Erneuerbare Energiequellen
Am Scharmützelsee soll ein neues Wohngebiet mit erneuerbaren Energien beheizt werden. Laut Wissenschaftlern könnte man dem See Wärme entziehen und diese benutzen. Der Investor ist offen dafür. Doch das könnte Folgen für die Fische haben.
In Wendisch Rietz am Scharmützelsee (Oder-Spree) soll ein neues Wohngebiet entstehen, das ausschließlich mit grüner Energie beheizt wird: Geplant sind 100.000 Quadratmeter Wohnfläche sowie ein Hotel, eine Kita und eine Grundschule. Weil der geplante Stadtteil im Südosten des Sees zu weit entfernt ist, kann er laut Angaben des Investors mit einer Gasleitung nicht angeschlossen werden. Erneuerbaren Energien müssen her.
"Der Schwerpunkt liegt aktuell auf Solar- und Geothermie", sagt Robert Gillitzer, Geschäftsführer von ADIX Immobilien. Inzwischen setze sich der Investor – auch auf Wunsch der Gemeinde – mit einer innovativen Energiequelle auseinander: Die Seethermie. "Wir sehen da große Potenziale", so Gillitzer.
Bei der Seethermie wird Seewasser – hier den Scharmützelsee – als Energiequelle benutzt. Dem Wasser soll Wärme entzogen und diese nutzbar gemacht werden. Die Funktionsweise ist ähnlich dem eines Luftwärmetauschers, nur viel effizienter. Experten sprechen von einem höheren Wirkungsgrad.
"Dieses Wasser wird zunächst über einen Primärkreislauf einem Wärmetauscher zugefügt", erklärt Dieter Leßmann, Wissenschaftler an der BTU Cottbus-Senftenberg. "In diesem Wärmetauscher wird Wärmeenergie übertragen auf Wasser, das in einem Sekundärkreislauf zirkuliert. Dadurch wird das Seewasser abgekühlt und in den See zurückgeleitet."
Leßmann ist Ökologe und beschäftigt sich mit den Folgen von Temperaturveränderungen durch die Gewässerthermie. Die BTU Cottbus beteiligte sich 2021 an einer Machbarkeitsstudie in einem ähnlichen See bei Leipzig, wie die Märkische Oderzeitung berichtete. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Seethermie technisch machbar ist und die Gewässer nicht gefährdet. Die Gemeinde Wendisch-Rietz interessierte sich für die Ergebnisse. Zudem hat die BTU auf dem Scharmützelsee einen Forschungskatamaran, der die Wasserbedingungen langfristig misst.
Die Gewinnung von Wärme aus den Gewässern wurde an anderen Orten außerhalb der Metropolregion bereits erprobt. In der Schweiz wird sie oft eingesetzt und in Mannheim funktioniert seit Monaten eine riesige Wärmepumpe, die Wasser aus dem Rhein verwendet und eine Leistung von 20 Megawatt hat. Damit können im Winter etwa 3.500 Haushalte beheizt werden, wie die Tagesschau berichtete. Auch für den Cottbuser Ostsee werden aktuell Studien gemacht. Dort wollen die Stadtwerke künftig etwa 40 Prozent des Wärmebedarfes aus dem Gewässer gewinnen.
Der Schwarmützelsee wäre laut Dieter Leßmann auch für die Gewässerthermie geeignet – allerdings nicht uneingeschränkt über das ganze Jahr, weil das Wasser im Winter bereits zu kalt für die Fische werden kann. "Bei Temperaturen unter drei Grad kommt es bei Fischen zu einer erhöhten Mortalität." Auch bei am Gewässerboden lebenden, wirbellosen Tiere seien bei solchen Temperaturen Schäden zu beobachten, so der Ökologe. Um etwa Fischsterben zu verhindern, müsse erforscht werden, wieviel Wärme dem See überhaupt entzogen werden darf.
Obwohl die Überlegungen rund um die Seethermie noch in der Anfangsphase sind, denkt der parteilose Bürgermeister Andeas Diebert in Wendisch Rietz schon weiter: Der Scharmützelsee soll Pilotregion werden, die dort erzeugte Energie für alle nutzbar sein. "Es kann Möglichkeiten geben, die genutzte Wärme in Energie umzuwandeln und eventuell Wasserstoff herzustellen." Die Umsetzung müssten aber Ingenieure und Wissenschaftler überprüfen, so der Bürgermeister.
Sendung: Antenne Brandenburg, 12.04.2024, 15:40 Uhr
Mit Material von Michael Lietz
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