Bericht im Sorbenrat vorgestellt
Eine Untersuchung im Auftrag des Bildungsministeriums sorgt für Aufregung. Angeblich würden in einem Lausitzer Hort fragwürdige erzieherische Ansätze gelebt. Dazu gehöre auch Grimms Märchenwelt. Nun hat sich der Sorbenrat damit beschäftigt. Von Aspasia Opitz und Daniel Mastow
Der böse Wolf - das Gemälde des Lausitzer Malers Dieter Zimmermann hängt im Flur des Lipa-Hortes in Burg (Spree-Neiße) und soll gewaltverherrlichend sein. So wurde es den Mitarbeitern des Hortes vermittelt, nachdem ein Team der "pädquis Stiftung" im Auftrag des Landesministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS)zu Gast war, das den Hort bewerten sollte.
"Ich war sehr geschockt von den Aussagen", sagt Einrichtungsleiterin Iva Schultchen dem rbb. "Ich habe mir ein paar Tipps erhofft, wo wir besser werden können und keine solchen niederschmetternden Aussagen erwartet."
Nachdem bereits im Herbst vergangenen Jahres ein Zwischenbericht vorgestellt wurde, war er am Dienstag erstmals Thema im Sorbenrat. Mit dabei waren auch Vertreter der pädquis Stiftung sowie des Bildungsministeriums.
Der Hort in Burg arbeitet nach dem sogenannten Witaj-Projekt, bei dem Kinder von Anfang an neben der deutschen auch die sorbisch-wendische Sprache lernen sollen. Bezahlt wird das vom Brandenburger Bildungsministerium. Um die Arbeit in der Einrichtung und den Erfolg des Förderprojektes zu überprüfen, wurde der Hort zusammen mit 14 weiteren Einrichtungen in Cottbus und dem Spree-Neiße-Kreis bewertet.
Die Untersuchung soll unter anderem Erkenntnisse über die Interaktion mit der sorbisch-wendischen Sprache liefern. So soll zum Beispiel geprüft werden, ob es dafür genügend Anregungen in der Einrichtung gibt und welche Maßnahmen besonders gut dabei helfen, die Sprache zu erlernen, erklärte das Ministerium im vergangenen Jahr. Es wies damals auf rbb-Anfrage darauf hin, dass im Rahmen der Erhebung auch die pädagogische Qualität des Hortes im Allgemeinen bewertet wurde. Dazu wären international anerkannte Beobachtungsverfahren zum Einsatz gekommen.
"Im Gegensatz zu unseren Vorstellungen, dass die Arbeit der sorbischen Erzieher im Fokus steht, stand eigentlich alles andere im Fokus - also unsere Ausstattung, unsere Angebote, unsere pädagogische Arbeit im gesamten Haus und nicht nur Fokus auf die Witaj-Arbeit", sagt die Leiterin Iva Schultchen."
In der Evaluation wird eine angeblich veraltete Pädagogik kritisiert. Kinder würden durch Fabeln und Märchen verstört, hätten eine viel zu enge Bindung zu Erziehern und bekämen ihr Essen zu festen Tageszeiten serviert, statt als Ganztages-Buffett.
An den sorbischen Angeboten zeigten die Prüfer wenig Interesse, heißt es von den Horterzieherinnen. "Es war eigentlich unsere Hoffnung, dass dargestellt wird, wie vielfältig wir sind", so Erzieherin Nicole Rublack. "Hängengeblieben sind leider nur unsere Märchenbücher, die gewaltverherrlichend genannt worden sind." Das umfangreiche Literaturangebot sei wenig beachtet worden. Als Rublack anfangen wollte, mit den Kindern über die verschiedenen Tiere der Vogelhochzeit zu sprechen, habe das Team den Raum wieder verlassen, sagt sie.
Auch der Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden zeigte sich von den Untersuchungsergebnissen irritiert. Während der Sitzung am Dienstag in Potsdam ist erörtert worden, ob das Team der pädquis Stiftung das richtige war. Die Sorbenratmitglieder ließen sich die Ergebnisse von den Forschern erläutern. Diese haben die Kritik der Betroffenen zurückgewiesen.
"Wir haben keine Wirksamkeitsstudie durchgeführt, um zu gucken inwiefern das Landesprogramm tatsächlich bei den Kindern auf die Sprache, auf die Kulturvermittlung wirkt", sagte Marisa Schneider von der Stiftung. "Wir haben uns den Status Quo in der Vermittlung und von Methoden angesehen."
Scharfe Kritik kam in der Sitzung von Měto Nowak, dem Leiter des Minderheitensekretariats in Berlin. Er frage sich, was die Stiftung für so eine Untersuchung berechtige, wenn sie keine sorbisch/wendischen Kompetenzen nachweisen könnten. "Besonders die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis fühlen sich dann oft sehr schnell berührt, 'hier wird uns Kompetenz abgesprochen' oder 'woher wollen die wissen, was wir hier mit unseren Kindern machen, wenn die danebenstehen und kein Wort verstehen?' Ich formuliere es ein bisschen salopp, so Nowak.
Marisa Schneider von der pädquis Stiftung erwiderte, dass das Team nicht einzelne Angebote in einem Sprachbereich bewerte, sondern "die pädagogische Prozessqualität", also die "Interaktion zwischen den Fachkräften und den Kindern, den Kindern untereinander und auch die einbezogenen Materialien insgesamt in der Kita."
Im Juli will die Stiftung ihre endgültigen Ergebnisse der Untersuchung in den betroffenen Kitas vorstellen. Měto Nowak forderte am Dienstag in der Sitzung von der Stiftung, dass die Ergebnisse dann mit viel Feingefühl gegebüber den Erziehern vorgetragen werden.
Finanzielle Konsequenzen hat die Überprüfung laut Bildungsministerium keine. "Seit fünf Jahren existiert diese Förderung. Es ist nicht anzunehmen, dass Brandenburg jetzt sagt, [das] machen wir in der nächsten Legislatur nicht mehr", sagte die neue, zuständige Referatsleiterin Lena Irmler in der Sitzung des Sorbenrats. Sie verstehe die Förderrichtlinie so, dass alles, was möglich ist, um diese Kultur auch sprachlich zu unterstützen, personell-sächlich gefördert werden solle, so Irmler.
Die Bewertung ist laut der Referatsleiterin ein Anfang, um damit weiterzuarbeiten. Irmler sprach sich außerdem deutlich dafür aus, "Irritation als Kommunikationsanlass zu verstehen und uns zu kontaktieren."
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 28.05.2024, 19:30 Uhr
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