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Quelle: imago images/Y.Tang

Psychologin zu Klimaangst

"Selbstwirksamkeit ist Gegengift gegen diese unangenehmen Gefühle"

Dauerregen und Hochwasser in Süddeutschland lösen auch bei vielen Menschen, die nicht direkt betroffen sind, Angst und Sorge aus. Wieso sogenannte Klimagefühle nicht nur schlecht sind und wie man damit am besten umgeht, erklärt Psychologin Lea Dohm.

rbb|24: Frau Dohm, Sie beschäftigen sich mit Gefühlen, die die Klimakrise bei manchen Menschen auslöst. Ich habe erfahren, dass Sie das Wort "Klimaangst" nicht gerne hören. Wieso ist das so und welche Gefühle treffen Ihrer Meinung nach eher den Nerv?

Lea Dohm: Aus meiner Sicht ist Klimaangst ein sehr populärer Begriff geworden, der in der Klima-Debatte immer wieder verwendet wird. Aber ich finde ihn verkürzend. Richtiger wäre wahrscheinlich so was wie Klimastress. Die Klimakrise kann in uns ganz viele verschiedene Gefühle auslösen und Angst ist dabei nicht das häufigste, sie kann zum Beispiel auch traurig machen oder ärgerlich, wenn wir uns damit auseinandersetzen.

Zur Person

Tausende demonstrieren in Deutschland immer wieder für eine bessere Klimapolitik. Manche treibt die Klimakrise aber auch zu extremerem Verhalten an. Derzeit sind vor dem Bundeskanzleramt mehrere Aktivisten schon seit Wochen im Hungerstreik. Jetzt wollen einige auch auf Wasser verzichten. Werden solche Aktionen in Zukunft zunehmen?

Wir wissen aus der Forschung zu sozialen Bewegungen, dass sich Menschen, die sich für ein bestimmtes Thema engagieren, wenn die sich zu wenig gehört fühlen über längere Sicht, entweder frustriert zurückziehen oder sich radikalisieren. Das ist vielleicht das, was wir mit Bezug auf Klima gerade erleben. Dass Menschen zum Beispiel mit Blick auf den Hungerstreik so verzweifelt sind, dass sie denken, mir fällt nichts anderes mehr ein, als mit diesem letzten Mittel darauf zu reagieren. Da wäre es natürlich wünschenswert, dass wir als Gesellschaft bessere Antworten bieten könnten, als dass wir Menschen zu derartigem selbstschädigenden Verhalten bringen.

Sie sehen also schon die Politik in der Verantwortung für dieses Radikalisieren der Aktivisten?

Absolut, denn das wirksamste Mittel gegen unangenehme Gefühle in Bezug auf Klima wäre ambitionierter Klimaschutz. Also das Gefühl, dass etwas getan wird und dass wir insofern in ausreichender Sicherheit leben und auf die Zukunft blicken können.

Interview | Klimaforscher Johan Rockström

"Wir führen das letzte Gefecht, wenn es um das Klima und unseren Planeten geht"

2023 geht als das global wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in die Geschichte ein. Johan Rockström, Co-Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, erklärt, weshalb er der Lage trotzdem Gutes abgewinnt.

Der Klimawandel lässt sich nicht aufarbeiten, wie vielleicht die Beziehung zur eigenen Mutter. Und auch die Politik wird sich durch eigenen Aktivismus nicht so schnell ändern. Wieso denken Sie dennoch, dass sich die Psychologie damit beschäftigen sollte?

Unterm Strich kann man sagen: Die Klimakrise ist menschengemacht. Wir als Menschen sind für diese Veränderungen verantwortlich, die sich auf dem Planeten vollziehen, und gleichzeitig ist die Psychologie die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten. Auch wir Menschen sind es, die die Klimakrise bewältigen können, so gut es eben geht. Da gilt es genau zu schauen: Was motiviert den Menschen für Veränderungen? Wie können wir zum Beispiel schwierige Diagnosen wie die Klimakrise gesund verarbeiten, sodass wir ins Handeln kommen, dass wir zusammenhalten, dass das Gemeinschaftsgefühl gefördert wird?

Was raten Sie Menschen, die in großer Sorge vor dem Klimawandel sind?

Der Klimawandel ist wissenschaftlich bestens belegt. Es gilt erst mal zu würdigen, dass diese Gefühle, die dadurch ausgelöst werden, berechtigt und gut begründet sind und wir aus der Forschung auch wissen, dass sie von ganz, ganz vielen Menschen geteilt werden. Das heißt, wir sagen den Menschen, die sowas empfinden: Das ist gesund und normal.

