Verbotene Veranstaltung
Die Organisatoren des "Palästina-Kongresses" haben das Vorgehen der Berliner Polizei scharf kritisiert. Die Polizei hatte die Veranstaltung kurz nach Beginn aufgelöst. Dagegen protestieren hunderte Menschen am Samstag in Berlin.
Hunderte Menschen haben sich am Samstagnachmittag in Berlin-Mitte zu einer Demonstration gegen das Verbot des sogenannten "Palästina-Kongresses" versammelt.
Die Polizei zählte in der Spitze 1.900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie eine Polizeisprecherin am Abend sagte. Die Menschen hatten sich am Nachmittag am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus versammelt, anschließend zogen sie zur Friedrichstraße Ecke Unter den Linden.
Die Demonstration verlief zunächst friedlich. Wie die Polizei später mitteilte, wurden kurz vor Erreichen des Endplatzes Einsatzkräfte von Teilnehmenden des Aufzugs angegriffen. Daraufhin seien drei Personen festgenommen worden. Insgesamt wurden laut Polizei sechs Demo-Teilnehmer festgenommen.
Etwa 900 Polizistinnen und Polizisten sind den Angaben zufolge im Einsatz, um die Veranstaltung abzusichern. Auch im Stadtgebiet seien zahlreiche Polizistinnen und Polizisten unterwegs und beobachteten die Lage, hatte die Polizei zuvor mitgeteilt.
Die Polizei hatte die den "Palästina-Kongress" am Freitag rund zwei Stunden nach Beginn aufgelöst. Die bis zu 250 Kongressteilnehmer wurden am frühen Abend aufgefordert, den Saal zu verlassen. Als Grund nannte die Versammlungsbehörde eine per Video übertragene Rede eines Mannes, für den in Deutschland wegen Hasstiraden gegen Israel und gegen Juden ein politisches Betätigungsverbot gilt. Als der Mann sprach, schritt die Polizei mit etlichen Beamten ein, kappte die Übertragung und schaltete den Strom zeitweise ab.
Nach Angaben einer Polizeisprecherin sah die Behörde die Gefahr, "dass solche antisemitischen, gewaltverherrlichenden und den Holocaust verleugnenden Redebeiträge sich bei der Veranstaltung wiederholen könnten". Die Entscheidung gilt demnach nicht nur für den Freitag, sondern auch für Samstag und Sonntag.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens reagierten auf die offizielle Beendigung durch die Polizei mit lautstarken Unmutsbekundungen. Sie skandierten unter anderem "schämt euch" auf Englisch. Schließlich verließen sie nach und nach den Saal, teils begleitet von Polizisten. Ein Sprecher des Polizei-Lagezentrums sagte am späten Abend, dass es danach keine weiteren Proteste mehr gegeben habe, die Lage sei ruhig.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser lobte den Einsatz der Polizei auf der Plattform X, vormals Twitter. "Es ist richtig und notwendig, dass die Berliner Polizei hart durchgreift beim sogenannten Palästina-Kongress. Wir dulden keine islamistische Propaganda und keinen Hass gegen Jüdinnen und Juden", schrieb sie. Auch die Gewerkschaft der Polizei nannte das Durchgreifen der Beamten "starkes Zeichen in Richtung derer, die unsere Demokratie ausnutzen oder an der Durchsetzungskraft der Hauptstadtpolizei zweifeln". "Wer unsere demokratischen Möglichkeiten nutzen möchte, der muss sich auch an Auflagen und Gesetze halten", sagte Landeschef Stephan Weh laut Mitteilung.
Die Sprecher der Veranstalter haben das Vorgehen der Polizei scharf kritisiert. Demokratische Rechte seien ausgehebelt worden, hieß es am Samstag während einer Pressekonferenz. Weiterhin würden rechtliche Schritte geprüft.
Rechtsanwältin Nadija Samour sagte für die Veranstalter, die Polizei habe völlig unverhältnismäßig entschieden. Geringere Maßnahmen seien möglich gewesen. Jeglicher Versuch, die Versammlung zu schützen, sei von der Polizei torpediert worden. Es habe keine strafbaren Äußerungen gegeben, was die Polizei auch eingeräumt habe. Das Betätigungsverbot sei dem Veranstalter nicht bekannt gewesen und erst kurz vorher mitgeteilt worden. Aus Sicht der Veranstalter war die Polizeimaßnahme rechtswidrig.
Zu dem internationalen Treffen unter dem Motto "Wir klagen an" hatten diverse propalästinensische Gruppen und Initiativen eingeladen. Darunter sind vor allem solche, die nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden und Berliner Innenverwaltung dem israelfeindlichen "Boykott-Spektrum" zuzurechnen seien. Auch der in Berlin ansässige Verein "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost" gehört zu den Organisatoren. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sieht den Verein kritisch, weil dieser "bereits in der Vergangenheit antisemitische und israelfeindliche Narrative verbreitet" habe.
Die Organisatoren hatten den Kongress schon vor längerer Zeit angekündigt, den genauen Ort aber lange geheim gehalten und erst am Freitag mitgeteilt. Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot vor Ort und verfolgte die als öffentliche Versammlung gewertete Veranstaltung zum Teil auch direkt im Saal. Politik und Polizei hatten vor Beginn des Treffens ein konsequentes Eingreifen angekündigt, sollte es zu antisemitischen Äußerungen oder Straftaten kommen. Schon im Vorfeld hatte es Proteste gegen die Veranstaltung gegeben, unter anderem des Zentralrats der Juden. Am Freitag selbst gab es einige Protestaktionen in der Stadt gegen den Kongress.
Sendung: rbb24 Antenne Brandenburg, 13.04.2023, 11:00 Uhr
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