Der Dorfkonsum ist schon lange dicht, der Bäckerwagen kommt nur alle paar Tage, die nächste Tankstelle ist für Lebensmittel zu teuer. In Teschendorf gibt es jetzt eine Alternative: eine vollautomatisierte Kaufhalle mit regionalen Produkten, die rund um die Uhr geöffnet ist.
Das ganze Einkaufserlebnis im neuen digitalen Dorfkonsum in Teschendorf (Oberhavel) spielt sich ab in einem Raum mit Displays und Warenausgabe. Weiter hinein in "Emmas Kaufhalle" gehen die Kunden gar nicht.
Wie im Fastfood-Restaurant werden die Lebensmittel und Getränke am Display ausgesucht und bestellt. Bezahlt wird per EC-Karte. Für die Kunden unsichtbar werden hinter einer dicken Betonmauer die Waren eingesammelt. Personal ist normalerweise nicht vor Ort.
Jahrzehntelang wurden landwirtschaftliche Flächen aus DDR-Besitz an den Höchstbietenden verkauft. Kleinere Betriebe gingen oft leer aus. Neue Kriterien setzen auf Vielfalt und Regionalität, wie ein Beispiel aus dem Barnim zeigt.
Idee entstand sonntags am Familientisch
"Dieser Supermarkt arbeitet quasi mit einem Automatensystem", sagt Christian Lambeck, Gründer von "Emmas Kaufhalle", dem rbb. "Die Automaten arbeiten gleichzeitig den Einkauf auf ein Förderband und das bewegt den Einkauf nach vorne zu den Kunden", erklärt Lambeck die für die Einkaufenden verborgenen Apparate und ihre Arbeitsweise.
Rund 250.000 Euro hat er gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin in die vollautomatisierte Kaufhalle investiert, vor allem in die Technik: zehn in Reihe geschaltete Kühl-Automaten voller Lebensmittel – von Eis über Rote Beete bis Bier – sowie Förderbänder. Die Idee dazu entstand privat.
Vor 13 Jahren schloss an derselben Stelle der alte Dorfkonsum
"Wir haben als Familie zusammengesessen an einem Sonntag und wollten grillen, haben festgestellt: Der Kühlschrank ist leer. Wir müssen nochmal los", erinnert sich Susanne Scheuermann, Gründerin von "Emmas Kaufhalle". "Wir hatten nur die Alternative teure Tankstelle und dachten: Das muss doch irgendwie anders gehen in einer Region, wo sonntags keine Nahversorger offenhaben!"
Quelle: rbb
Nun steht der automatisierte Lebensmittelladen genau an der Stelle in Teschendorf, wo vor 13 Jahren der Dorfkonsum endgültig dicht machte. Vorerst können Kunden zwischen 650 Produkten wählen. Viele davon stammen von regionalen Erzeugern wie Christoph Lehmann, der in Bergsdorf Rinder hält und das eigene Fleisch, die eigenen Würste herstellt. Ab sofort beliefert auch er "Emmas Kaufhalle".
Christoph Lehmann, Geschäftsführer von Bergsdorfer Wiesenrind, sieht in dem rund um die Uhr offenen Markt eine Einkaufsmöglichkeit für "Kunden, die gar nicht die Möglichkeit haben, zu uns zu kommen, die weniger mobil sind oder durch ihren Job gar nicht zu den Öffnungszeiten zu uns gelangen können".
Fehlende Supermärkte, kein Dorfladen und der nächste große Ort ist weit entfernt. Wer im Nordwesten Brandenburgs auf dem Land lebt und schnell mal Brot oder Gemüse braucht, muss oft weite Wege zurücklegen. Helfen könnten Lieferdrohnen. Von Björn Haase-Wendt
Expansion in andere Orte Brandenburgs möglich
Der Dorfkonsum der neuen Generation ist in der Region einzigartig. Zur Eröffnung ist auch Andreas Bienek aus Teschendorf. Die neue Kaufhalle "ist eine echte Bereicherung, dass auch alte Leute mal was kaufen können. Das war schon lange nicht mehr gewesen", freut er sich. Vor der Technik habe er etwas Angst, sagt er auf Nachfrage, ob er damit klarkommt, werde sich zeigen.
Der Einkauf soll nicht teurer sein als im Supermarkt, versprechen die Initiatoren. Und wenn ihr Konzept in Teschendorf funktioniert, können sie sich vorstellen, mit ihrem digitalen Dorfkonsum auch in andere Orte Brandenburgs zu gehen.
Einkaufen 2.0 in anderen ostdeutschen Regionen
Auch andere Orte im ländlichen Raum experimentieren mit modernen Einkaufsmöglichkeiten und Supermarktmodellen. So hat etwa in Sachsen im Februar 2023 ein erster automatisierter Markt eröffnet, der sich im Unterschied zu dem in Oberhavel auch betreten lässt und zur Rewe-Gruppe gehört.
Im sächsischen Tante-Emma-Laden erfolgen Zutritt und Zahlung ausschließlich mit EC- oder Kreditkarte. An den Start ging der Mini-Markt mit 800 Produkten, wie der MDR berichtete. Vorbild für die kompakte Verkaufseinrichtung aus Containern in Sachsen waren wiederum Modelle in Bayern und im Ahrtal.
In Thüringen hatte das Erfurter Start Up "Emma's Tag & Nacht Markt GmbH" schon im Jahr 2020 seinen ersten 24-Stunden-Dorfladen eröffnet. Es folgten weitere digitale Selbstbedienungsläden mit Selbstscannkassen, einige davon wurden mit einem Förderprogramm des Landes bezuschusst. Anfang 2023 meldete die Firma jedoch Insolvenz an. Für manche Läden wurden einem Bericht des MDR zufolge nachfolgende Betreiber gefunden.
Mit Material von Michaela Grimm und Karsten Zummack