Als zweites geht es dann um die Frage, wie wir damit umgehen können. Wie können wir diese riesigen Probleme, vor denen wir stehen, in unseren Alltag integrieren und schauen: Wo berührt das Schnittstellen zu meinem täglichen Leben? Was kann ich vielleicht an meinem Arbeitsplatz dazu beitragen, dass dieser Wandel sich gesund vollzieht? Was kann ich in den Gruppen, in denen ich mich aufhalte, wie Sportverein oder Kirchengemeinden, dafür tun, dass wir das gemeinschaftlich gut bewältigen?

Selber aktiv werden ist also das, was Sie als wirksamste Methode gegen Klimastress empfehlen?

Die psychologische Forschung weist ganz deutlich darauf hin, dass das Erleben von Selbstwirksamkeit und das Wahrnehmen von wirksamen Handlungsmöglichkeiten Gegengift gegen diese unangenehmen Gefühle ist. Das sorgt dafür, dass wir uns weniger hilflos und ausgeliefert erleben, sondern ganz im Gegenteil, das wir ein Gefühl von im Empowerment oder Ermächtigung spüren.

Fast niemand kann jeden Tag gegen den Klimawandel aktiv werden. Inwiefern ist es auch ratsam, die Klimakrise auszublenden und bewusst nicht so streng mit sich zu sein, als Privatperson meine ich jetzt?

Es ist wichtig, sich deutlich zu machen, dass niemand hierzulande frei von Schuld ist. Unser CO2-Fußabdruck ist geschlossen viel zu hoch. Das heißt, wir dürfen uns für das Klima engagieren, auch wenn wir selbst noch nicht perfekt sind in unserem Alltag und selbst an bestimmten Stellen zu viele emittieren. Außerdem geht es darum, ein gewisses Maß nicht zu überschreiten. Wenn ich feststelle: Mir geht es damit sehr schlecht, ich fühle mich dadurch massiv belastet, schlafe vielleicht schlechter, dass wir dann auch entsprechend Selbstfürsorge betreiben. Gleichzeitig sollten wir aber nicht den Fehler machen, uns komplett abzuwenden, denn das wäre dann wiederum sehr gefährlich.

Starkregen und Überflutungen

Fernzüge in Richtung Süden fahren von Berlin bis maximal Nürnberg

In Süddeutschland bleibt die Wetterlage ernst. Es wird sogar erneut vor Starkregen und Gewittern gewarnt. Im Zugverkehr kommt es zu Ausfällen, ICE aus Berlin fahren maximal bis Nürnberg. In Berlin und Brandenburg ist es derweil trüb, aber weitgehend trocken.

Welche Risiken birgt es, dass sich vor allem junge Menschen mit der Klimakrise auseinandersetzen?

Bei jungen Menschen ist grundsätzlich das Problem, dass die Partizipationsmöglichkeiten noch eingeschränkt sind. Was haben Kinder und Jugendliche für Möglichkeiten, wirklich wirksam zu werden? Sie haben oft noch kein Wahlrecht und ihre Einflussmöglichkeiten sind entsprechen geringer als bei Erwachsenen, wobei sie gleichzeitig viel mehr betroffen sein werden und gar nicht dafür verantwortlich gemacht werden können für das Problem. Letztlich verbirgt sich dahinter auch ein riesiges Gerechtigkeitsproblem.

Es ist aus ethischer Perspektive aus meiner Sicht auch die Verantwortung von uns Erwachsenen, den Kindern und Jugendlichen eine lebenswerte Zukunft zu hinterlassen.

Wie kann man den eigenen Kindern beim Aufwachsen helfen, nicht von der Angst vor der Klimakrise überwältigt zu werden?

Im Wesentlichen geht es durch Vorbildsein. Es ist keine gute Möglichkeit, das Problem zu beschönigen und zu sagen: Es wird schon alles irgendwie werden. Das kann dazu führen, dass sich Kinder alleingelassen fühlen mit dem Problem. Sondern es geht im Grunde um eine ehrliche Auseinandersetzung und natürlich um das eigene Handeln. Denn sonst können Kinder das unter doppelter Buchführung verbuchen, so nach dem Motto: Meine Eltern erzählen mir was drüber, aber machen es selbst gar nicht. Die gesamte psychologische Forschung spricht davon, dass wir um das Integrieren des Handels in unseren Alltag als Erwachsene nicht mehr drum herumkommen. Das ist ein Thema, das uns für den Rest unseres Lebens begleiten wird.

Vielen Dank!

Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24.

 

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