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Video: rbb24 Abendschau | 10.07.2024 | Phil Beng | Quelle: dpa/Winfried Rothermel

Verbot von "Gehwegparken"

Muss Berlin jetzt umparken?

Einige Berliner Bezirke verbieten das bisher legale Parken auf den Gehwegen einzelner Straßen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zuvor Anwohnenden mit einem Urteil den Rücken gestärkt. Was bedeutet die Entwicklung für die Parksituation in der Hauptstadt?

Das Parken mit dem Auto auf dem Gehweg wird auf einigen Straßen in Berlin untersagt. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt auf eine Anfrage der Abgeordneten Antje Kapek (Grüne) hervor. Auf den betroffenen Straßen stehe durch die auf dem Gehweg abgestellten Fahrzeuge nicht mehr genug Platz für den Fußverkehr zur Verfügung, so die Begründung. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" berichtet.

Die Anfrage war eine Reaktion auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von Anfang Juni, dass die Rechte von Anwohnenden stärkt, die von illegalem Gehwegparken betroffen sind.

Welche Straßen sind aktuell betroffen?

Laut der Antwort der Senatsverwaltung wird zurzeit aufgrund einer zu schmalen Gehwegbreite die "Entfernung des Gehwegparkens angeordnet" - und zwar:
- im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf im Bereich der Schloßstraße
- im Bezirk Friedrichshain Kreuzberg in der Boxhagener Straße und der Lebuser Straße

Daneben prüfen zwei Bezirke derzeit, ob sie das Gehwegparken an bestimmten Stellen verbieten wollen:
- im Bezirk Steglitz-Zehlendorf im Gardeschützenweg zwischen Tietzenweg und Moltkestraße
- sowie in Neukölln auf der Silbersteinstraße.

Wann ist Gehwegparken erlaubt?

Grundsätzlich sind Gehwege zum Gehen da und ausschließlich für Fußgänger:innen bestimmt. Laut der Straßenverkehrsordnung ist das Parken auf ihnen generell verboten. Eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestbreite für den Gehweg gibt es in Deutschland nicht. Eine Empfehlung kommt von der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen – sie beträgt mindestens 2,50 Meter – das brauche es mindestens, damit zwei Fußgänger:innen sicher aneinander vorbeikommen können. Die Empfehlung ist jedoch nicht bindend.

Städte und Kommunen können das illegale Gehwegparken legalisieren, indem sie etwa das Verkehrszeichen 315 ("Parken auf Gehwegen") aufstellen und den Gehweg so teilweise zum Parkstreifen umwidmen. Das blaue Schild (mit Auto, großem "P" und Gehweg in weiß) gibt es in insgesamt 32 Varianten – es zeigt an, wie genau Autos auf dem Gehweg parken dürfen, ohne dass ein Bußgeld fällig wird. Wichtig ist, dass dabei noch genug restliche Gehwegbreite übrig bleibt.

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Urteil stärkt Anwohner:innen den Rücken

Ausgangspunkt für die Anfrage der Grünen-Abgeordneten ist ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Das Urteil wird in aller Vollständigkeit erst Mitte August einsehbar sein, wie das Gericht auf rbb-Anfrage mitteilte. In einer Pressemitteilung wurden aber bereits die Eckpunkte veröffentlicht. Darin heißt es: "Anwohner können bei einer erheblichen Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Gehwegbenutzung einen räumlich begrenzten Anspruch gegen die Straßenverkehrsbehörde auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einschreiten gegen das verbotswidrige Gehwegparken haben."

Hintergrund war ein Fall aus Bremen. Dort hatte die Stadt jahrelang das illegale Gehwegparken toleriert – das generelle Verbot des Gehwegparkens wurde daher nicht – etwa durch das Aufstellen von entsprechenden Verkehrszeichen – aufgehoben.

Was bedeutet das Urteil für die Parksituation in Berlin?

In der Antwort auf die Anfrage der Grünen-Abgeordneten macht die Senatsverwaltung deutlich, dass die nun ausgesprochenen Verbote in einzelnen Straßen bzw. deren Prüfung nicht mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zusammenhingen. "Aus den bisher veröffentlichen Passagen der Entscheidung ist der einstweilige Schluss zu ziehen, dass die tatsächlichen Auswirkungen im Land Berlin eher gering sein werden", heißt es im Antwortschreiben.

Das Argument: Im Bremer Fall war die Grundlage "ein seit Jahren durchgehend verbotswidriges Gehwegparken". In Berlin wiederum würde das verkehrswidrige Parken auf Gehwegen "nicht systematisch geduldet, insbesondere auch nicht in Bezug auf das Handeln der Straßenverkehrsbehörden." Das heißt: in Berlin ist das Gehwegparken laut Senatsverwaltung in aller Regel durch entsprechende Verkehrszeichen legalisiert. Das Urteil des Gerichts bezieht sich hingegen auf das illegale Gehwegparken.

