Pro-palästinensischer Protest
Die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität hat ihre Strategie des Dialogs mit den Besetzern von Hochschulräumen verteidigt. Die Räumung sei auf Anweisung von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra geschehen - in Übereinstimmung mit Kai Wegner.
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Der Zeitpunkt des Polizeieinsatzes zur Beendigung der Besetzung eines Gebäudes der Humboldt-Universität (HU) in Berlin durch propalästinensische Aktivisten ist nach Angaben von Hochschulpräsidentin Julia von Blumenthal "von oben" festgelegt worden. Das sagte sie am Freitag im rbb.
Demnach sei die Räumung auf Anweisung von Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) in Übereinstimmung mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) geschehen.
Czyborra teilte mit, die Entscheidung, die Aktion der Demonstranten zu beenden, sei von der Hochschule und dem Senat gemeinsam getroffen worden.
Die Beendigung der Besetzung war Thema "in einem Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister, der für die Polizei zuständigen Innensenatorin und der Präsidentin der Humboldt Universität", teilte Czyborra am Freitag mit: "Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass die Universitätsleitung die Besetzung beendet und die Demonstranten aufgefordert werden, das besetzte Institut zu verlassen. Dieser Prozess ist geordnet verlaufen", so die SPD-Politikerin. Auch Uni-Präsidentin von Blumenthal habe das mitgetragen.
Von Blumenthal betonte, auch die HU-Leitung hätte nach Ablauf der Frist um 18 Uhr das Gebäude räumen lassen. Über den Zeitpunkt für den Polizeieinsatz sei allerdings "von oben" entschieden worden.
Czyborra hält den Umgang mit den Besetzern für sachgerecht. Die Hochschule habe richtig gehandelt: "Deeskalierend, wo es sinnvoll erschien, dialogorientiert mit Augenmaß und in der Folge konsequent. Die Beendigung der Besetzung nach Ablauf der Frist war richtig", so die SPD-Politikerin: "Antisemitismus und Terrorverherrlichung sind inakzeptabel und diskreditieren jeden Protest.", so Czyborra auf X.
Die Besetzung des Instituts hatte am Mittwoch begonnen, die Leitung der Universität hatte den Aktivisten bis Donnerstag um 18 Uhr eine Frist zum Verlassen des Gebäudes gesetzt. Sie wurde nicht eingehalten. Nach einer Bestätigung der Universitätsleitung, die das Hausrecht ausübt, begann die Polizei am Donnerstagabend daraufhin mit einer Begehung der Räumung.
Im Inneren des Instituts befanden sich laut Polizei etwa 120 Personen, von denen sich etwa 20 im Obergeschoss verbarrikadiert hatten. Zur Öffnung der verbarrikadierten Tür musste den Angaben zufolge eine Ramme eingesetzt werden. Etwa 50 Personen hielten sich im Innenhof der Universität auf und skandierten teilweise pro-palästinensische Sprechchöre, hieß es weiter.
Die Hochschule sei mit den Besetzern zu diesem Zeitpunkt im Dialog gewesen, so von Blumenthal: "Aus unserer Sicht hätten wir noch etwas Zeit gebraucht, um zu sehen, ob wir selbst diesen Dialog zu einem Ergebnis führen können oder nicht", sagte die Präsidentin dem rbb: "So mussten wir den Dialogversuch abbrechen."
Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Burkard Dregger, verteidigte die Anordnung zur Räumung. Er sagte dem rbb am Freitag, Unibesetzungen, Sachbeschädigungen, volksverhetzende Aufrufe und Angriffe auf Einsatzkräfte hätten nichts mit der freien Wissenschaft und Lehre an einer Universität zu tun. Es sei ein völlig inakzeptabler Zustand, das zu dulden. Es müssten von Anfang an klare Ansagen gemacht werden, so Dregger weiter. Die Hinnahme von Straftaten sei "völlig inakzeptabel". Man müsse "die sich ausbreitende Pogromstimmung gegen jüdische Studierende und jüdische Einrichtungen von Beginn an unterbinden". Protest sei erwünscht und zulässig, aber nicht Straftaten, betonte der CDU-Politiker.
Wegner hatte am Donnerstag erklärt, Universitäten seien "keine rechtsfreien Räume für Antisemiten und Terrorsympathisanten".
Nach Polizeiangaben wurden bei der Räumung "vereinzelt" Gegenstände auf Beamtinnen und Beamte geworfen. Teilweise hätten auch Räume "mit Zwang geöffnet" werden müssen, weil sich Menschen darin verbarrikadiert hätten, hieß es. Angetroffene Aktivisten wurden demnach aus dem Gebäude gebracht und einer Identitätsfeststellung unterzogen. Am Donnerstagabend gab es laut Polizei außerdem noch eine "Solidaritätsdemonstration" nahe dem Institut.
Wie die Beamten schon am Donnerstag weiter mitteilten, gab es in dem besetzten Gebäude Sachbeschädigungen. Zudem seien von Demonstrierenden antisemitische und volksverhetzende Äußerungen getätigt worden, hieß es.
Nach Polizeiangaben wurden 25 Strafermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Volksverhetzung eingeleitet. 169 Menschen seien am Donnerstagabend kurzzeitig festgenommen worden, um deren Identität festzustellen, sagte eine Polizeisprecherin am Freitag. Sechs weitere "freiheitsbeschränkende Maßnahmen" habe es bei einer anschließenden Kundgebung gegeben sowie sechs weitere Anzeigen wegen des Verdachts des Land- und Hausfriedensbruchs sowie der Körperverletzung. Die Polizei Berlin war mit etwa 530 Einsatzkräften vor Ort.
Die Proteste in dem Institut richteten sich gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen, teilweise allerdings zugleich auch gegen den israelischen Staat insgesamt.
Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft hat unterdessen in einer Pressemitteilung den Rücktritt der Präsidentin der HU gefordert. "Die Untätigkeit der Universitätsleitung zeugt von einer Gleichgültigkeit gegenüber den Sicherheitsbedürfnissen und dem Wohlergehen jüdischer und israelischer Studierender und Lehrender der Universität", erklärte der Bundesvorsitzende des Forums Lasse Schauder: "Zugleich stellt es ein Einknicken vor terrorverherrlichenden und gewalttätigen Akteuren dar." In der Mitteilung fordert das Forum eine eindeutige und unmissverständliche Haltung gegenüber jeder Form "von Antisemitismus und ein konsequentes Vorgehen gegen Israel-Hasser und Hamas-Sympathisanten".
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.05.2024, 10:40 Uhr
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