Briesen (Oder-Spree)
Jedes Jahr verlieren bundesweit zehntausende Rehkitze bei Wiesen- und Feldarbeiten ihr Leben. Statt zu fliehen, bleiben die Jungtiere bei Gefahr einfach liegen. Mit moderner Technik suchen Freiwillige deshalb die Flächen ab.
Meist noch etwas wacklig auf den Beinen werden Rehkitze von ihren Müttern häufig in dichten Wiesen und auf Ackerflächen abgelegt. Zeitgleich beginnt jetzt auch das Mähen auf eben jenen Flächen. Das kann für die Jungtiere Lebensgefahr bedeuten. Deswegen hat die Jägerschaft in Briesen bei Fürstenwalde (Oder-Spree) ein Rehkitz-Rettungsprojekt ins Leben gerufen. In diesen Tagen sind die Waidmänner und -frauen dafür im Einsatz.
So auch am frühen Dienstagmorgen. Es ist noch dunkel, als gegen 4 Uhr die ehrenamtlichen Helfer um Jäger Björn Seeger zusammenkommen. Am Rand einer Wiese steht der 50-Jährige und beobachtet auf einem Bildschirm die Bilder, die von einer Drohne kommen. Dank Wärmebildkamera sind die Tiere gut zu sehen, erklärt Seeger, als er eine Ricke und ihr Kitz entdeckt.
Drei der insgesamt fünf Rehkitzretter machen sich auf den Weg. Im hohen Gras sind die Jungtiere gut versteckt. Die Anweisung, wo genau es hingeht, kommt per Funk. "Die Ricke ist schon geflüchtet", gibt Seeger an die Suchenden weiter. "Ihr lauft jetzt genau darauf zu. Der mit dem Kescher und dem Funkgerät geht vorneweg. Leicht rechts. Stopp!" Nach wenigen Minuten entdecken die Helfer tatsächlich das erste von zwei Rehkitzen auf dieser Wiese. "Wir haben es", funkt einer der Helfer zurück.
Während Björn Seeger per Drohne die Fläche weiter absucht, packt Katja Westakowsky das Kitz vorsichtig in eine Kiste. Diese ist mit frisch gemähtem Gras ausgelegt. Das ist wichtig, erklärt die Jägerin aus Berkenbrück: "In diesem Gras lagen die Kitze vorher und sie dürfen keinerlei menschlichen Geruch an sich haben, weil die Ricke sie sonst nicht wieder als ihre Kitze anerkennt." Die Kiste samt Kitz wird am Rand der Wiese abgestellt. Gerade noch rechtzeitig. Denn der Bauer ist mit seinem Mähwerk bereits unterwegs. Nach der Mahd werden die Tiere dann wieder zurück auf die Wiese gesetzt, erklärt Jäger Mike-Xaver Liehr. "Die Ricke ruft sie dann mit einem Laut oder auch die Kitze rufen. Mutter und Kind finden sich dann wieder."
Auf diese Weise konnten laut Seeger in den letzten Wochen dutzende Rehkitze gerettet werden. Das ehrenamtliche Rehkitzrettungsprojekt gibt es seit gut einem Jahr. Aktuell bekommt er, wie er sagt, beinah täglich Informationen von Bauern aus dem gesamten Oder-Spree-Kreis, die ihre Wiesen und Felder mähen wollen.
Insgesamt konnten am Dienstag auf der Ackerfläche sechs Rehkitze gerettet werden, fasst der Einsatzleiter den Morgen zusammen.
Noch bis Mitte Juni sind die ehrenamtlichen Rehkitzretter in den frühen Morgenstunden im Einsatz. Denn laut deutscher Wildtierstiftung werden bundesweit Jahr für Jahr bis zu 100.000 Rehkitze durch die Mahd auf Wiesen und Ackerflächen getötet.
Sendung: Antenne Brandenburg, 04.06.2024, 14:10 Uhr
Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch
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