Großbaustelle in Potsdam
Bis Ende 2026 wird am Leipziger Dreieck neben dem Potsdamer Hauptbahnhof voraussichtlich noch gebaut. Damit verbunden sind über Jahre Einschränkungen und lange Staus im täglichen Verkehr. Das könnte sich perspektivisch sogar positiv auswirken.
Pendler, die morgens aus Richtung Michendorf und Caputh oder Ferch nach Potsdam fahren und nachmittags wieder zurück, werden derzeit auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Wegen des im Jahr 2019 begonnenen Umbaus am Leipziger Dreieck gibt es im Bereich Brauhausberg und Leipziger Dreieck morgens und nachmittags seit Jahren schon häufig lange Staus.
Mit dem Umbau will die Stadt die Verkehrsabläufe für die Straßenbahn optimieren und den Verkehrsfluss am Leipziger Dreieck verbessern und sicherer machen. Dazu gehört unter anderem, die Kreuzung barrierefrei zu gestalten, die grundsätzliche Instandsetzung der Straßen und die Neuprogrammierung der Ampeln.
Für den Umbau im laufenden Betrieb sind Umleitungsstrecken eingerichtet und Fahrspuren verkleinert worden. Autos stehen dadurch in der Früh teils bis zum Ortsschild der Stadt, die Fahrt ins Zentrum verzögert sich manchmal um eine halbe Stunde für eine Strecke, die sonst nicht länger als drei Minuten dauert.
Hätte es zu der Großbaustelle mit all ihren Einschränkungen über Jahre hinweg keine bessere Alternative gegeben? Auf Nachfrage teilt die Stadt dem rbb mit, dass es für das Leipziger Dreieck aufgrund seiner zentralen Funktion für den Verkehr und seiner Lage in Potsdam keine ausreichenden Umleitungsmöglichkeiten gebe. Deshalb müssten der Umbau und die Renovierung im laufenden Betrieb stattfinden.
Eine Freigabe der Busspur am Brauhausberg auch für Autos würde keinen zusätzlichen Nutzen bringen, weil die Autos sich dann einfach weiter unten im Kreuzungsbereich stauen würden, denn dort gibt es stadteinwärts bauarbeitenbedingt wieder nur eine Spur, heißt es von der Stadt. Außerdem liege der Fokus laut Stadt auf der Pünktlichkeit des ÖPNV, deswegen sollen die Busse an den sich stauenden Autos vorbeifahren können.
Laut dem Berliner Verkehrsexperten und Mobilitätsforscher Alexander Rammert ist es prinzipiell sinnvoll, die Kreuzung im laufenden Betrieb umzubauen, weil eine Vollsperrung "noch viel katastrophalere Folgen auf die Verkehrsentwicklung" haben würde. Viele Quartiere in der Stadt seien nach wie vor autoabhängig, deswegen sei die gewählte Lösung plausibel, sagt Rammert im Gespräch mit dem rbb.
Rammert sagt auch, dass die Stadt eine Gesamtperspektive einnehmen und alle Verkehrsteilnehmenden berücksichtigen müsse; hinzu kämen soziale und ökologische Aspekte. In Potsdam soll zum Beispiel die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöht werden und die Innenstadt soll mehr verkehrsberuhigte Bereiche bekommen.
So würde etwa auch ein Kreisel am Leipziger Dreieck nicht unbedingt eine Lösung bringen. In der gesamten Bundesrepublik rückten Planer mittlerweile aus verschiedenen Gründen von innerstädtischen Kreiseln ab, sagt Rammert. Der Totraum innerhalb eines Kreisels sei kaum nutzbar, Fußgänger und Radfahrer hätten größere Schwierigkeiten, auf die andere Seite zu gelangen und Kreisel verschlängen deutlich mehr Raum als Kreuzungen. Bestes Beispiel, so Rammert, sei der Ernst-Reuter-Platz in Berlin, der Autos Vorrang gibt und Fußgänger wie Fahrradfahrende benachteiligt.
Das Bauprojekt zur Neugestaltung des Leipziger Dreiecks in Potsdam hält Rammert nicht für unzeitgemäß. Großprojekte seien dann angemessen, wenn sie in das städtische Gesamtleitbild passten und gemeinsam mit der Bevölkerung durchgeführt würden. Das sei in Potdam der Fall. Es gibt laut Rammert deutlich problematischere Projekte in Deutschland, bei denen das die Planer nicht eingehalten hätten. Als Beispiel nennt er Stuttgart 21 oder den Weiterbau der Autobahn 100 in Berlin.
Außerdem hätten Staus wie der am Leipziger Dreieck einen ungeplanten, aber nicht unerwünschten Nebeneffekt. Während eine effiziente Autoinfrastruktur automatisch zu mehr Verkehr führe, weil mehr Menschen das Auto nähmen, trete bei einer über Jahre hinweg den Verkehr negativ beeinflussenden Baustelle genau das Gegenteil ein: die Menschen begännen, über Alternativen nachzudenken, so Rammert. Für das Ziel, den Verkehr in der gesamten Innenstadt Potsdams zu reduzieren, könnte der Stau am Leipziger Dreieck daher sogar positive Folgen haben.
Das Innenstadtverkehrskonzept der Stadt sieht vor, dass diese gut und zuverlässig erreichbar sein soll und zwar möglichst zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für ihr gesamtes Gebiet hat sich die fortschreitend wachsende brandenburgische Landeshauptstadt das Ziel gesetzt, die Mobilität zu sichern und die verkehrsbedingte Umweltbelastung durch Luft, Lärm und Abgabe zu verringern. Dazu gehört, zunehmend Autos aus der Innenstadt zu verbannen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 05.06.2024, 16:40 Uhr
Beitrag von Felix Moniac
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