Tourismus in Brandenburg
Massentourismus und seine Folgen führen zunehmend für Unmut und Protesten in Urlaubsregionen wie auf Mallorca, den Kanarischen Inseln, in Italien. Gibt es Anzeichen für zu viel Tourismus auch in Brandenburg? Von Karsten Zummack
Autokolonnen schieben sich Richtung Ortszentrum, Parkplätze werden gesucht, dichtes Gedränge auf den Rad- und Fußwegen. An Wochenenden und jetzt in den Sommerferien: Alltag in Bad Saarow (Oder-Spree). Der Ort am Scharmützelsee zählt zu den Top-10-Reisezielen in der Region.
Und es werde immer voller, beklagt Michael Bertram. Der Privatdozent aus der Unterhaltungsbranche ist vor mittlerweile 25 Jahren hierhergezogen. Inzwischen spürt er auch in Bad Saarow erste Anzeichen des sogenannten Overtourism, also Übertourismus. "Wenn Sie von A nach B wollen, brauchen Sie plötzlich die dreifache Zeit, weil die Straßen verstopft sind", schildert der 57-Jährige seine Erfahrungen.
Als Einwohner vermisst er auch "die normalen Gaststätten und Bars für das normale Volk". Seitdem Bad Saarow als Urlaubsziel boomt und immer nobler wird, siedeln sich auch hier zunehmend noble Etablissements und Cafés an, die für viel Geld lieber schicken Latte Macchiato oder Trüffelpommes anbieten als Hausmannskost. "Teilweise stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr", beklagt Bertram. "Wenn man hier leben muss, dem permanent ausgesetzt ist, dann nervt das."
Michael Bertram engagiert sich in einer Bürgerinitiative gegen einen neuen Supermarkt, weil dieser überdimensioniert sei. Auch das ist eine indirekte Folge des wachsenden Tourismus in Bad Saarow. Bürgermeister Christian Schröder weist die Kritik zurück. Von Massen- oder Übertourismus könne keine Rede sein. "Die Bettenzahlen stagnieren, die Besucherzahlen sind eher rückläufig", so der CDU-Kommunalpolitiker. Staus seien in Bad Saarow eher selten, auch gebe es in der Gastronomie mitunter Pizza für weniger als 10 Euro.
Oft sind es vermeintlich kleine Probleme, die ein Besucherandrang mit sich bringt. Vor Ort aber ist dies im Alltag von hoher Bedeutung.
Auch in Fürstenberg/Havel (LK Oberhavel), ganz im Norden Brandenburgs, haben sich Anwohner zusammengetan. Hier geht es darum, die geplante Erweiterung einer Boots-Steganlage im Röblinsee zu verhindern. Sie sorgen sich um Natur und Tierwelt. Unterstützung kommt vom parteilosen Bürgermeister.
"Wie viel Schiffsverkehr verträgt unsere Region?", fragt sich Robert Philipp. Als touristisches Ziel will Fürstenberg attraktiv bleiben. Eine Gratwanderung: Einerseits freut sich das Rathaus über jeden zusätzlichen Urlauber, andererseits hat das Wachstum auch Grenzen. Der Bürgermeister warnt davor, "dass zum Beispiel die Gewässer zu voll sind oder die Schleusenwartezeiten zu lang werden". Der Standort am Röblinsee sei klein und habe sowohl Anreiseverkehr als auch Parkdruck.
Natürlich will auch Fürstenberg/Havel weiter Touristen anlocken, doch die Infrastruktur ist eben begrenzt. Vor ganz anderen Herausforderungen steckt Potsdam, Besucherziel Nummer eins in Brandenburg. Wie im benachbarten Berlin sind Wohnungen rar, gleichzeitig scheint die Vermietung von Zimmern an Touristen lukrativ. Deshalb hat die Landeshauptstadt vor drei Jahren eine sogenannte Zweckentfremdungssatzung in Kraft gesetzt. Sie soll das Angebot an Ferienwohnungen reduzieren, so dass mehr Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt landen.
Unter dem Strich verbuchte Brandenburg im vergangenen Jahr mehr als 14 Millionen Urlauber-Übernachtungen — ein neuer Rekordwert. Von Übertourismus sei die Mark aber noch weit entfernt, konstatiert Patrick Kastner von der Tourismus-Marketing Brandenburg.
"Die Tourismus-Akzeptanz in einigen Bundesländern und auch auf Bundesebene ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken", fasst der Kastner die Ergebnisse zusammen. Brandenburg weise im Vergleich aber die dritthöchste Akzeptanz auf.
Auch wenn es Missmut in einigen Gemeinden gibt: Von Übertourismus in der Mark will er aktuell nicht sprechen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.08.2024, 12:34 Uhr
Beitrag von Karsten Zummack
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