ICC werden.

Zu hoffen ist also, was 1979 der damalige Bundespräsident Walter Scheel zur Eröffnung des ICC voraussagte: Es habe "gute Chancen, hier noch zu stehen, wenn die Cheops-Pyramide möglicherweise schon verwittert ist". Gemessen am Fortschritt der letzten zehn Jahre, wird das Berliner ICC diese Zeit wohl auch brauchen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.04.2024, 07:00 Uhr

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