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Quelle: rbb/Michael Scheibe

Abrisspläne

Königs Wusterhausen stellt sich hinter "Riedels Gasthof"

Die Traditionsgaststätte “Riedels Gasthof” am Wasser soll abgerissen werden – für neue Wohnungen. Der Protest dagegen ist so groß, dass die Stadt nun zwei überraschende Angebote erhalten hat. Von Michaela Grimm

"Riedels Gasthof" in Neue Mühle in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) liegt idyllisch an der Dahme und ist ein geschichtsträchtiger Ort – vor allem für die Menschen aus der Gegend. Denn die Anlage mit Saal und Biergarten beherbergt seit Ewigkeiten ihre persönlichen Geschichten voller großer Abende und besonderer Feste. Lebensabschnitte.

"Hier hängen viele Erinnerungen dran. Ich habe hier meinen ersten Kuss bekommen, wie viele andere auch", sagt Ute Thiecke. "Es ist mein ganzes Leben. Wir haben hier wunderbare Zeiten und Feiern verbracht", sagt Barbara Körner ergriffen. Beide sind zum Gasthaus gekommen, um ihre Solidarität zu bekunden. Denn der neue Eigentümer plant den Abriss.

Die PSD-Bank Berlin-Brandenburg hat das Grundstück vor zwei Jahren gekauft. Von den Abrissplänen und vor allem davon, dass den derzeitigen Betreibern zum Jahresende gekündigt worden ist, erfahren die meisten Menschen in Königs Wusterhausen Mitte Juli. Es formiert sich Protest, der darin gipfelt, dass kurz darauf zu einem Dreh für rbb24 Brandenburg aktuell um die 1.000 Menschen zu "Riedels Gasthof" kommen, um für den Erhalt zu demonstrieren.

Ute Thiecke und Barbara Körner sind auch darunter. Es ist ein Ort in ihrer Mitte, den sich die Menschen in und um Königs Wusterhausen nicht wegnehmen und überformen lassen wollen. Eine Woche später ist "Riedels Gasthof" ein Politikum. Wie kam es dazu?

Skepsis gegenüber Investoren und bezahlbarem Wohnraum

"Ich finde es eine Unverschämtheit, wie Investoren von auswärts kommen, sich die Taschen vollmachen und einen Fleck zurücklassen, der weniger Lebensqualität hat wie vorher", fasst Jürgen Serba zusammen, was viele Anwohnende wütend macht. Sie glauben nicht an die Versprechungen der Investoren, auf dem mehr als 10.000 Quadratmeter großen, exklusiven Wassergrundstück "bezahlbaren Wohnraum für eine breite Masse der Bevölkerung" bauen zu wollen, wie es Daniel Mohaupt, Vorstand der PSD Bank Berlin-Brandenburg, inmitten all der Anwesenden ins rbb-Mikrofon sagt.

"Schickimicki" nennen Königswusterhausener die geplanten Mehrfamilienhäuser, die zu großen Teilen aus Holz bestehen und Tiefgaragen haben sollen. "Für normale Rentner, wie wir es sind, ist da überhaupt kein Platz", sagt beispielsweise Doris Hennig.

Quelle: rbb

Angedacht ist auch ein Restaurant auf dem Areal, das öffentlich zugänglich bleiben soll. Ein kleiner Teil der alten Gebäude – das historische Feldsteinhaus – soll dafür sogar stehen bleiben. Wegen vieler Umbauten steht der Gasthof aber nicht unter Denkmalschutz. Für den Abriss braucht der Eigentümer nicht einmal eine Genehmigung, er muss ihn lediglich anzeigen, wie Heike Zettwitz, Baudezernentin des Landkreises Dahme-Spreewald, klarstellt.

Das hat die Vorbesitzerin schon im Jahr 2021 getan, wie Unterlagen zeigen, die die Bank wenige Tage nach der großen Protestkundgebung auf ihrer Homepage veröffentlicht hat. Sie geht in die Offensive. Und kann sich als letzte Option sogar den Verkauf an die Stadt vorstellen.

