Interview | Vergiftungen durch Kreuzkräuter
Derzeit blühen am Wegesrand hübsche, aber hochgiftige gelbe Blumen. Es handelt sich um Kreuzkraut. Das hat sich auch auf Koppeln explosionsartig vermehrt und kann so von Weidetieren wie Pferden gefressen werden. Es droht Vergiftungsgefahr.
rbb|24: Hallo, Herr Köhler. Bei Brandenburgs Pferdehaltern soll die Angst vor Vergiftungen mit Kreuzkräutern - also Frühlingskreuzkraut und Jakobskreuzkraut - umgehen. Erleben Sie das auch so?
Michael Köhler: Ja. Es gibt zwar keine Panik unter Pferdebesitzern, aber durchaus Angst und Sorge.
Werden Sie derzeit regelmäßig zu Pferden gerufen, deren Besitzer befürchten, ihr Tier könnte sich an Kreuzkräutern vergiftet haben?
Es kommt jetzt öfter die Frage, ob man danach im Blut mal schauen könne. Viele haben sich im Internet schon informiert und wissen, dass es durch diese Vergiftungen Veränderungen im Lebergewebe geben kann – die man unter Umständen durch eine Blutuntersuchung nachweisen kann.
Für mich als Tierarzt gehört das zu einer gewissen Routine. Man findet auch immer mal wieder erhöhte Leberwerte. Da schicke ich aber andersherum viele Besitzer auch erst auf die Suche und frage, wie es auf den Koppeln aussieht. Beim Kreuzkraut haben wir aber immer auch die Problematik, dass es im Heu sein kann. Und da ist es genauso giftig wie auf der Weide.
Warum fressen es die Pferde denn im Heu mit? Auf der Weide lassen sie es ja im Regelfall stehen.
Die frische Pflanze schmeckt eher bitter. Dadurch rühren die Weidetiere sie auf der Koppel in der Regel tatsächlich nicht an. Aber durch den Klimawandel und die trockenen Jahre ist auf vielen Weiden der normale Grasbesatz ziemlich geschrumpft. Doch die Kreuzkräuter konnten sich ausbreiten und sind noch da. Da fressen Pferde beispielsweise auch manchmal etwas, was sie normalerweise nicht anrühren würden. Solange die Weide mit viel klassischem Gras zur Verfügung steht, wird aber normalerweise dieses gefressen und das Kreuzkraut bleibt stehen.
Aber wenn wir diesen Sommer wieder wochenlang 30 Grad haben, wissen wir ja, wie die Brandenburger Koppeln aussehen. Da bleibt dann auch vom Kreuzkraut fast nur noch das übrig, was später auch im Heu davon zu finden ist, nämlich die relativ trockene holzige Pflanze. Da ist dann scheinbar auch der bittere Geschmack nicht mehr in dem Maß vorhanden. So hält nichts das Pferd davon ab.
Welche Symptome haben Pferde, deren Leber von den Giften der Kreuzkräuter geschädigt wurde? Was macht Sie als Tierarzt hellhörig?
Bei unklarer Abmagerung eines Pferdes, wo man die Verhältnisse kennt und wo die Tiere gut versorgt werden. Auch bei einer gewissen Kolikhäufigkeit denke ich durchaus darüber nach. Im fortgeschrittenen Stadium reden wir dann von Koordinierungsschwierigkeiten – sogenannten Ataxien. Da taumeln die Tiere richtig.
Wirkt das Kreuzkraut sofort nach dem Fressen mit einer Vergiftung oder sammelt sich das an?
Es sammelt sich an und das ist auch das große Problem. Denn es wird auch nicht mehr wirklich abgebaut. Gift ist immer eine Frage der Dosis. Und hier muss die Dosis nicht groß sein, wenn das Pferd sie relativ häufig zu sich nimmt. Da sammeln sich die Giftstoffe im Körper an.
Bis zu welchem Zeitpunkt der Vergiftung können Sie ein Tier noch retten?
Das ist schwer zu sagen. Es kommt darauf an, wie stark die Allgemeinstörungen des Tieres sind. Glücklicherweise ist bei den Pferdebesitzern in den vergangenen zehn Jahren das Verständnis für giftige Pflanzen angewachsen. Viele kontrollieren ihre Koppeln. Gute Ställe rufen auch zu Aktionen auf, um Giftpflanzen wie die Kreuzkräuter gemeinsam auszustechen. Durch dieses Bewusstsein kommen die Tierbesitzer, wenn das Pferd Krankheitsanzeichen zeigt, auch selten sehr oder zu spät. Aber es gibt natürlich auch die Fälle, von denen man dann in den Medien liest. Wo dann also Pferde eingeschläfert werden mussten.
Wenn ein Tier mit leicht veränderten Leberwerten und nur wenig Abmagerung vorgestellt wird, sieht die Prognose zumindest so aus, dass man das Tier vermutlich am Leben erhalten kann. Wie leistungsfähig es noch sein wird, ist fraglich. Denn der angesprochene kumulative Effekt des angesammelten Giftstoffes ist ja da. Es hilft also auch nur bedingt, das Pferd von der Koppel zu nehmen und Heu zu füttern, wo mit Sicherheit kein Kreuzkraut enthalten ist. Auch das würde nicht bedeuten, dass das Tier in einem halben Jahr wieder gesund wäre.
Wie viele Ihnen vorgestellte Tiere hatten bisher mit großer Wahrscheinlichkeit eine von Kreuzkraut induzierte Vergiftung?
Da kann ich nur schätzen. Sicherlich sehe ich Tiere mit veränderten Leberwerten. Die gibt es aber auch bei anderen Vergiftungen. Da gilt es dann auch, mit dem Pferdebesitzer nach Koppel und ins Heu zu schauen. Denn gerade das Heu, das muss man sagen, ist ein erheblicher Faktor. Insbesondere da, wo Heu hinzugekauft wird. Wo Bauern mit einer Reitanlage das Heu auf eigenen Flächen machen, können sie selbst so kritisch sein und schauen, was sie mähen. Und auch die Pferdebesitzer können sich die Flächen im Zweifelsfall anschauen. Aber wenn man Heu kauft, das von weiter weg hergebracht wird, kann man das nicht machen.
Aber ich zu einem Kunden komme und sehe, dass auf dessen Koppeln die entsprechenden gelben Pflanzen wachsen, dann kläre ich natürlich auch auf und erläutere das Problem.
Es ist aber keine Massenerkrankung. Ich kann als Tierarzt nicht sagen, ich hätte jede Woche einen Fall mit einer Kreuzkrautvergiftung. Ich kann sie insgesamt glücklicherweise noch an zwei Händen abzählen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24
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