Kein Strom, kein Wasser
Den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Hauses in der Fennstraße in Treptow-Köpenick ist am Dienstag der Strom abgestellt worden. Zuvor gab es schon kein Wasser mehr und im Winter keine Heizung. Nun müssen alle raus.
Im Innenhof des gelben Mietshauses in der Fennstraße 31 in Niederschöneweide stapeln sich die Mülltüten zu Bergen. Auf dem Boden liegen viele Plastikverpackungen herum. Das Treppenhaus sieht heruntergekommen aus und die Decke des Hausflurs schimmelt.
Dass das Haus so heruntergekommen und dreckig ist, liegt aber nicht nur an den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses: Seit Monaten wird der Müll nicht mehr abgeholt. Also stapelt er sich im Innenhof. Der Eigentümer, so wird im Haus vermutet, will die Bewohnerinnen und Bewohner rausekeln. Im Winter wurde ihnen die Heizung abgestellt und das Wasser abgedreht. Nun ist auch kein Strom mehr da - und alle sollen noch am Dienstag ihre Wohnungen verlassen.
In dem Mietshaus im Bezirk Treptow-Köpenick wohnen circa 60 bis 80 Menschen. Viele von ihnen sind Sinti und Roma. In der Fennstraße wohnen auch viele Kinder und Alte.
Von außen sieht das Haus noch gut in Schuss aus, im Innern jedoch ist es marode. Durch wiederholte Wasserschäden sei das Haus mittlerweile unbewohnbar geworden, heißt es von der Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Claudia Leistner (Grüne). "Die Menschen müssen ausziehen, weil wir mit einem unabhängigen Sachverständigen festgestellt haben, dass die Wasserschäden so massiv sind, dass das Wasser nicht wieder angestellt werden kann, bevor nicht grundlegende Sanierungsarbeiten durchgeführt werden", erklärt Leistner.
In dem Haus, so schreibt es die Baugenehmigung vor, dürfen Menschen nur vorübergehend wohnen, die Nutzung ist nur für gewerbliche Zwecke erlaubt. Dennoch leben dort Menschen - teilweise mit befristeten Mietverträgen und teilweise ohne. "Wir sind in Gesprächen mit dem Eigentümer, um darauf hinzuwirken, dass hier ein dauerhaftes Wohnen möglich wird", sagt Leistner. Das würde der Eigentümer aktuell aber ablehnen, so die Politikerin. An einer langfristigen Lösung sei er nicht interessiert.
Die Eigentümerin des Gebäudes ist die Firma IPG V GmbH. Das bestätigte Claudia Leistner rbb|24 bereits im März. Damals berichtete der rbb über die katastrophale Wohnsituation in der Fennstraße. rbb|24 konnte einsehen: Jene Firma steht auch im Mietvertrag eines Bewohners der Fennstraße, der dort seit etwa eineinhalb Jahren wohnt. Der Geschäftsführer der IPG V ist Matteo Colusso. Er ist der Kopf von mindestens 18 weiteren Immobilienfirmen.
Für Bewohnerinnen und Bewohner ist er jedoch nicht erreichbar. Genauso wie für den rbb: Im März erhielt rbb|24 keine Antwort auf eine Anfrage. Auch nun blieb es am anderen Ende still, per Telefon war niemand erreichbar und eine Mail mit Fragen blieben unbeantwortet. Warum der Eigentümer das Haus so hat verkommen lassen und wie es mit dem Gebäude nun weitergeht, bleibt daher offen.
Dem Eigentümer werfen nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses vor, sie rausekeln zu wollen. Auch Bezirksstadträtin Leistner spricht von "kalter Entmietung". Thomas Herr vom Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma Empowerment (BARE) hält das auch für wahrscheinlich. Er kümmert sich um die Menschen in der Fennstraße. "Unserer Meinung nach hat der Vermieter eine Strategie der kalten Entmietung gefahren. Plötzlich gab es kein Wasser mehr und die Heizung funktionierte plötzlich nicht mehr, und für die Müllabfuhr war auch nicht gesorgt." Dies könne kein Zufall sein, schätzt Thomas Herr die Lage ein.
"Es fehlen Eingriffsrechte, die bewirken, dass diese Willkürmaßnahmen und die Strategie der Verwahrlosung der Eigentümer Grenzen gesetzt werden", so Herr vom Bündnis BARE. Er vermutet, dass der Eigentümer mit seiner Strategie durchgekommen sei. Denn ab Dienstag müssen die Menschen das Haus verlassen - wohin genau, das wissen einige noch nicht.
Raus aus der Wohnung - bei einem Bewohner, der anonym bleiben möchte, sorgt das für Zukunftsängste. "Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll", sagte ein Bewohner zu rbb|24. Nach eigenen Angaben hat er zwei Kinder. In eine Heim-Unterkunft habe er aber nicht gewollt, sagt der Bewohner.
Den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses wurden keine neuen Wohnungen angeboten, allerdings können sie beispielweise in Obdachlosen-Einrichtungen unterkommen, aber auch in angemieteten Räumen wie Hotelzimmern oder Ferienwohnungen. Das Geld dafür komme aus öffentlichen Mitteln und zum Teil auch vom Eigentümer des Hauses, erklärt Bezirksstadträtin Claudia Leistner. "Wir erhalten jetzt Geld dafür, dass die Menschen nicht nur in Obdachlosen-Unterkünften untergebracht werden, sondern auch in Ferienwohnungen und Hotels."
Bewohnerin Dinka zeigt sich trotz der Unsicherheit froh, dass sie auszieht. "Es ist besser, dass wir alle von hier weggehen. Ich will eine Unterkunft alleine mit meinem Kind haben, die nicht so schmutzig ist wie hier", sagt sie.
In der nächsten Unterkunft wird es aller Voraussicht nach fließend Wasser geben - das kann auf der Haben-Seite verbucht werden. Auf der anderen Seite ist da aber auch ganz viel Unsicherheit bei den Bewohnerinnen und Bewohnern, wie es langfristig weitergeht.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.07.2024, 19:30 Uhr.
Beitrag von Yasser Speck
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