Vorübergehende Freiheitsbeschränkungen
Die Besetzung eines HU-Instituts durch propalästinensische Studenten wurde geräumt, nachdem der Protest zunächst geduldet wurde - offenbar auf Drängen des Regierenden Bürgermeisters. Die Universitätspräsidentin erklärt sich nun.
Die pro-palästinensischen Proteste in der Berliner Humboldt-Universität sind beendet. Die Hochschule hat das betroffene Institut von der Polizei räumen lassen.
Insgesamt hatten sich nach ersten Angaben etwa 150 Aktivistinnen und Aktivisten im Gebäude befunden, wie Polizeisprecherin Beate Ostertag am Donnerstagabend sagte. Zum Teil gingen die Aktivisten freiwillig, zum Teil führte die Polizei sie ab.
Nach Polizeiangaben wurden im Zuge der Räumung 130 kurzzeitige Freiheitsbeschränkungen verhängt. Die Identität der Besetzer sei festgestellt worden. Bei der Räumung mussten sich die Polizisten dem Sprecher zufolge einen Weg durch verbarrikadierte Flure und Türen bahnen. Dabei seien vereinzelt auch Gegenstände auf die Einsatzkräfte geworfen worden. Wie viele Einsatzkräfte - teilweise auch aus Sachsen-Anhalt - beteiligt waren, blieb am Abend noch unklar. Es gebe derzeit auch keine Berichte über Verletzte, weder bei der Polizei noch bei den Besetzern, hieß es.
Die Leitung der Humboldt-Universität hatte die seit Mittwochnachmittag laufende Besetzung von Räumen im Institut für Sozialwissenschaften bis um 18 Uhr geduldet. Mit Ablauf des Ultimatums befanden sich aber noch dutzende Protestierende auf dem Campus.
Wie die Präsidentin der Universität, Julia von Blumenthal, am Abend in einem Pressestatement bestätigte, hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf die Räumung gedrängt. Von Blumenthal sagte, sie bedauere, dass es nicht gelungen sei, im Dialog mit einer verbleibenden Gruppe von rund 50 Demonstranten am Ende so etwas wie eine Verständigung zu erreichen. Sie sei nicht sicher, ob dies gelungen wäre. "Es kam dann die Anweisung von ganz oben, die Besetzung zu beenden. Dieser Anweisung habe ich Folge geleistet", so von Blumenthal.
Zu Fragen der Sachbeschädigung könne sie noch keine Aussage machen, sagte von Blumenthal. Sie habe noch keine Gelegenheit gehabt, das Gebäude vollständig zu betrachten. Die Wände des Hofs vor dem Gebäude waren mit etlichen Graffiti beschmiert. Die Universität werde bei denjenigen, die bis 18.30 da waren, keine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs stellen, da die zeitweise Besetzung geduldet gewesen sei, so von Blumenthal.
Zuvor hatte die Polizei schon den Platz vor der Universität geräumt. Hier hatten sich nach rbb-Informationen etwa 400 Sympathisanten unangemeldet versammelt. Nach der Räumung des Vorplatzes hatten sie ihren Protest auf der anderen Seite der S-Bahn-Gleise, nahe der Humboldt-Universität, fortgesetzt. Es kam zu einigen kurzzeitigen Festnahmen, weil verbotene Parolen gerufen wurden.
Am Freitag hat von Blumenthal die späte Räumung verteidigt: Es sei notwendig, Grenzen auszuloten, sagte die HU-Präsidentin dem rbb. Es sei um die Frage gegangen, ob man mit den Studierenden noch in einen Dialog kommen könne. Die Universität habe Bedingungen aufgestellt, unter denen die Besetzung weiter geduldet würde. Dazu habe gehört, dass es keine weiteren Schmiereien gebe und dass es am Donnerstag ein friedliches Gespräch geben würde.
"Sie können mich dafür kritisieren, dass ich versucht habe, in einer Situation, wo zwei Gruppen waren, mit einer von den beiden Gruppen zu sprechen. Aber sie können mir nicht unterstellen, dass ich deswegen den Terror der Hamas dulde oder wir Terrorsymbole der Hamas dulden wollen", so Blumenthal. Sie betonte, auch die HU-Leitung hätte nach Ablauf der Frist am Donnerstag um 18 Uhr das Gebäude räumen lassen. Der Zeitpunkt für den Polizeieinsatz sei allerdings "von oben" entschieden worden. Daraufhin musste der Versuch eines Dialogs mit den Studierenden abgebrochen werden.
Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Burkhard Dregger, verteidigte die Anordung zur Räumung. Er sagte dem rbb am Freitag, Unibesetzungen, Sachbeschädigungen, volksverhetzende Aufrufe und Angriffe auf Einsatzkräfte hätten nichts mit der freien Wissenschaft und Lehre einer Universität zu tun. Es sei ein völlig inakzeptabler Zustand, das zu dulden. Es müssten von Anfang an klare Ansagen gemacht werden, so Dregger weiter. Die Hinnahme von Straftaten sei "völlig inakzeptabel". Man müsse "die sich ausbreitende Pogromstimmung gegen jüdische Studierende und jüdische Einrichtungen von Beginn an unterbinden". Protest sei erwünscht und zulässig, aber nicht Straftaten, betonte der CDU-Politiker.
Die jungen Demonstranten, zum Teil mit Palästinensertüchern vermummt und "Intifada"-Sprechchöre skandierend, wollten die Uni-Räume so lange besetzen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Von Berliner Hochschulen forderten sie unter anderem, dass diese sich für einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand von Israel einsetzen, Druck auf die deutsche Regierung ausüben, ein Waffenembargo gegen Israel zu verhängen und alle deutschen militärischen, finanziellen und diplomatischen Hilfen an Israel zu beenden.
Aktivisten hatten am Mittwoch aus Protest gegen Israel und zur Unterstützung der Palästinenser Räume der Berliner Humboldt-Universität (HU) besetzt. Laut der Aktivisten-Sprecherin hatten etwa 100 Personen von verschiedenen Berliner Hochschulen dort übernachtet.
Kurz vor der Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts war es am Mittwoch auf der Straße vor dem Gebäude zu lautstarken Protesten von pro-palästinensischen Aktivisten gekommen. Die Veranstaltung sei nicht angemeldet worden.
Laut Polizei sollen Protestierende am Mittwochnachmittag und -abend propalästinensische Parolen gerufen und Banner geschwenkt haben.
Der Konflikt im Nahen Osten ist schon vor Wochen an deutschen Hochschulen angekommen. Immer wieder gibt es Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg und Aktionen Studierender für eine Solidarität mit den Palästinensern. Eine Besetzung an der Freien Universität Berlin vor wenigen Wochen war von der Polizei aufgelöst worden.
Nach dem beispiellosen Massaker der Hamas mit mehr als 1.200 Toten am 7. Oktober in Israel kamen im folgenden Gaza-Krieg laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 35.000 Palästinenser ums Leben, wobei bei der kaum unabhängig zu überprüfenden Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden wird.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.05.2024, 19:30
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