Frühlingskreuzkraut und Jakobskreuzkraut
Sie sehen hübsch aus und sind hochgiftig: die gelben Kreuzkräuter. Gemeint sind Frühlingskreuzkraut und Jakobskreuzkraut, die sich seit zwei Jahren explosionsartig in Brandenburg vermehren. Pferde, Rinder und Schafe sind gefährdet.
rbb|24: Hallo Herr Blöchl. Was sind "gelbe Kreuzblütler" und was ist das Problem mit ihnen?
Fabian Blöchl: Das Frühlingskreuzkraut blüht gerade sehr schön in leuchtendem Gelb. Das Problem mit diesem Kraut ist, dass sich seine Giftstoffe toxisch auf Menschen und Tiere auswirken können. Sie können sich in der Leber ablagern und zu gesundheitlichen Schäden führen.
Wir reden da aber nicht nur über das Frühlingskreuzkraut, sondern auch über das Jakobskreuzkraut, oder?
Genau. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene biologische Gattungen. Das Frühlingskreuzkraut blüht ein bisschen eher. Das Jakobskreuzkraut - da handelt es sich dann gewissermaßen um genau die gleiche Pflanze, da gibt es nur minimale Unterschiede – blüht etwas später.
Gibt es von diesen giftigen Pflanzen immer mehr in Brandenburg?
Wir beobachten auf alle Fälle, dass es zunimmt. Vor allen Dingen seit den beiden vorausgegangenen trockenen Jahren. Durch die Trockenheit gab es Trockenstellen, "Brandstellen" auf denen nichts wächst, auf den Wiesen und Weiden. Genau dort konnten Frühlingskreuzkraut und Jakobskreuzkraut sehr gut aussamen und haben gute Bedingungen gefunden.
Wieso gibt es die Pflanzen jetzt hier? Wurden sie, das ist vielfach zu lesen, tatsächlich anfangs gezielt gepflanzt am Straßenrand, weil sie hübsch aussehen?
Sie kommen aus Räumen, wo es wirklich trockene Bedingungen gibt. Bei uns sind sie jetzt Neopyhten - also eingewanderte Pflanzen, die sich sehr stark verbreiten. In dem Fall schon fast explosionsartig. Das haben wir im letzten und auch jetzt in diesem Jahr beobachtet. Die Pflanzen finden hier jetzt gute Wuchsbedingungen.
Es gibt, was die Verbreitung der Kreuzblütler betrifft, drei Hotspots. Einmal sind das die Stilllegungsflächen. Also die Flächen, wo der Landwirt nicht ackern oder Wiese machen darf. Zum anderen sind das die Straßenränder. Sie werden von den jeweiligen Straßenmeistereien gepflegt. Und zu guter Letzt finden sie sich vermehrt auf den Futterflächen. Dort wollen wir sie natürlich nicht haben. Denn es stellt sonst für die Tiere eine Gefahr dar.
Ob die Pflanzen irgendwann absichtlich ausgesät wurden, darüber haben wir mit dem Landesamt für Straßenwesen gesprochen. Da konnte kein Nachweis erbracht werden. Dort ist man jetzt aber dafür sensibilisiert. Denn gerade diese Flächen an den Straßenrändern bieten für die Kreuzblütler ideale Bedingungen. Es sind meist trockene Standorte, an denen andere Vegetation sich nicht gut etabliert hat. Und da die Blüte der des Löwenzahn ähnelt, werden die Samen durch den Wind des Straßenverkehrs weitergetrieben. So soll er bis zu 70 Kilometer wandern können.
Sie sagten, die Pflanze sei schädlich für Weidetiere. Sind da alle gleichermaßen betroffen?
Ja. Bei Pferden und Rindern ist es bekannt. Wir haben aber auch Rückmeldungen aus der Lausitz, dass Schafhalter dort auch mit der Problematik zu kämpfen haben.
Sind die Kreuzkräuter auf der Weide das Problem oder im Heu?
Beides. Im Heu können die Tiere die Pflanze natürlich nicht mehr selektieren und müssen sie mitfressen. Und die giftigen Inhaltsstoffe der Kreuzblütler sind dann immer noch vorhanden. Auf der Weide schaffen es vor allen Dingen die erfahrenen Weidetiere gut, solche Pflanzen zu selektieren. Aber bei Jungtieren mit noch nicht so viel Erfahrung oder bei knappem Gras ist die Gefahr, dass die Tiere Frühlingskreuzkraut oder Jakobskreuzkraut fressen doch groß.
