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Quelle: dpa/Christoph Hardt

Gute Bedingungen für Vogelart

Berlin ist "Spatzenhauptstadt"

Im Park hört man sie zuhauf tschilpen, im Restaurant lauern sie auf Brötchenreste. Aus Berliner Sicht ist kaum zu glauben, dass der Spatz in Deutschland auf der Vorwarnliste steht. Warum geht es dem Vogel in der Hauptstadt so gut? Von Kira Pieper

An einem Sommernachmittag im Tiergarten: Der Biergarten ist gut belegt, an den Tischen wird nicht nur getrunken, sondern auch gegessen, überall fallen Krümel. Sie bleiben nicht lange liegen, eine Horde Spatzen (eigentlich: Haussperlinge) machen sich laut tschilpend über den menschlichen Abfall her.

Die großen Spatzen-Ansammlungen täuschen. Tatsächlich steht die Vogelart auf der Vorwarnstufe der Liste der bedrohten Arten. Das heißt: Die Tiere sind nicht gefährdet, aber ihr Bestand ist merklich zurückgegangen. Das liegt daran, dass die Vögel sowohl in der Stadt als auch auf dem Land nicht mehr ausreichend Nahrung finden. Es gibt immer weniger naturnahe Flächen, die Gestaltung von Grünanlagen und Gärten ist nicht im Sinne der Vögel. Hinzu kommt: regelmäßiges Rasenmähen.

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Berlin hat viele "wilde Ecken"

Haussperlinge ernähren sich von Sämereien, die sie von Wildpflanzen wie Löwenzahn, Brennnessel oder Mohn sowie von Beeren und Früchten verschiedener Sträucher oder Fassadenbegrünungen wie Efeu picken. Wenn die Vögel Junge haben, brauchen sie auch eiweißhaltige Nahrung. Also Insekten, die eben vornehmlich auf wilden Grünflächen vorkommen.

In Berlin sei die Nahrungssituation für Haussperlinge günstig, erklärt Imke Wardenburg, Expertin für Artenschutz am Gebäude beim Nabu Berlin. Denn die Hauptstadt sei vergleichsweise grün und es gebe viele "wilde Ecken". Und ja: Spatzen profitieren auch von den Essensresten in Restaurants und Cafés. "Das ist zwar nicht die gesündeste Nahrung für die Vögel, aber erfüllt ihren Zweck", so Wardenburg.

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Gute Brutbedingungen

Das Resultat der guten Bedingungen: 190.000 Spatzen-Paare leben in Berlin. Anlass genug für für Imke Wardenburg, Berlin als "Spatzenhauptstadt" zu bezeichnen. Zum Vergleich: In Hamburg gibt es 16.000 Brutpaare. Dort ist der Bestand in den vergangenen 15 Jahren um 45 Prozent eingebrochen.

Die Vogelpaare finden in Berlin außerdem gute Nistmöglichkeiten. Die Gebäudebrüter mögen besonders die noch vielen unsanierten Häuser mit ihren Löchern in den Fassaden und Höhlen unter brüchigen Dachziegeln. Also alles, was aus menschlicher Sicht nicht mehr intakt ist, bietet den Tieren perfekte Brutbedingungen.

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Gute Arbeit der Naturschutzbehörden

Und noch etwas spielt den Tieren in die Karten: Laut Wardenburg wird der Artenschutz in Berlin von den Naturschutzbehörden vergleichsweise gut umgesetzt. "Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind nicht nur die Tiere selbst geschützt, sondern auch die Nester und die Strukturen am Gebäude, in denen sich die Nester befinden", erklärt die Expertin. Wer baue, müsse dafür sorgen, dass keinem Tier zu Schaden komme und kein Nistplatz verloren gehe.

Wenn die Bauarbeiten beendet seien, müssten deswegen Nistkästen an der Fassade angebracht werden. "Berlin weist inzwischen eine beachtliche Anzahl an Ersatznistkästen auf", sagt Wardenburg. Allerdings komme es auch vor, dass der Artenschutz nicht beachtet werde.

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Auch Bürger und Bürgerinnen können helfen

Damit Berlin Spatzenhauptstadt bleibt, können Bürger und Bürgerinnen mithelfen. Imke Wardenburg hat ein paar Tipps: "Sollen Bauarbeiten an Gebäuden stattfinden, an denen Spatzenbrutplätze bekannt sind, kann man dies der Unteren Naturschutzbehörde des jeweiligen Bezirks oder bei uns beim Nabu melden." Damit verhindere man zwar keine Bauvorhaben, stelle aber sicher, dass der Artenschutz berücksichtigt werde und Nistplätze durch Kästen ersetzt werden.

Außerdem rät sie, im Garten oder auf dem Balkon heimischen Stauden zu pflanzen. Diese sollten dann im Herbst stehen gelassen werden, damit die Samen im Winter als Nahrung dienten. Jetzt bei heißem Wetter solle man Vogeltränken aufstellen.

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Beitrag von Kira Pieper

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