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Audio: Radio3 | 03.08.2024 | Fabian Grieger | Quelle: rbb/Fabian Grieger

Bildungsprojekt in Berlin

Förderung von Projekt zu sexualisierter Gewalt scheitert an politischer Einflussnahme

Essenseinladungen der japanischen Botschaft und ein Anruf von Kai Wegner: Nach rbb-Recherchen soll Einfluss auf ein Gremium ausgeübt worden sein, damit die Förderung eines Bildungsprojekts scheitert. Auch die "Trostfrauenstatue" in Moabit soll abgebaut werden. Von Fabian Grieger und Linh Tran

Stolz zeigt Nataly Jung-Hwa Han die kleine Tonfigur, die sie im "Trostfrauen-Museum" [trostfrauen.museum] in Berlin-Moabit ausgestellt hat: Eine Frau, deren Tränen auf dem Boden vor ihr landen. Jugendliche haben die Figur im Rahmen des Bildungsprojekts "Setz dich neben mich" getöpfert, das Han mit dem Korea-Verband initiiert hat. Das Ziel ist, anhand der Geschichte der sogenannten Trostfrauen über sexualisierte Gewalt in Kriegen aufzuklären.

Als Trostfrauen werden beschönigend die Frauen und Kinder - vor allem aus Korea und China - bezeichnet, die den japanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg als Zwangsprostituierte dienten. Bis zu 200.000 Mädchen und Frauen wurden in sogenannte Troststationen verschleppt und dort teils mehrmals am Tag vergewaltigt.

Jahrelang wurde über dieses Kriegsverbrechen geschwiegen. Erst 1991 sprach eine Betroffene öffentlich über die Gewalt und löste damit eine feministische Bewegung für die Aufarbeitung sexualisierter Verbrechen aus. "Im Projekt geht es uns um Empowerment, weil die Trostfrauen ihr Schweigen gebrochen haben", sagt Nataly Han vom Berliner Korea-Verband.

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Trostfrauen - Wenn Erinnerung zum Konflikt wird

1,5 Tonnen Beton und Bronze, so schwer ist die Statue eines jungen Mädchens, die 2020 zu einem diplomatischen Konflikt zwischen Berlin-Mitte und Japan führte. Das Bronzemädchen soll an koreanische Frauen erinnern, die im Zweiten Weltkrieg für das japanische Militär zu Zwangsprostituierten wurden. Korea war damals eine japanische Kolonie. Doch die japanische Regierung hadert mit ihrer Vergangenheit: Sie möchte, dass die "Friedensstatue" wieder entfernt wird. Aktivist:innen und der Berliner Koreaverband haben sich für den Erhalt eingesetzt. Das hat erstmal geklappt, die Statue darf bleiben – bis September 2022. Aber was wird danach passieren? Warum wird die Aufstellung der Statue in Berlin so kontrovers diskutiert? Und: Warum kann das Bronzemädchen eigentlich nicht in Japan stehen? Von Julia Shimura Regie: Clarisse Cossais Produktion: rbb 2022

Bisherige Förderung wurde gestoppt - Einfluss von Wegner?

Bisher wurde das Projekt aus öffentlichen Mitteln vom Berliner Projektfonds für Kulturelle Bildung gefördert. Doch ein erneuter Antrag scheiterte. Ein möglicher Grund: Nach Informationen von rbb24 Recherche soll der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) persönlich Einfluss auf die Entscheidung genommen haben, einen Antrag über eine Förderung von 87.000 Euro für das Projekt abzulehnen.

Dabei hatte eine Jury aus Künstler:innen und Pädagog:innen das Projekt zunächst für eine Förderung empfohlen. Doch das letzte Wort hat ein Beirat, in dem auch die für Bildung zuständigen Staatssekretäre vertreten sind. Einer von ihnen habe zu Beginn der Sitzung erklärt, dass Wegner ihn vor der Sitzung angerufen habe, um ihn dazu anzuhalten, dass das Projekt mit Blick auf einen möglichen Konflikt mit der japanischen Regierung abgelehnt werden solle. Das bestätigten mehrere anonyme Quellen dem rbb.

