Anzeige einer Frau mit Behinderung
Eine Berlinerin zeigt einen Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung an. Doch die Ermittlungen werden eingestellt. Der Verdacht der Klägerin: Das passierte, weil sie eine Behinderung hat. Jetzt hat das Landesverfassungsgericht eine Entscheidung gefällt.
Nach mehreren gescheiterten gerichtlichen Versuchen hat eine Berlinerin am Landesverfassungsgericht Berlin durchgesetzt, dass gegen einen Verdächtigen an ihrer Arbeitsstelle wegen sexueller Belästigung ermittelt wird. Die Frau, Sonja M., hat eine Behinderung und arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen, der Verdächtige war dort ihr Vorgesetzter.
Das Gericht gab vor wenigen Tagen der Verfassungsbeschwerde der Frau statt (Beschluss vom 19. Juni 2024, VerfGH 80/22). Darüber hatte zuerst "Der Spiegel" berichtet. Der Vorgesetzte soll die damals 25-Jährige an ihrem Arbeitsplatz immer wieder belästigt haben. Zunächst hatte die Frau im Jahr 2020 Anzeige erstattet und ausgesagt, dass sie von ihrem Vorgesetzten belästigt wurde.
Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen den Beschuldigten aber ein, und begründete das damit, dass Sonja M. wegen einer "kognitiven Beeinträchtigung" nicht fähig sei, eine Aussage zu machen. Gegen diese Entscheidung wehrte sich die Klägerin dann vor Gericht. "Mein Chef hat mich immer wieder angefasst und geküsst, obwohl ich gesagt habe, dass ich das nicht will. Das war schrecklich und mir geht es immer noch manchmal schlecht deshalb“, sagte Sonja M. nach Angaben des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Allerdings wies dann auch das Kammergericht den Antrag von Sonja M. ab.
Der Verfassungsgerichtshof hob nun die Entscheidung des Kammergerichts Berlin wegen Verfassungsverstößen auf. Das Ergebnis dieses Richterspruchs ist nun, dass das Kammergericht neu entscheiden und prüfen muss, ob die Einstellung der Ermittlungen im Fall von Sonja M. rechtmäßig war.
In Reaktion auf das Urteil sagte die anwaltliche Vertretung von Sonja M., Ronska Grimm: "Aufgrund vermeidbarer Fehler hatte unsere Mandantin schlichtweg nicht die gleiche Chance, wie Menschen ohne Behinderungen, dass ihre Aussage auch zu einer Verurteilung führt." Die eingestellten Ermittlungen stellten eine strukturelle Diskriminierung gegen Frauen mit Behinderungen dar. Grimm kritisierte zudem "gravierende fachliche Mängel bei der aussagepsychologischen Begutachtung" von Sonja M..
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