Korrekter Fußball-Freudentaumel
Bis Mitte Juli können können fast jeden Abend jubelnde Fußball-Fans durch die Straßen ziehen. Passend dazu: eine typisch deutsche Übersicht, wie man im Land der Dichter, Denker und Ordnungsämter regelkonform feiert.
Mindestens 90 Minuten mitfiebern, bestenfalls viele Tore und nachher den Glücksgefühlen freien Lauf lassen können: Viele Fußballfans wollen ihrer Freude über den Sieg ihres Teams bei dieser Europameisterschaft ausgelassen feiern. Weil dabei natürlich alles seine Ordnung haben muss - Deutschland! - und die Polizei nicht die Party abpfeifen soll, ein paar Zeilen zur Einstimmung auf Autokorso und Co.
Vor dem Spiel gilt: Die EM setzt die Kleidungsvorschriften am Arbeitsplatz nicht automatisch außer Kraft. Wo generell auf förmlicheres Auftreten geachtet wird, muss an Spieltagen der Fan-Schal draußen bleiben.
Wer seine Unterstützung durch Tragen eines Trikots zeigen möchte, kann aber vielleicht im Gespräch mit der Chefin oder dem Chef Lockerungen erreichen. Keinen Verhandlungsspielraum gibt es, wo Sicherheitsvorschriften gegen Fan-Utensilien sprechen, zum Beispiel Mannschaftsschals beim Bedienen bestimmter Maschinen.
Und auch wenn die Spiele schon um 15 und 18 Uhr beginnen: Ohne Einverständnis vom Chef ist Fußballschauen während der Arbeit nicht erlaubt.
Wer auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor in Berlin feiern möchte, muss dort durch die Sicherheitskontrollen. Alkohol, Glasflaschen, Feuerwerk, Rucksäcke und Koffer sind dort verboten. Taschen dürfen nicht größer als ein A4-Blatt sein, Getränkebehälter nicht mehr als einen halben Liter fassen. Dann kommt man durch die Eingangskontrollen. Menschen unter 14 Jahren brauchen eine volljährige Begleitperson.
Es dürfen nur jene Flaggen mitgebracht werden, deren Länder auch am Turnier teilnehmen. Israelische oder palästinensische Fahnen sind demnach verboten. Das gilt ebenfalls in der Fanzone vor dem Reichstag.
Während der EM darf es in Deutschland abends lauter werden. Das hat die Bundesregierung im März beschlossen. "Die Durchführung der öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien kann nunmehr auch bis in die Nachtstunden nach 22 Uhr rechtskonform ermöglicht werden", heißt es vom Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Die genauen Auflagen erteilen dann die Kommunen. In Berlin gilt: 15 Minuten vor und nach den Spielen soll Schluss mit der Liveübertragung sein, regelt die Berliner Public-Viewing-Verordnung (Download). Darin steht auch: "Die Benutzung von Fanfaren, Trommeln, Trillerpfeifen und ähnlichen lärmerzeugenden Musikinstrumenten und Geräten sowie von Pyrotechnik ist zu unterbinden." Auf dem heimischen Balkon und in der Wohnung gilt wie üblich die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr.
In den Berliner Bezirken könnte es derzeit zu Verwirrung kommen, was die Regeln angeht. Denn eine dreistellige Zahl an Gastronomen in Charlottenburg-Wilmersdorf habe schon Wochen vor der EM Anträge gestellt, um Public Viewings anzubieten, sagt Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) dem rbb. Der Bezirk erteilte Bescheide auf der Basis, dass um 22 Uhr die Nachtruhe gilt. Denn Anwohnende hätten in der Vergangenheit Gerichtentscheidungen erwirkt, die Lärm nach 22 Uhr untersagten. Erst zwei Tage vor der EM habe der Berliner Senat dann mit der Public-Viewing-Verordnung einen neuen Rechtsrahmen geschaffen. "Das hätte man alles vorher haben können, dann hätte man viele Konflikte lösen können", sagt Schruoffeneger. Nun gilt aber: Bis zum Abpfiff darf man beim Public Viewing Fußball schauen.
Hat der Schiedsrichter dann den möglicherweise erlösenden Abpfiff erteilt, steigen viele Fans gern ins Auto, um das eigene Team mit Hupkonzerten zu feiern.
Der ADAC dämpft die Laune etwas: Der Automobilclub verweist darauf, dass Autokorsos streng genommen nicht erlaubt sind. Denn in der Straßenverkehrsordnung heißt es: "Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn Andere dadurch belästigt werden." Dafür könne es sogar ein Bußgeld von 80 bis 100 Euro geben. Erfahrungsgemäße drücke die Polizei aber bei Sportgroßereignissen wie der EM ein Auge zu und toleriere Korsos und auch Hupkonzerte, so der ADAC.
"Wir werden konsequent einschreiten, wenn der Verkehr oder Fußgänger gefährdet werden oder andere gefährliche Situationen durch die Masse der Teilnehmer entstehen", sagte eine Berliner Polizeisprecherin auf rbb-Anfrage. Auch bei massiver Störung der Nachtruhe würden Polizeikräfte aktiv.
Der ADAC rät: Wer im Autokorso das Auto fährt, darf nicht alkoholisiert sein und muss jederzeit freie Sicht haben. An roten Ampeln muss gehalten werden und auch die Anschnallpflicht mit Sicherheitsgurt soll befolgt werden. In den Worten einer Berliner Polizeisprecherin: "Wenn man sich zu einer Jubelfeier zusammenfindet, gelten die gängigen Gesetze."
Wer mit Feuerwerk leuchtende Akzente für sein Team in Straße und Himmel setzen möchte, sollte sich das zweimal überlegen: Zum Einsatz von Bengalos und anderem Feuerwerk sagt die Polizei dem rbb: "Wenn wir klar sehen, wer Pyrotechnik abgebrannt hat, dann werden wir konsequent einschreiten."
Abseits von Silvester gibt es Feuerwerk nur mit Ausnahmegenehmigung. Was nicht der Kinderkategorie entspreche, sei verboten, so die Polizei. Ansonsten riskieren Fans in Berlin ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro, in Brandenburg bis zu 200 Euro. Dann muss man sich mit mit Wunderkerzen oder Knallerbsen begnügen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.06.2024, 19.30 Uhr
Beitrag von Julian von Bülow
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