rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: rbb24 Inforadio | 28.06.2024 | Moritz Hohmann | Quelle: dpa

Amtsposse in Berlin-Kreuzberg

Die chaotische Umbenennung eines Straßenabschnitts

Die Audre-Lorde-Straße gibt es offiziell seit September vergangenen Jahres. Doch so gut wie niemand wusste davon - nicht die Post oder Lieferdienste und auch nicht die Anwohner. Nun wurde sie eingeweiht. Doch die Verwirrung geht weiter. Von Andre Kartschall

Es ist ein wunderschöner Freitagnachmittag in Berlin-Kreuzberg und in einer abgesperrten Nebenstraße wird es gleich um die ganz großen Fragen von Politik und Gesellschaft gehen. Rund 200 Menschen sind gekommen, um die "Audre-Lorde-Straße" feierlich einzuweihen.

Die Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (B90/Grüne) betritt die Bühne und entschuldigt sich als erstes. Dafür, dass es "länger gedauert hat" mit der Straßenumbenennung eines ehemaligen Teils der Manteuffelstraße. Das Stück, das nun den Namen Audre-Lorde-Straße trägt, heißt offiziell bereits seit September 2023 so. Es hatte zunächst nur niemand mitbekommen. Doch dazu später mehr.

"Es ist so ziemlich alles schief gelaufen, was schief gehen kann", sagt Herrmann. Dann spricht sie darüber, dass die Straßennamen in Berlin "mehr Diversität" vertragen könnten, "weil das auch Machtverhältnisse ausmacht". Diese Idee stand auch am Anfang der Umbenennung.

Gastprofessorin der FU Berlin

Teil der Manteuffelstraße in Kreuzberg heißt ab Freitag Audre-Lorde-Straße

Afroamerikanische Feministin statt preußischer Royalist

Die Bezirksverordnetenversammlung des links-grün-geprägten Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich entschlossen, einen Teil der Manteuffelstraße nach einer Feministin - Audre Lorde - zu benennen. Otto Theodor Manteuffel, der Namensgeber der alten Straße, war im 19. Jahrhundert preußischer Ministerpräsident und galt als glühender Royalist.

Audre Lorde war eine afroamerikanische Feministin, die in den 1980er und 1990er Jahren an der FU Berlin lehrte. Sie selbst nannte sich "a black feminist lesbian woman" - "eine Schwarze feministische lesbische Frau".

Da der Bezirk bereits vor fast 20 Jahren beschlossen hatte, Straßen und Plätze möglichst nur noch nach Frauen zu benennen, passte die Idee also fast schon ideal zu Vorgaben und Zeitgeist. Im September wurde die Namensänderung vollzogen. Damit begannen die Probleme. Denn bis auf Liebhaber öffentlicher Bekanntmachungen fiel das niemandem auf.

Berlin-Kreuzberg

Bezirk benennt Teil einer Straße um - und kaum jemand merkt es

Ein Teil der Manteuffelstraße in Kreuzberg hat schon seit einem halben Jahr einen neuen Namen. Doch viele Bewohnerinnen und Bewohner erfahren erst jetzt davon. Von Yasser Speck

Unbekannte Adressen entstehen

Erst nach Monaten wurde einigen Bewohnern der Manteuffelstraße plötzlich klar, dass sie zu Bewohnern der Audre-Lorde-Straße geworden waren. Einige Krankenkassen hatten die Namensänderung offenbar intern schon in ihren Datensätzen nachvollzogen - was irgendwann auch einzelnen Versicherten auffiel. Die Geschichte von der unbemerkten Umbenennung machte schnell die Runde. Kurz darauf offenbarte sich das Chaos, das die Entscheidung ausgelöst hatte.

Zwar trug der betroffene Straßenabschnitt nun offiziell den neuen Namen - schließlich war die Änderung im Amtsblatt veröffentlicht worden. Doch überall prangten noch die alten Straßenschilder mit der Aufschrift "Manteuffelstraße". Die knapp 1.600 betroffenen Anwohner und Anwohnerinnen waren überrascht, die Presse wurde wach, das rbb-Fernsehen kam vorbei und sammelte Zitate verwunderter Bewohner: "Ich verstehe nicht, warum ...", "nicht mal unsere Hausverwaltung wusste, dass wir eine neue Adresse haben" und "ich find's nicht gut" hatten die Nachbarn zu berichten.

Zur Verwirrung trug auch bei, dass einzelne Postsendungen und Pakete bereits an die neuen Adressen versandt wurden - von denen die Adressaten aber gar nicht wussten, dass sie mittlerweile dort wohnten. Die Folge: Pakete stapelten sich bei örtlichen Annahmestellen und wurden nicht abgeholt. Der Bezirk riet Betroffenen, sich mit den Dienstleistungsunternehmen ins Benehmen zu setzen und die Probleme selbst zu klären.

Beschluss des Stadtparlaments

Straße "Zu den drei Mohren" in Potsdam wird umbenannt

Hausnummern müssen neu vergeben werden

Als Grund, warum über Monate keine neuen Straßenschilder montiert wurden, führte die Verwaltung an, dass der Vorgang der Umbenennung unvorhersehbare Probleme verursacht habe. Es handele sich in diesem Fall lediglich um eine Teilumbenennung, weil das südliche Ende der Manteuffelstraße ja den alten Namen behalte. Eine Komplettumbenennung wäre wohl einfacher gewesen.

So aber ergebe sich ein ganz spezielles Problem: die alten Hausnummern könnten so nicht bleiben. Im Grunde müssten beide Straßen nun neu durchnummeriert werden, denn eine Unterbrechung in der Ziffernfolge sehe die Rechtslage nicht vor.

Zudem habe es noch eine weitere Panne gegeben. Offenbar hatte niemand bedacht, dass kurz vor Wahlen Straßen nicht umbenannt werden sollen. Damit sollen Missverständnisse im Wählerverzeichnis vermieden werden. Die Wiederholungswahl für den Bundestag sowie die Europawahl am 9. Juni fanden nun aber mitten im Namenswirrwarr statt. Warum all das nicht absehbar gewesen sein soll, hat bislang niemand genau erklärt.

Profiteur vom Sklavenhandel gewidmet

Umbenennung des Nettelbeckplatzes in Wedding rückt näher

Der Nettelbeckplatz in Berlin-Wedding soll umbenannt werden. Sein Namensgeber war in den Sklavenhandel verwickelt. Mehr als 500 Vorschläge aus der Bevölkerung gingen dazu ein. Nun soll ein Gremium drei geeignete heraussieben. Von Oliver Noffke

Neue Hausnummern im August

Am Freitagnachmittag aber ist die Stimmung bei den Anwesenden prächtig. Es gibt Musik sowie Reden von Wegbegleiterinnen von Audre Lorde (1934-1992). Oft geht es um Selbstbestimmung und Emanzipation und wie schwierig es zu Lebzeiten Lordes war, lesbisch, Schwarz und feministische Aktivistin zu sein.

Bürgermeisterin Herrmann sagt, dass sie sich - na klar - sehr freue, dass sie die Straße nun endlich einweihen dürfe. Nur die Neunummerierung der nunmehr zwei Straßen - Manteuffel- und Audre-Lorde-Straße - steht noch aus.

Auf die Frage, wann das erledigt werde, antwortet sie mit "Richtung August". Genaueres könne das Bezirksamt sagen.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.06.2024, 10:10 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 02.07.2024 um 15:28 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Andre Kartschall

Artikel im mobilen Angebot lesen