Alternative zum Abriss
Zwei der ältesten Windkraftanlagen in Brandenburg stehen jetzt offiziell unter Denkmalschutz. Ein Verein setzt sich für ihren Weiterbetrieb ein. Doch damit sind längst nicht alle Anwohnenden einverstanden. Von Jonas Wintermantel
Brandenburg ist ein Land der Denkmäler – das Schloss Sanssouci, das Kloster Lehnin und natürlich: die Windenergieanlagen Typ Enercon E-33 im Zossener Ortsteil Schünow.
Die mit 38 Meter Nabenhöhe und 33 Meter Rotordurchmesser vergleichsweise kleinen Windräder gehören nun offiziell zu den brandenburgischen Denkmälern. 1992 sind sie als Teil des ersten Windparks in Brandenburg ans Netz gegangen – auf Initiative eines Mannes, dessen Nachkommen sich heute dafür einsetzen, dass die alten Anlagen stehen bleiben und bald wieder laufen können. Warum?
1992 steckte die Windenergie in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Laut einer Statistik des Bundeswirtschaftsministeriums machte die Windenergie an Land damals in Deutschland gerade einmal einen Anteil von 0,1 Prozent am Bruttostromverbrauch aus. In diesem Jahr baute Jürgen Weinrich in Zossen trotzdem den ersten Windpark Brandenburgs.
Mit seinem Tod 2021 erbten seine Nachkommen – darunter Tochter Jeannine Weinrich – 15 Windräder. Gemeinsam mit einigen Branchenspezialisten und dem Unternehmer Christian Busse, der mit seiner Firma unter anderem Konzepte für den Weiterbetrieb von Windkraftanlagen erarbeitet, gründete sie den Verein "WindKraftArche". Der Verein will die Windräder künftig pflegen, reparieren und wieder in Betrieb nehmen.
"Wir möchten nicht einfach Schrott unter Denkmalschutz stellen", sagt Busse im Interview vor den beiden Windkraftanlagen. "Wir gehen davon aus, dass wir eine Anlage in diesem Jahr wieder ans Netz bekommen. Deswegen haben wir auch diesen Verein mit Branchenexperten gegründet, mit technischem Gutachter, mit Betriebsführern, mit langjährigen Experten, um hier wirklich auch sicherzustellen, dass die Anlagen gut betreut sind und auch wieder laufen werden."
Wenn alles nach Plan des Vereins läuft, sollen beide Anlagen noch über 50 Jahre Strom produzieren können. Doch nicht nur das: Eines Tages sollen die Windräder begehbar sein – geplant ist schon eine Kooperation mit einem Studiengang für erneuerbare Energien, sagt Busse: "Inzwischen sind die Studiengänge an den Universitäten teilweise zehn Jahre hinter dem Markt. Und auch da müssen wir immer wieder dafür sorgen, dass die Studenten wenigstens mal ein Windrad sehen, bevor sie in die Arbeitswelt entlassen werden."
Die durchschnittliche Lebensdauer einer Windkraftanlage beträgt in Deutschland typischerweise zwischen 20 und 25 Jahren. Dies ist die Zeit, für die Betreiber in der Regel eine garantierte Einspeisevergütung gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten. Nach Ablauf dieser Zeit können Windkraftanlagen technisch zwar noch funktionieren, oft rentieren sie sich dann jedoch nicht mehr – weil die Zuschüsse durch das EEG ausbleiben, weil die Wartung zu teuer wird oder weil die Anlage nicht mehr so effizient Strom produzieren kann wie moderne Anlagen. Laut Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums läuft die Förderung nach dem EEG in diesem Jahr für 231 Anlagen aus, die 2005 in Betrieb genommen wurden.
Was den Betreibern nach Auslaufen der Förderung dann übrigbleibt: die Stilllegung, der Weiterbetrieb auf Grundlage eines neuen Stromliefervertrags, die Modernisierung durch sogenanntes "Repowering“ – also quasi ein Tuning der Anlage - oder aber der Verkauf. All diese Maßnahmen kamen für die Nachkommen des Windrad-Pioniers nicht infrage, und so zeichnete sich eine weitere Möglichkeit ab: Man könnte die Anlage doch auch unter Denkmalschutz stellen.
Denkmalschutz und Windkraftanlagen – diese beiden Begriffe tauchen meist eher gemeinsam auf, wenn der Bau einer neuen Windkraftanlagen durch den Denkmalschutz gebremst wird.
Laut Paragraph 2, Absatz 1 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes (BbgDSchG) sind Denkmale "Sachen, Mehrheiten von Sachen oder Teile von Sachen, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, wissenschaftlichen, technischen, künstlerischen, städtebaulichen oder volkskundlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht".
"Das entscheidende Kriterium, diese Windräder unter Denkmalschutz zu stellen, war unter anderem, dass wir eben in Brandenburg noch keine Art dieser Windräder bislang unter Schutz haben", sagt Viviane Taubert vom Landesdenkmalamt Brandenburg. Sie war für die Prüfung der beiden Windkraftanlagen im Landesamt zuständig. Ein besonders schwieriger Fall sei das nicht gewesen. "Diese Windräder sind jetzt unter Schutz gestellt worden, obwohl sie im Auge des Betrachters vielleicht nicht in erster Linie schön sind. Aber sie sind eben technisch sehr bedeutend und daher eben auch relevant für die Entwicklung dieser Technik für die Menschheit."
Den historisch-kulturellen Wert der beiden Windräder können in Schünow längst nicht alle erkennen. Schünows Ortsvorsteherin Regina Pankrath hat den Denkmalschutz für die Windräder zunächst für einen schlechten Scherz gehalten. "Den einzigen Sinn kann man darin eigentlich nur sehen, dass die Betreiber sich damit massive Rückbaukosten ersparen." Pankrath will Akteneinsicht beim Landesamt für Denkmalpflege nehmen und droht mit einer Klage dagegen, dass die alten Windräder jetzt als Denkmale für ewig stehen bleiben sollen. Mit ihrer Meinung ist sie nicht allein.
"Das ist für mich kein Denkmal. Das ist Schrott!" sagt eine Anwohnerin, "Denkmäler sind für mich altertümliche Gerätschaften oder Gebäude, wo wirklich ein paar Jahrhunderte drauf sind, aber doch nicht das hier. Die stehen tausendfach bei uns rum." Ein wenig verständnisvoller drückt es eine weitere Schünowerin aus: "Ich kann nachvollziehen, dass da eine Motivation da ist, das zu erhalten. Natürlich ist es aber auch wichtig, die Bürger von Schünow miteinzubinden. Der Abstand zum bewohnten Gebiet ist natürlich sehr nah". So nah, dass hier keine neuen Windräder gebaut werden dürften. Die alten sollten deshalb nach dem Willen vieler Schönower am besten abgerissen werden.
Windräder unter Denkmalschutz - das gibt es deutschlandweit bisher nur in Brandenburg.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.05.2024, 19:30
Beitrag von Jonas Wintermantel
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