Die Senatskanzlei wollte dies auf Anfrage des rbb weder dementieren noch bestätigen: "Die Entscheidungen des Projektfonds werden gemeinschaftlich und mehrheitlich getroffen; das Gremium ist dabei nicht öffentlich. Entsprechend werden dort getroffene Entscheidungen nicht kommentiert oder bewertet."

Auch die japanische Botschaft habe versucht, auf die Ablehnung einer Förderung hinzuwirken, berichten anonyme Quellen dem rbb. So habe die japanische Botschaft mehrere Gremiumsmitglieder zu einem Essen in ein Fünf-Sterne-Hotel am Potsdamer Platz eingeladen. Der Kulturattaché der Botschaft hatte zunächst Interesse an der kulturellen Arbeit der Gremiumsmitglieder gezeigt, wechselte während des Gesprächs dann aber das Thema und versuchte, die Gremiumsmitglieder von einem Votum gegen das Bildungsprojekt zu überzeugen, wie mehrere Quellen, die anonym bleiben wollen, dem rbb bestätigen.

Zwar führten die Essenseinladungen nicht zu einer Nein-Stimme bei den jeweiligen Gremiumsmitgliedern, dennoch scheiterte der Antrag letztlich am Votum der Staatssekretäre.

Die japanische Botschaft äußert sich auf Anfrage von rbb24 Recherche nicht zu den Essenseinladungen. Sie erklärt aber zum Bildungsprojekt, dieses nutze die Statue, "um ein einseitiges Narrativ zu verbreiten. Jungen Deutschen, die in Bezug auf Asien über kein großes Wissen verfügen, werden so antijapanische Gefühle eingepflanzt."

Nataly Jung-Hwa Han, Geschäftsführerin des Korea-Verbands (Quelle: F. Grieger/ rbb) | Quelle: rbb/Fabian Grieger

Lehrer aus Neukölln: Projekt einzigartig in Berlin

Das Bildungsprojekt steht damit vor massiven finanziellen Einbußen. Für Saša Martinović ist die Ablehnung des Antrags äußerst bedauerlich. Er ist Geschichtslehrer an der Fritz-Karsen-Schule in Berlin-Neukölln und hat mit seinen Oberstufenschüler:innen in den letzten Jahren an mehreren Workshops des Projekts "Setz dich neben mich" teilgenommen.

Martinović sagt, er habe seine Schüler:innen selten so erlebt, wie an den Projekttagen mit dem Korea-Verband: "Junge Frauen fingen an, sich zu öffnen und von ihren Grenzerfahrungen mit sexualisierter Gewalt zu erzählen, die sie schon im jungen Alter gemacht haben." Das Projekt sei einzigartig in Berlin: "Ich wüsste nicht, dass es zu der Thematik von sexualisierter Gewalt und Krieg, also in der Verknüpfung, tatsächlich Angebote für Schulen gäbe."

Erinnerung an koloniale Verbrechen

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Bronze-Statue in Moabit zeigt ein junges Mädchen mit geballten Fäusten

Der Name des Projekts "Setz dich neben mich" [koreaverband.de] bezieht sich auf die Friedensstatue in Berlin-Moabit, ebenfalls initiiert vom Korea-Verband. In Erinnerung an die "Trostfrauen" zeigt die Bronze-Statue ein junges Mädchen in traditioneller koreanischer Tracht auf einem Stuhl sitzend, die Hände sind geballt. Neben ihr steht ein leerer Stuhl. Das Projekt nimmt darauf Bezug und lädt Menschen ein, sich aktiv mit dem Schicksal der Frau auseinanderzusetzen. Die Statue ist in der Nachbarschaft bekannt und bei vielen beliebt. Gerade für viele verschiedene migrantische Communitys, wie die der armenischen oder der kurdischen, hat sie eine wichtige Bedeutung: Auch an deren Geschichte von sexualisierter Gewalt erinnert die Statue.