Fußgänger-Verband froh über das Urteil

"Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein ganz großer Fortschritt, weil es den Städten klar macht, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: sie müssen sich an die Gesetze und Vorschriften halten", sagt Roland Stimpel, Sprecher des Fußgänger-Verbandes "Fuss e.V.". "Man hat das jahrzehntelang sehr lax gehandhabt, hat immer gesagt 'da ist doch Parkdruck und die Autos müssen doch irgendwo stehen.' Damit hat man das Auto über das Gesetz gestellt."

Stimpel hofft, dass die Bezirke nun noch einmal überprüfen, auf welchen Gehwegen genug Platz zum Gehen und Parken bleibt und an welchen Stellen die Erlaubnis zum Gehwegparken wieder zurückgenommen werden sollte. "Manche Menschen brauchen nun mal Platz – zum Beispiel, wenn man als Vater ein Kind an der Hand hat oder wenn man mit einem alten Menschen Arm in Arm geht", ergänzt Stimpel. "Dann kann man diesen Menschen nicht einfach loslassen."

Gehwegparken betrifft auch Radfahrer und Menschen mit Beeinträchtigung

Auch für Menschen, die etwa auf Gehhilfen angewiesen sind, stellt das Gehwegparken ein Problem dar. Teilweise stünden die Autos so weit auf dem Gehweg, dass ein Rollstuhlfahrer neben einem Kinderwagen nicht mehr durchpassen würde, teilt eine Sprecherin des Behindertenverbandes Berlins auf rbb-Anfrage mit. Gleichzeitig verweist sie auf ein weiteres – für viele Menschen noch viel relevanteres – Problem: Autos, die den Bürgersteig an seiner abgesenkten Stelle verparken. Diese sind für Menschen mit Gehhilfen oft die einzige Möglichkeit, eine Straße zu überqueren.

Auch die Vertretung der Radfahrer:innen sieht im Gehwegparken ein Problem: "Gehwegparken führt dazu, dass Radfahrende zwischen den fahrenden KFZ links und den parkenden KFZ rechts quasi eingequetscht werden", sagt Solveig Selzer vom ADFC Berlin. "Es erhöht auch die Gefahr von Dooring-Unfällen. Das sind häufig schwere Unfälle, bei denen Kfz-Fahrende ihre Tür abrupt öffnen, ohne zu schauen, ob gerade von hinten Radverkehr kommt. Der oder die Radfahrende prallt dann unvermittelt gegen die Autotür und kann in der Situation nichts mehr dagegen tun."

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Wie groß ist das Problem durch Gehwegparken in Berlin?

Die Anfrage der Grünen-Abgeordneten Kapek hatte auch zum Ziel, das Ausmaß der Beeinträchtigung des Gehwegparkens in Berlin abzubilden. Gefragt hatte sie etwa nach der Behinderung von Rettungsdiensten und Zufußgehenden durch Gehwegparker. Die Senatsverwaltung antwortete, dass die entsprechenden Daten seitens der Polizei und der Bezirke aufgrund fehlender gesonderter Statistiken "nicht recherchierbar" seien.

Einen Hinweis geben jedoch die Daten zu auf Gehwegen abgeschleppten Fahrzeugen. Diese zeigen: Die Berliner Ordnungsämter schleppten 2023 insgesamt 1.991 auf Bürgersteigen abgestellte Autos ab – das ist der höchste Wert der letzten vier Jahre. Besonders viele Autos wurden 2023 in den Bezirken Neukölln (606) und Mitte (451) abgeschleppt. In den Randbezirken Marzahn-Hellersdorf (16) und Lichtenberg (43) wurden die wenigsten Fahrzeuge abgeschleppt.

Parkdruck vs. Fußgängerfreiheit

Fraglich bleibt, welche Konsequenzen eine Überprüfung und ein eventuelles Verbot des bisher legalen Gehwegparkens in Berlin haben könnte. Gerade für Autofahrer:innen könnte das Parken in Berlin noch komplizierter werden. "Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden hat für uns oberste Priorität", sagt Claudia Löffler vom ADAC Berlin-Brandenburg. "Wir geben allerdings zu bedenken, dass eine Rücknahme des erlaubten Gehwegparkens mit dem Verlust von Parkplätzen einhergeht. Dies sollte daher nicht von heute auf morgen erfolgen, sondern in ein vorab erstelltes Parkraumkonzept als Teil eines gesamtstädtischen Verkehrsentwicklungsplanes integriert werden."

Für Roland Stimpel von "Fuss e.V." sollte dieses Problem nicht auf Kosten der Fußgänger gelöst werden: "Wir als Fußgänger wissen nicht, wie man dieses Problem lösen soll. Wir sind aber auch die letzten, die dafür verantwortlich sind", so Stimpel. "In Berlin wird mehr gegangen als Auto gefahren. Da wird also eine größere Gruppe von Verkehrsteilnehmern benachteiligt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.07.2024, 19:30 Uhr

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