Neue Unfallstatistik
Die Zahl der Todesopfer und Verletzten bei E-Scooter-Unfällen ist 2023 deutschlandweit gestiegen – in Berlin wurden allerdings weniger Unfälle registriert. Vor allem junge Menschen sind beteiligt, oft ist Alkohol mit im Spiel.
Unfälle mit E-Scootern spielen bundesweit eine weiter wachsende Rolle im Verkehr. Das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamts zu Unfällen mit E-Scootern für das Jahr 2023. Demnach registrierte die Polizei deutschlandweit im vergangenen Jahr 9.425 E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden – 14,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor (8.260). 22 Menschen kamen bei Unfällen mit E-Scootern ums Leben – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.
In Berlin sank die Zahl der Unfälle mit Personenschäden im Vergleich zum letzten Jahr hingegen von 768 auf 677. In Brandenburg stieg die Zahl von 104 auf 148, wie das Statistische Bundesamt auf rbb-Anfrage mitteilte.
Deutschlandweit wurden die Unfälle mit Personenschäden demnach zu zwei Dritteln (66,3 Prozent) von den Fahrer:innen selbst verursacht. 41,6 Prozent der verunglückten Fahrer:innen waren der Statistik zufolge jünger als 25 Jahre, 80,4 Prozent jünger als 45 Jahre. Die meisten Unfälle (rund 60 Prozent) wurden in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohner:innen registriert.
Die Statistik enthält auch Angaben zu den Unfallursachen. In den häufigsten Fällen (19,4 Prozent) gab die Polizei die falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege als Unfallursache an. Die Fahrer:innen müssen, so weit vorhanden, Fahrradwege oder Schutzstreifen nutzen. Ansonsten sollen sie auf Fahrbahnen oder Seitenstreifen ausweichen, das Fahren auf Gehwegen ist verboten.
Zweithäufigste Ursache ist der Polizei zufolge das Fahren unter Alkoholeinfluss mit 15,1 Prozent. Die Zahl ist höher als bei anderen Verkehrsmitteln. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum waren es bei Radfahrer:innen 8,1 Prozent und bei zulassungsfreifen Krafträdern wie Mofas, S-Pedelecs und Kleinkrafträdern 7,4 Prozent.
In der Statistik fehlt allerdings eine relevante Bezugsgröße – nämlich die Gesamtzahl der Fahrten mit E-Scootern. Auch enthält sie keine Informationen darüber, ob die Unfälle mit privaten Scootern oder solchen von Sharing-Anbietern verursacht wurden.
Wie eine Analyse des Gesamtverbandes der Versicherer aus dem Jahr 2023 zeigt, sind 75 Prozent der in Deutschland versicherten E-Scooter in Privatbesitz - 25 Prozent gehören zu den Flotten der Sharing-Anbieter. Die Analyse zeigt aber auch, dass Leih-Scooter für die Hälfte der Unfälle verantwortlich sind, obwohl sie nur ein Viertel der Gesamtzahl ausmachten.
Auch einige Sharing-Anbieter verweisen auf rbb-Anfrage auf die fehlende Bezugsgröße in der Statistik. "Da bei allen Sharing-Anbietern in den vergangenen Jahren Anstiege der Nutzungsraten im zweistelligen Prozentbereich verzeichnet wurden und mutmaßlich mehr private E-Scooter auf den Straßen sind, ist ein absoluter Anstieg bei den Unfallzahlen für die Modalität keine Überraschung", sagt Tim Schäfer vom Sharing-Anbieter Voi.
Schäfer verweist außerdem auf eine Studie des europäischen Sharing-Verbandes "Micro Mobility for Europe". Demzufolge ist die Zahl der Unfälle pro Millionen Fahrten 2023 im Vergleich zu 2022 um 44 Prozent gesunken – bei den Fällen von schweren Unfällen, die eine medizinische Behandlung nach sich zogen, sank die Zahl demnach um 19 Prozent.
"Trotzdem ist jeder Unfall einer zu viel", sagt Jenovan Krishnan, Unternehmenssprecher beim Sharing-Anbieter Bolt. Um die Sicherheit für die Fahrer:innen zu erhöhen, müsste vor allem die Infrastruktur in den Städten verbessert werden – etwa durch den Ausbau von Radwegen und mehr Stellflächen für geparkte Roller. Grundsätzlich seien die Fahrzeuge der Sharing-Anbieter aber sicherer, so der Sprecher. Sie würden häufiger gewartet, bekämen Reifenwechsel oder würden Sicherheitstests unterlaufen.
Ähnlich äußern sich auch weitere angefragte Sharing-Anbieter, wie etwa das Unternehmen Tier: "Grundsätzlich sehen wir E-Scooter als sicheres Verkehrsmittel an und fordern eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur zum Schutz der Nutzer:innen von Mikromobilität", teilt eine Sprecherin auf rbb-Anfrage mit. "Generell sind wir als Anbieter für den Mietvorgang und die Sicherheit der Fahrzeuge, nicht jedoch für das regelwidrige Fahr- und Parkverhalten einzelner Verkehrsteilnehmer:innen verantwortlich – diese gibt es bedauerlicherweise bei jedem Fahrzeugtyp, egal ob mit dem Auto, Fahrrad oder E-Scooter", heißt es weiter.
Wie viele andere Anbieter bietet der Anbieter Bolt einen Reaktionstest an, um etwa alkoholisierte Kund:innen vom Fahren abzuhalten. An bestimmten Tagen und zu bestimmten Uhrzeiten müssen die Nutzer vor dem Freischalten in einer vorgegebenen Zeit auf Aktivitäten auf dem Bildschirm reagieren. Die App misst dann die Reaktionszeit und soll so einen Hinweis über die Fahrtauglichkeit der Nutzer:innen geben – in der Regel ist eine Ausleihe jedoch auch möglich, wenn der Test nicht bestanden wird.
Anders war es während der Fußball-EM: In allen deutschen Städten war während der Zeit des Turniers ein Ausleihen von Bolt-Scootern nach negativem Reaktionstest nicht mehr möglich. In Frankfurt (Main) konnten laut Bolt so drei Prozent der Nutzer:innen an einer Fahrt gehindert werden. "Im Grunde ist der Test eine Barriere, der im besten Fall jemanden am betrunkenen Fahren hindert – am Ende liegt die Kontrolle aber bei der Polizei", so der Bolt-Sprecher.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.07.2024, 17:20 Uhr
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