Eine ganze Seite hat die PSD-Bank online eingerichtet mit Dutzenden Dokumenten zur "Projektentwicklung ,Wohnquartier Neue Mühle'", inklusive einer Chronologie des Ankaufs, einer Liste der bisher geführten Gespräche mit der Stadt Königs Wusterhausen und ausführlichen Argumenten, warum die Bauten "energetisch fernab aktueller Vorschriften sowie hochgradig ineffizient und damit unwirtschaftlich" sind sowie "erhebliche Mängel in Sachen Brandschutz" aufwiesen.

Sogar die Nebenkosten werden da beziffert: mit bis zu 12.000 Euro pro Monat. Und die mit den Pächtern "vereinbarte Kaltmiete mit eher symbolischem als wirtschaftlichem Charakter" in Höhe von knapp einem Euro pro Quadratmeter auf nur einen Teil der Innenflächen.

Grundstücksstreit

Drohender Zwangsabriss von Haus in Rangsdorf kommt vor Bundesgerichtshof

Eigentlich stand schon fest, dass eine Familie in Rangsdorf ihr Wohnhaus abreißen muss. So hat es das Oberlandesgericht entschieden und keine Revision zugelassen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hat der Fall aber eine grundsätzliche Bedeutung.

Bebauungsplan noch nicht erstellt

Doch für all die Ideen des Investors gibt es noch gar keinen Bebauungsplan. Den zu erstellen, ist ein langwieriger, mehrstufiger Prozess, in dem "die Bürger und Träger öffentlicher Belange mindestens zweimal beteiligt werden", wie die Stadt auf Anfrage mitteilt. Außerdem würden die Königs Wusterhausener Stadtverordneten noch vor einem Bebauungsplan mit einer sogenannte Folgekostenrichtlinie verbindliche Regeln beschließen, "an welchen Kosten für die Infrastruktur Investoren beteiligt werden, die durch das vom Investor geplante Wohngebiet entstehen".

Es müssten auch noch betroffene Behörden und Nachbargemeinden Stellungnahmen abgeben, die wiederum geprüft und bewertet werden müssen. Alles in allem kann es also noch mehrere Jahre dauern, bis überhaupt gebaut werden kann.

Warum soll dann also jetzt schon die Bewirtung enden und die Gastwirtschaft verschwinden? Das fragt sich Uwe Kretschmar, der sich in Königs Wusterhausen sehr engagiert und einmischt, auch online. Er betreibt eine Facebook-Gruppe mit inzwischen 9.100 Mitgliedern für Themen aus der Stadt, die vor Ort kurz KW heißt und knapp 40.000 Einwohnende zählt.

Dass sich so viele Menschen in der Region für den Erhalt des Gasthofs mobilisieren lassen, eine Onlinepetition unterschreiben und mit Plakaten protestieren, hat ihn und viele andere vor Ort überrascht und erstaunt.

Bewirtschaftung in Neue Mühle seit dem 18. Jahrhundert

Denn vom historischen Ensemble aus den goldenen Zeiten an der Tiergartenstraße 2 im Ortsteil Neue Mühle ist vieles nicht erhalten worden. Zwar reichen die Ursprünge laut der Website von "Riedels Gasthof" bis ins Jahr 1720 zum Bauern-Lokal "Krug" zurück. Doch in ihrer heutigen Form hat die Wirtschaft erst seit dem 1. Februar 2023 wieder geöffnet.

Zum erfolgreichen Ausflugslokal – vor allem für Berliner – wird das "Riedels" unter dem gleichnamigen Pächter ab dem Jahr 1901. In der Folge entstehen ein Musikpavillon, eine Glasveranda, ein Bootshaus, Uferanlagen für Schiffsanleger und Platz für mehrere Tausend Gäste in den Räumen und im Biergarten. Die kommen auch. Es wird ausgebaut und modernisiert. Zu Ostzeiten übernimmt die staatliche Handelsorganisation (HO).

Quelle: rbb

Nach der Wende stecken verschiedene Leute Geld in das Anwesen. "Viele haben sich versucht und es nicht geschafft, aber jetzt hat es eine Betreiberin geschafft und 'Riedels' wieder zu dem gemacht, was es mal war - und nun soll abgerissen werden", beklagt Uwe Kretschmar aus der Nachbarschaft.

