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Mikrofeminismus-Influencerin
Sie weicht Männern auf dem Gehweg nicht aus, spricht von Handwerkerinnen und meint Handwerker dabei mit und sagt Männer-Fußball-EM. Eine Kabarettistin und Influencerin hat ein Video über Mikrofeminismus gemacht - und erntet dafür auch Hass.
Fee Brembeck hat ihr Handy auf einem Stativ vor sich aufgestellt. Die 30-Jährige schaut direkt in die Linse. Mit ihrem Finger drückt sie auf "Aufnahme starten" und spricht zu ihren Zuschauenden. "Vielleicht habt ihrs mitbekommen? Der neue Social-Media-Trend heißt Mikrofeminismus."
Brembeck wohnt in Berlin. Sie ist Autorin, Kabarettistin, Opernsängerin - und sie ist Influencerin. Auf Instagram hat sie sich den Namen "feeministin" gegeben. "Es geht um ganz mini-kleine feministische Aktionen, die im Alltag einfach Gender-Normen stören, zum Nachdenken bringen oder Machos so richtig ankotzen." Als sie das sagt, huscht über ihr Gesicht ein kleines Lächeln.
Auf den Mikrofeminismus ist Brembeck über Tiktok aufmerksam geworden. Ein Video der US-Amerikanerin Ashley Chaney, in dem sie über Mikrofeminismus spricht, ging viral - und landete irgendwann auch im Feed von Fee Brembeck aus Berlin.
Brembeck hat eine Rubrik auf Instagram, die "Eine Frau sieht Rosa" heißt. In den Videos dieser Rubrik spricht sie über feministische Themen, die sie beschäftigen. Sie entschließt sich Anfang Mai, eine Ausgabe über Mikrofeminismus zu produzieren. Dabei erzählt sie ihrer Gefolgschaft, wie sich ihr Mikrofeminismus im Alltag zeigt. Zum Beispiel sprachlich. "Oh, damit solltest du echt mal zur Ärztin gehen", sagt Brembeck zum Beispiel, wenn in ihrem Umfeld jemand gesundheitliche Probleme hat. Sie nutzt also, wenn sie verallgemeinernd über angesehene Berufe spricht, das generische Femininum - und meint damit männliche Personen, die diesen Beruf ausüben, mit, sagt sie.
Es sind diese kleinen Gesten und Aktionen, wie Brembecks Aussage, "zur Ärztin" zu gehen, die den Mikrofeminismus ausmachen. Auch Jana Schäfer beschäftigt sich damit. Sie ist Soziologin mit dem Schwerpunkt Genderforschung an der BTU in Cottbus. "Mikrofeminismus ist so eine Art Protest im Kleinen", erklärt sie. In einer Mail an eine Gruppe die Frau zuerst nennen, einem Mann auf dem Gehweg als Frau nicht automatisch ausweichen oder als Frau Männer deutlich darauf hinweisen, wenn sie einem im Gespräch ins Wort fallen. Das alles sei Mikrofeminismus, sagt Jana Schäfer.
Bei den Zuhörenden oder Anwesenden könnten diese kleinen Handlungen einen Perspektivwechsel auslösen, so die Genderforscherin Schäfer. Aber diese mikrofeministischen Aktionen würden auf mehr abzielen: "Frauen zeigen sich damit gegenseitig Anerkennung, wenn sie einander in der Teamsitzung zuhören, statt nur den Herren zuzuhören. Das kann bei der Sprechenden als auch bei der Zuhörenden Selbstbewusstsein aufbauen und stärken." Damit würde Mikrofeminismus zu mehr Solidarität innerhalb der Community führen, so Schäfer. Gerade diesen Aspekt findet Fee Brembeck besonders interessant. "Es sind Gesten der Freundlichkeit, die ausgleichen, dass wir immer noch ein sehr ungerechtes Geschlechtersystem haben", sagt sie.
Nette Gesten - So beschreibt auch die Genderforscherin Schäfer den Mikrofeminismus. "Für strukturelle Phänomene und für Gewaltphänomene reicht das leider nicht aus." Gegen Gewalt oder sexuelle Belästigung unternehme man mit Mikrofeminismus eher weniger, so die Soziologin.
Um die großen strukturellen Probleme, wie Unterschiede in Bezahlung, der Rollenverteilung in der Familie oder Gewalt gegen Frauen zu lösen, brauche es andere Ansätze. "Da muss man schon größere Kampagnen starten und mit Bildung und gesetzlichen Regeln arbeiten." Dennoch sei es eine gute Art und Weise, zum Umdenken anzuregen.
Der Hashtag #Mikrofeminismus begegnet einem auf Social Media immer wieder. Nicht zuletzt, weil Influencerinnen aus verschiedenen Ländern Videos darüber machen. Kein Wunder, sagt Jana Schäfer. "Dieser Trend ist ganz exemplarisch für diesen Alltagsfrust, den wir in der Gesellschaft haben. Er ist auch eine Suche nach Solidarität, weil man sich anders total ohnmächtig fühlen würde."
Trends auf Social Media gibt es viele. Immer wieder haben sie sogar gesellschaftliche oder politische Relevanz. Nach Einschätzung der Kommunikationswissenschaftlerin Ricarda Drüecke sind sie besonders niedrigschwellig. In einem Artikel, der auf der Website der Bundeszentrale für Politische Bildung [bpb.de] erschienen ist, schreibt sie, dass diese Proteste in digitalen Medien eine "schnelle und zugangsoffene Teilhabe ermöglichen" können.
Doch die meisten Trends verpuffen wieder sehr schnell zwischen den Koch- und Tanzvideos der Social-Plattformen. Dass Mikrofeminismus gerade trendet, findet Fee Brembeck dennoch gut. "Das bedeutet ja, dass das Thema gerade cool ist", sagt sie. Bei ihr habe der Trend etwas ausgelöst. Sie sei nochmal in sich gegangen und habe nachgedacht, was sie an mikrofeministischen Aktionen bereits tue und wo sie andere Menschen noch inspirieren könne.
Als Fee Brembeck ihr Video zum Mikrofeminismus fertig gedreht, geschnitten und bearbeitet hat, lädt sie es auf Instagram hoch. Die ersten Reaktionen sind positiv. "Dann kommt: 'Boah wie toll du das auf den Punkt gebracht hast' und die Leute teilen das und kommentieren nett", erinnert sich die 30-Jährige. Das sei für sie ein schöner Boost. Auf Tiktok war es anders. Dort seien direkt auch kritische und beleidigende Kommentare gekommen. Auch von Frauen, die das kindisch fänden.
Und dann erreichte ihr Video auch andere Bubbles im Internet. Zum Beispiel die der Gruppe von selbsternannten "Männerrechtlern". Die hätten sich von ihrem Video angegriffen gefühlt und ihre Community angestachelt, unter ihrem Video zu kommentieren. "Und dann habe ich auch Hassnachrichten bekommen", erinnert sich Brembeck zurück. Einer der "Männerrechtler" hätte anschließend ein Video über sie gemacht. "Die Kommentare unter dem Video sind so schrecklich und menschenverachtend, dass ich versucht habe, sie möglichst alle zu melden und anzuzeigen." Sie sei schockiert darüber, dass der Hass, auf ein Bestreben, das ja nur mehr Gerechtigkeit wolle, so groß sei.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.06.2024, 07:30 Uhr
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Beitrag von Yasser Speck
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