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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 14.08.2024 | Aspasia Opitz | Quelle: rbb

Grießen und Taubendorf

Der erste Sommer ohne Kohlebagger

Ein Leben an der Tagebaukante war für die Einwohner von Grießen und Taubendorf jahrzehntelang Realität, inklusive quietschenden Kohlebaggern und Dreck. Seit diesem Jahr ist die Kohleförderung vorbei - besteht nun ländliche Idylle? Von Aspasia Opitz

"Sand überall, Dreck ohne Ende". Manche Einwohner des 100-Seelen-Dorfes Taubendorf im Spree-Neiße-Kreis sind, gelinde gesagt, sauer. So auch Erika Kronke. Der Tagebau Jänschwalde ist seit über einem halben Jahr Geschichte - doch die sandige Beeinträchtigung ist geblieben. Wenn der Wind aus südwestlicher Richtung weht, fliegt einiges aus der ehemaligen Tagebaugrube heraus.

Zusammen mit ihrer Schwester Helga Richter steht sie am Gartenzaun. "Du hast die Dachrinne machen lassen, nicht?" Sechs Eimer Sand habe sie aus der Dachrinne rausgeholt, berichtet Richter. Und wenn sie das Küchenfenster über Nacht geöffnet habe, sei am nächsten Morgen Sand auf dem Tisch. "Man muss es ja so hinnehmen", sagt Kronke. Was soll man machen?"

Nichts mehr zu tun: Ein Schaufelradbagger im Tagebau Jänschwalde | Quelle: rbb

Fast 50 Jahre Tagebau

Taubendorf liegt direkt am Rand des ehemaligen Tagebaus Jänschwalde. Jahrzehntelang lebten die Menschen in direkter Nachbarschaft zur Grube, Baggerquietschen und Dreck inklusive. Nach knapp 50 Jahren Kohleförderung war im Dezember 2023 endgültig Schluss mit dem Tagebau. Doch Dreck und Staub sind den Menschen geblieben, berichten sie.

"Das ist alles Sand hier oben, der durch die Luft weht, total braun alles", zeigt Werner Rogosky auf einem Handyfoto. Die Anwohner sprechen von Sandstürmen wie in der Sahara. "Man merkt es in den Augen, das fängt an zu reiben", berichtet Manfred Quaal. Außerdem knirsche der Sand an den Zähnen.

Foto von Werner Rogosky aus Taubendorf | Quelle: privat

Das wird voraussichtlich auch noch eine ganze Weile so bleiben. Die Kippenflächen und Randbereiche müssen erst umfangreich rekultiviert und gesichert werden. Das dauert laut Tagebaubetreiber Leag einige Jahre. "Unter Nutzung der Tagebaugroßgeräte werden diese Erdbau-Arbeiten bis zum Anfang der 2030er Jahre andauern", heißt es in einer Antwort an den rbb.

Kein Gießwasser-Zuschuss mehr

Den Anwohnern stößt aber nicht nur der Dreck auf. Jahrelang hat die Leag den Gemeinden einen Zuschuss zum Gießwasser gezahlt, weil für den Tagebaubetrieb das Grundwasser abgepumpt wurde. Zum Bewässern der Gärten muss Leitungswasser genommen werden. Doch mit dem Ende des Tagebaus endete auch der Gießwasserzuschuss. "Sie bezahlen nichts mehr, aber pumpen noch ab", kritisiert Marion Bulda aus dem Taubendorfer Nachbarort Grießen.

Grund dafür ist, dass auch für die Rekultivierung das Grundwasser weiter abgesenkt bleiben muss, laut Leag bis in die 2040er Jahre. Das Bergbauunternehmen sieht das sogenannte "Wassergeld" jedoch als freiwillige Leistung. "Im Zuge des beschlossenen Kohleausstiegs durch die Bundesregierung hat die Leag ihre Planungen in allen Bereichen entsprechend angepasst. Dazu zählt unter anderem auch die Entscheidung zur Beendigung der Gießwasserbegünstigung."

"Schichtwechsel"-Veranstaltung

Tagebau Jänschwalde mit offiziellem Akt geschlossen

Fast 50 Jahre lang wurde im Tagebau Jänschwalde Kohle abgebaut. Nun soll der Tagebau saniert werden - ein Teil der Beschäftigten wird also weiter dort arbeiten. Deshalb wurde am Freitag in Jäschwalde ein "Schichtwechsel" gefeiert.

Verbindungsstraße geplant

Ein weiteres Ärgernis ist aus Sicht einiger Anwohner nach wie vor die fehlende Anbindung an manche umliegenden Ortschaften, wie beispielsweise Peitz. "Es gab mal eine Straße, aber die wurde wegen des Tagebaus weggebaggert", berichtet Bernd Schulz aus Grießen. "Es sollte irgendwann eine neue kommen, bloß für uns, damit wir da rüberkommen."

Im Moment müssen die Grießener einen Umweg von circa 15 Kilometer nach Peitz fahren. Eine Straße durch den Tagebau ist im Abschlussbetriebsplan der Leag vorgesehen. Dieser wird gerade vom Landesbergamt geprüft und soll bis Dezember 2024 fertig sein.

In der Nacht: Ruhe

Immerhin: Die Nächte in Grießen und Taubendorf sind nun stiller. Die Geräuschkulisse aus dem Tagebau ist verstummt. Sie hatte Carmen Orbke, der Ortsvorsteherin von Grießen, den Schlaf geraubt. "So ein regelmäßiges Quietschen aufgrund der Loren", das sei teilweise nervtötend gewesen, erinnert sie sich. Es habe Nächte im Sommer gegeben, in denen sie trotz der Wärme ihre Fenster geschlossen hatte, "weil man es nicht mehr hören wollte und konnte."

Quelle: rbb

Das Leben an der Grubenkante hatte und hat zwei Seiten, meint Carmen Orbke. "Einerseits haben wir gut profitiert davon, dass wir Zuwendungen hatten." Andererseits sei da immer noch die sichtbare Staubwolke, die die Einwohner im Ort beeinträchtigt, sagt sie.

Gefluteter Tagebau

Großräschener See wird teilweise zum Baden freigegeben

Jahrelang hat es gedauert, nun ist es soweit: Am Donnerstag darf zum ersten Mal im Großräschener See offiziell gebadet werden. Der Landkreis Oberspreewald-Lausitz hat dafür grünes Licht gegeben - mit Einschränkungen.

Wenn die letzten Abraumbagger im Tagebau Jänschwalde demontiert sind, sollen drei große Seen aus den verbleibenden Restlöchern entstehen - Heinersbrücker See, Jänschwalder See und Taubendorfer See. Dafür müssen "die Hohlformen hergestellt und die Böschungen zügig gesichert" werden, beschreibt die Leag die anstehenden Arbeiten auf ihrer Internetseite [leag.de].

Bis kein Sand mehr in die Dörfer weht, werden also voraussichtlich noch einige Jahre vergehen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 20.08.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Aspasia Opitz

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