Was ihn und andere im Ort besonders stutzig macht: Hätten die neuen Betreiber und Pächter von Anfang an gewusst, dass sie insgesamt nur höchsten knapp zwei Jahre lang hier Gäste bewirten können, hätten sie dann all die Arbeit und auch Geld in das Objekt gesteckt? Unplausibel nennt Kretschmar das.

Die PSD-Bank zeigt sich optimistisch, was einen schnellen Baubeginn betrifft, und sagt, sie habe mit offenen Karten gespielt. "Der mit den Pächtern vereinbarte Vertrag ist eindeutig gewesen: Im Gegenzug zur symbolischen Miete nimmt der Pächter eine dreimonatige Kündigungsfrist unter dem eindeutigen Hinweis in Kauf, dass es sich um ein Entwicklungsgrundstück handelt", teilt die Bank auf Nachfrage mit.

Von den ersten Gesprächen an habe sie "die mögliche Nutzungsdauer abseits der Kündigungsfrist auf etwa 1,5 bis 3 Jahren geschätzt". Die Kündigung zum 31.12.2024 mit der aktuellen Pächterin sei einvernehmlich. Das Betreiberpaar möchte sich im Moment nicht öffentlich zu dem Fall äußern.

Parteiübergreifende Unterstützung für den Gasthof

Anders die Parteien in der Stadt. In der Woche nach dem großen Protest reichen mehrere Fraktionen Anträge und Beschlussvorlagen zum Erhalt von "Riedels Gasthof" für eine Sondersitzung der Stadtverordneten am 5. August ein, die eigentlich zu einem anderen Thema stattfinden sollte. So fordern etwa AfD und FWKW in einer gemeinsamen Beschlussvorlage, erneut den Denkmalschutz zu prüfen, eine Vorlage der CDU-Fraktion nennt darüber hinaus weitere Maßnahmen, die den Weiterbetrieb über das Jahresende hinweg ermöglichen sollen.

Teltow-Fläming

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Birgit Uhlworm von der Fraktion UFL/BVB/Freie Wähler sagt im Gespräch, dass die Investorenpläne zunächst einmal in den Fachausschüssen erörtert und bewertet werden müssten. Der Vorsitzende der SPD/FDP-Fraktion, Tobias Schröter, spricht sich auf Nachfrage von rbb24 ausdrücklich für den Erhalt aus – aber nicht "zulasten von Grundstücken und Investitionen für künftige Schulen, Kitas und Sportanlagen".

Grundstückswert im Millionenbereich

Denn plötzlich hat die Bank ihr Angebot an die Stadt, die Fläche zu kaufen, konkretisiert: Königs Wusterhausen könnte nach rbb-Informationen das Gasthof-Areal haben, aber nur im Tausch gegen ein gleichwertiges Grundstück für die weiterhin geplante Wohnbebauung. Bedenkzeit bleibe bis Oktober. Sie bitte um Verständnis, teilt die PSD-Bank dazu mit, dass sie "der politischen Meinungsbildung nicht vorgreifen möchten und von uns aus keine Details hierzu vor der Versammlung am 5. August veröffentlichen".

Den heutigen Wert des gesamten Anwesens aber nennt sie auf Nachfrage: Er liegt der Bank zufolge bei rund 7,3 Millionen Euro.

Am Freitagnachmittag wird bekannt, dass die für den 5. August angesetzte Sondersitzung der Stadtverordneten abgesagt wurde, weil zunächst deren konstituierende Sitzung vom 8. Juli 2024 wegen eines Formfehlers nachgeholt werden muss, wie Pressesprecherin Katrin Kunipatz mitteilt. Sie hoffe auf einen Nachholtermin im September, sagt sie auf Nachfrage.

Die Vorschläge der Fraktionen, so die Sprecherin, seien der Verwaltung bekannt und würden in den weiteren Beratungen aufgenommen, die weiteren "Gespräche mit den Beteiligten im Sinne der Stadt" geführt.

Mit Material von Michael Scheibe

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.07.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Michaela Grimm

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