Welche Symptome haben betroffene Weidetiere?
Diese Phytotoxine, die Giftstoffe, können nicht von der Leber abgebaut werden. Sie reichern sich – unter Umständen über Jahre – dort an. Sie können dann zu Unwohlsein führen, zu Fehlgeburten und, weil die Tiere nicht vital sind, dann bis hin zum Verenden führen. Da ist die Leber dann so stark beschädigt, dass wir über Leberzirrhose reden. Da kann man das Tier nicht mehr retten.
Kennen Sie konkrete Fälle oder Tierhalter, wo Weidetiere an einer Kreuzblütler-Vergiftung gestorben sind?
Ja. Sowohl Schafhalter, als auch Milchviehhalter. Bei letztem hieß es im Laborbefund, die Tiere litten unter Phytotoxinen, also Pflanzengiften. Da gehen wir, obwohl es natürlich auch noch andere Giftpflanzen gibt, davon aus, dass es auch an Kreuzkräutern gelegen hat. Wir wollen keine Hysterie schüren, aber es ist schon ein großes Problem. Bei Pferdehaltern haben wir auch bestätigte Abgänge.
Was kann gegen die Ausbreitung der Pflanzen tun?
Wichtig ist, die Pflanzen möglichst zeitig zu mähen. Und – und das ist schon fast eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – der Samendruck muss gemindert werden. Da geht es um die Straßenränder und Stilllegungsflächen, die gemulcht werden müssen. Für letztere gibt es Auflagen, die besagen, dass sie nicht vor dem 15. August gemäht werden dürfen. Da gibt es natürlich ein riesengroßes Samen-Ausbreitungspotenzial. Das können die Landwirte mithilfe eines sehr bürokratischen Ausnahmeantrags eher machen. Bei den Straßenrändern ist es wichtig, dass die betreffende Straßenmeisterei vor Ort ist und die Situation erkennt.
Für Weidetierhalter ist es ganz wichtig, die Weiden möglichst mit einer geschlossenen Grasnarbe dicht zu halten. Dort, wo Weiden und Wiesen konventionell geführt werden, tritt unserer Erkenntnis nach weniger Kreuzkraut auf als auf extensiv geführten Flächen, auf denen weniger gedüngt wird und für die es vielleicht ein Pflanzenschutzmittelverbot gibt.
Was können den Heuproduzenten tun, wenn sie Futterflächen haben, auf denen besagte Kreuzkräuter wachsen?
Sie halten entsprechende Grenzwerte ein. Da gibt es Bekämpfungsschwellen ab einer bestimmten Anzahl der Pflanzen pro Quadratmeter. Ab dann muss gehandelt werden. Aber Heuproduzenten achten ja auf die Qualität ihres Produkts.
Was würde noch dabei helfen, die giftigen Kreuzkräuter wieder loszuwerden?
Wir sehen, wie gesagt, vor allem bei den Stilllegungsflächen Handlungsdruck. Da geht es um große Flächen, denn vier Prozent seines Betriebes muss jeder Landwirt stilllegen. Hier wäre es wirklich gut, wenn die Landwirte von Seiten der Politik nicht eigens einen aufwändigen Ausnahmeantrag an zwei Behören stellen müssten, um diese Flächen – teils mehrfach - mulchen zu dürfen. So ist das für den Landwirt wieder eine zusätzliche Belastung. Mähen reicht übrigens nicht, weil die Kreuzblütler ein unheimliches Potenzial an Nachreife haben. Sie kann eine Woche nach dem Mähen im Zweifelsfall noch Samen bilden. Daher muss man sie mulchen. Dabei wird die Pflanze nämlich kleingeschlagen.
Sind denn die Pflanzen auf der Weide und später im Heu gut zu erkennen?
Im Heu wird das schwierig. In der Natur kann man die Pflanze eigentlich recht gut erkennen. Wer bei der Autofahrt derzeit aus dem Fenster schaut und auf Feldern oder Straßenrändern etwas höhere leuchtend gelb blühende Pflanzen sieht, blickt zu etwa 80 Prozent auf Frühlingskreuzkraut.
Wenn man die Pflanzen dann von Nahem anschaut, sieht man, dass die Blätter und Stängel etwas wollig behaart sind. Daran kann man sie gut erkennen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24
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