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Audio: rbb|24 | 20.06.2024 | O-Ton aus dem Interview mit Derk Ehlert | Quelle: dpa/Pengfei

Interview | Sicherheit unter Berliner Bäumen

"Man kann sich getrost unter große Bäume setzen"

Bäume, die auf Menschen fallen? Ein Problem im Promille-Bereich, sagt Derk Ehlert, der bei der Berliner Senatsverwaltung im Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung tätig ist. Er appelliert aber wegen eines Restrisikos an den gesunden Menschenverstand.

rbb|24: Hallo Herr Ehlert. Immer mal wieder kippen Bäume um oder es fallen Äste herab - und verletzen Menschen. Was ist los mit den Berliner Bäumen?

Derk Ehlert: Eigentlich ist gar nichts los. Wir haben allein in Berlin 430.000 Straßenbäume und unzählige Bäume, die in Park- und Grünanlagen stehen. Außerdem nicht gezählte Bäume auf privaten Grundstücken. Hinzu kommen mehrere Millionen Bäume in den Berliner Waldgebieten. Wenn da ab und zu mal ein Baum umkippt oder Äste abfallen, ist das für den Baum bedauerlich und für uns Menschen auch – sofern wir daneben oder darunter stehen. Aber die Vorfälle befinden sich im Verhältnis im Promille-Bereich. Es handelt sich also um einen völlig normalen Zustand.

Berlin

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Ihr Eindruck ist also nicht, dass das derzeit öfter passiert als sonst?

Es ist so, dass es hier und da zu Astbrüchen kommt. Wenn niemand daneben steht und es keiner mitbekommt, wird darüber auch nicht berichtet. Eine Häufung verzeichnen wir nicht.

Aber es heißt ja immer, dass die Berliner Bäume gestresst sind und nicht gesund.

Da haben Sie Recht. Die Bäume stehen unter Stress. Und Bäume werfen, wenn sie tote Äste haben, diese auch so irgendwann ab. Sie trennen sich auch von Ästen, wenn sie der Auffassung sind, dass sie diese nicht mehr brauchen. Das kann auch in einer lauen Sommernacht passieren, wenn es gerade nicht windig oder stürmisch ist. Für uns Menschen passiert das dann ganz plötzlich – für den Baum nicht. Denn er trennt sich von einer unnützen Last.

Passiert das auch, wenn Bäume ihr Lebensende erreicht haben?

Stadtbäume werden grundsätzlich nicht so alt wie die Familie derselben Art im Wald. Da kommen wieder die Stressfaktoren in der Stadt ins Spiel. Klimastress ist ja nur ein Faktor. Es gibt darüber hinaus zunehmende Winde, Stürme, Boden-Aufgrabungen, Eutrophierungen sowie Stamm- und Wurzelschäden. Es gibt so viele Störfaktoren, die ein Stadtbaum aushalten muss, so dass es durchaus normal ist, wenn er nicht so alt wird und er bestimmte Mangelerscheinungen hat.

Wie sorgt denn Berlin dafür, dass die Stadtbäume so gesund – und damit sicher - wie möglich sind?

Weil sich in der Stadt sowohl an den Straßen als auch in den Parkanlagen dauerhaft Menschen bewegen, werden die entsprechenden Bäume besonders kontrolliert. Es gibt die VTA, die Visual-Tree-Assessment-Methode, die international überall gleich ist. Das heißt, dass jeder Baum, der im öffentlichen Straßenraum steht, muss standsicher sein. Darauf werden die Bäume in Berlin regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, überprüft. Dabei wird kontrolliert, ob eine Gefahr von dem Baum ausgeht. Jeder Bezirk hat entsprechende Mitarbeitende, die das machen.

Auch hierfür haben die Berliner Bäume in einer gewissen Höhe Nummern oder Ziffern. Dadurch wird der Baum katalogisiert, digitalisiert, erfasst und regelmäßig begangen. Bei der Begehung hält der Profi nach äußeren Merkmalen Ausschau. Also ob der Wuchs schütter ist, ob es Wipfel-Dürre gibt, ob da Äste kaputt sind oder es Stamm- oder Wurzelschäden gibt. Sobald ein Baum nicht mehr als voll wachsend und nicht mehr als gut sicher eingetragen wird, wechselt er die Kategorie und wird dementsprechend häufiger begangen. Zudem werden Maßnahmen wie das Wegschneiden von Totästen oder das Stutzen der Baumkrone eingeleitet. Das Fällen eines Baumes ist die letzte Methode – wenn es gar nicht anders geht.

Können die entsprechenden Mitarbeiter denn wirklich alle Schäden auch sehen?

Es gibt Krankheiten, die durch äußerliche Merkmale nicht erkennbar sind. Pilze beispielsweise. Sie können einen Baum innerhalb von kurzer Zeit von innen befallen – und das sieht man dem Baum von außen nicht an. Er kann in voller Krone stehen und grün sein und doch innerhalb weniger Wochen so geschwächt sein, dass er plötzlich umkippt.

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Wie sicher sitzt man also unter Berlins Bäumen?

Man kann sich getrost unter große Bäume setzen. Man sollte es auch. Denn den Schatten dieser Bäume sollte man wirklich genießen. Aber man sollte auch den gesunden Menschenverstand walten lassen. Wenn es kracht, man es reißen hört, man Risse sieht oder andere Auffälligkeiten hört, sollte man dem entsprechenden Baum fernbleiben. Es ist sicherlich auch ratsam, keine Kopfhörer aufzuhaben – damit man die Geräusche überhaupt wahrnehmen kann. Es gibt keine absolute Sicherheit, sich draußen ohne jegliche Gefahr bewegen zu können.

Die Stadt macht wirklich vieles, damit wir sicher leben können. Aber eine Restgefahr bleibt. Jeder Fall, bei dem Menschen verletzt oder getötet werden ist natürlich einer zu viel. Aber Bäume werfen – das ist ein ganz natürliches Verhalten – auch immer mal Äste ab.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

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