Weniger Geburten, mehr Angebote
Vor Jahren noch undenkbar, heute real: Kindertagesstätten und Kinderläden in Berlin und Brandenburg verzeichnen Tausende freie Plätze. Eltern haben damit theoretisch mehr Wahlmöglichkeiten. Praktisch bleibt die Situation angespannt. Von Marcus Latton
Weniger Kinder werden geboren und der breite Ausbau von Betreuungsinfrastruktur der letzten Jahre zeigt Wirkung: Nach Angaben mehrerer vom rbb angefragter Kommunen und Bezirke in Berlin und Brandenburg sowie von Kita-Trägern und -Verbänden sind das die Gründe für das Überangebot an Kita-Plätzen in beiden Bundesländern.
In Berlin gab es laut Bildungsverwaltung 1.565 freie Plätzen bei den Eigenbetrieben und 7.215 Plätze bei Kitas in freier Trägerschaft (Stichtag 20. Juni). In Brandenburg verfügen weder die Landkreise noch das Landesministerium für Bildung, Jugend und Sport über eine zentrale Übersicht über die Verfügbarkeit von Kita-Plätzen. Hinweise geben aber einzelne Kommunen, die von rbb-Redaktionen angefragt wurden.
So waren in Potsdam zum Stichtag 1. Juni etwa 1.900 Plätze nicht belegt. In Schwedt (Landkreis Uckermark) waren es knapp 300. Die Pressestelle der Stadt präzisiert dazu allerdings: "Die freien Plätze sagen nichts darüber aus, in welchen Altersgruppen etwas frei ist. Die Betriebserlaubnisse werden allgemein für Kinder von 0-12 Jahren erteilt. Gerade im Krippenbereich und im Hortbereich besteht eine hohe Auslastung und es kann zu Wartezeiten kommen oder eben nicht die Wunscheinrichtung werden."
Die kreisfreie Stadt Brandenburg (Havel) spricht für August 2024 von 553 freien Plätzen in den Bereichen Kinderkrippe und Kindergarten. Das sind knapp 130 freie Plätze mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betreibt mit seinem Kreisverband neun Kitas in der Stadt. Der Vorsitzende Andreas Griebel sagt, die Auslastung liege bei circa 87 Prozent in allen Einrichtungen. Vor einigen Jahren baute Brandenburg (Havel) wie auch andere Städte neue Einrichtungen und schuf neue Kapazitäten. "Zu dem Zeitpunkt war das wichtig. Jetzt gehen die Kinderzahlen wieder zurück. Eine Warteliste von 30 bis 40 Kindern, wie wir sie früher hatten - die gibt es heute nicht mehr."
Mit anderen Worten: In Brandenburg ist es leichter geworden, einen Kita-Platz für sein Kind zu bekommen - auch wenn die Situation sich von Kommune zu Kommune unterscheidet und es in einzelnen Orten zu Engpässen kommen kann.
Das sieht Babette Sperle auch für Berlin so: Die Sprecherin vom Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (Daks), der mehr als 1.000 Kinder- und Schülerläden, Horte und Kitas repräsentiert, schätzt die Situation entspannter ein als noch vor einigen Jahren. "Recht gut" sei diese laut Sperle. "Aber die Zahlen sind das eine, die Wirklichkeit das andere."
So gibt es immer wieder einzelne Berliner Bezirke und Kieze, die nicht so gut mit Kitas versorgt seien wie andere. Exemplarisch nennt sie hier Neukölln, wo schon seit vielen Jahren weniger Kinder eine Kita besuchen als in anderen Teilen der Stadt. Andererseits gebe es geburtenstarke Gegenden wie das südliche Pankow: Dort gebe es mehr Kita-Plätze als man rechnerisch benötige.
Für Eltern kann das ein Vorteil sein. Sie können sich die Kita aussuchen, die am besten zu ihrem Kind und ihrer Lebenssituation passt. Dennoch: Die Lage, so Sperle, sei differenziert. Dass bestimmte Bezirke besser abschneiden als andere oder dass sich ein ausgeprägter Ost-West-Unterschied zeige, könne man nicht pauschal sagen.
Als Hauptgründe für die vielen freien Kita-Plätze nennen Bezirke wie Pankow und Träger wie das DRK die gesunkenen Geburtenzahlen: In Berlin wurden im vergangenen Jahr 34.000 Kinder geboren (2018: ca. 40.000), in Brandenburg 15.885 (2018: 19.881).
Zudem seien laut Daks-Sprecherin Sperle in den vergangenen Jahren systematisch mehr Kita-Plätze geschaffen worden, um die Wahlmöglichkeiten der Eltern zu vergrößern. Dadurch gebe es mehr Kita-Plätze als Kinder und das sei auch so gewollt.
Sorgen bereite ihr und dem Brandenburger DRK-Chef Griebel allerdings die Personallage: Erzieherinnen und Erzieher wollen zunehmend flexiblere und reduzierte Arbeitszeiten. Zudem sei der Krankenstand in der Branche vergleichsweise hoch. Ob sich in Zukunft eine Fünf-Tage-Betreuung noch flächendeckend anbietend lässt, sei fraglich, so Sperle.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 30.08.2024, 19:15 Uhr
Beitrag von Marcus Latton
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