Was für zivilgesellschaftliche Organisationen in Südkorea und Berlin ein wichtiger Gedenkort geworden ist, ist für die japanische Regierung in Tokio schon seit der Aufstellung der Statue 2020 ein Dorn im Auge. Sie fordert ihren Abbau. Bereits auf höchster diplomatischer Ebene wurde dies gegenüber Kanzler Olaf Scholz bei seiner Japanreise 2022 geäußert.

Hintergrund ist eine Vereinbarung zwischen Südkorea und Japan von 2015. Japan sagte zu, sich öffentlich für die Verbrechen an den "Trostfrauen" zu entschuldigen und 7,6 Millionen Euro an die Betroffenen zu zahlen. Im Gegenzug sollte eine "Trostfrauen"-Statue direkt vor der japanischen Botschaft in Seoul abgebaut werden. Betroffenen-Organisationen lehnten den Deal ab. Die japanische Seite überwies dennoch Zahlungen an einige Betroffene.

Die Statue in Seoul blieb und weltweit stellten zivilgesellschaftliche Organisationen weitere auf - auch in Berlin mit Genehmigung des Bezirks Mitte. Doch auch hier gibt es seither Druck - mutmaßlich aus Japan. Bezirksverordnete berichten von zahlreichen computergenerierten Mails, die jede Woche einträfen und den Abbau der Statue forderten. Die Fraktion der Linkspartei legte sogar schon einen eigenen Spam-Ordner dafür an, wie rbb24 Recherche erfuhr. Trotzdem stimmte die Bezirksverordnetenversammlung Mitte in mehreren Beschlüssen für den Erhalt der Statue.

Die japanische Botschaft erklärt gegenüber dem rbb, dass man der Ansicht sei, dass die Statue nicht länger aufgestellt bleiben sollte. "Der Inhalt der Texttafel, die zusammen mit der Statue derzeit im Bezirk Mitte aufgestellt ist, ist ausgesprochen einseitig, und er lässt das bisherige Engagement unseres Landes völlig außer acht." Damit bezieht sich die Botschaft unter anderem auf geleistete Zahlungen an und Entschuldigungsschreiben an Hinterbliebene.

Kommentar | Kai Wegner in Tokio

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Trostfrauenstatue soll im September abgebaut werden

Doch nun soll die Statue Ende September 2024 weichen. Das Bezirksamt erklärt zwar, dass es die "Bildungs- und Aufklärungsarbeit des Korea-Verbandes zum Thema sexualisierte Gewalt in kriegerischen Konflikten als sehr wertvoll" bewerte. Eine weitere Genehmigung der "Trostfrauen"-Statue scheitere aber an formalen Hürden. Eine Statue, die nicht aus einem öffentlichen Wettbewerb hervorgegangen sei, könne nicht länger als maximal zwei Jahre genehmigt werden. Rückwirkend habe sich die bisherige Duldung der Bronze-Statue gar als "rechtswidrig" herausgestellt.

Stattdessen solle die Aufstellung einer allgemeineren - nicht konkret auf die "Trostfrauen" bezogenen - Statue zu sexualisierter Gewalt in Kriegen auf den Weg gebracht werden. Einen ähnlichen Plan äußerte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner auch bei seinem Tokio-Besuch im Mai 2024, wo er unter anderem die japanische Außenministerin traf. Eine Auswahl der Themen bei diesem Treffen: die Städtepartnerschaft mit Tokio, eine Investition von Mitsubishi beim Stadtentwicklungsprojekt in Tegel - und die "Trostfrauen"-Statue in Moabit.

Wegner kündigte nach dem Treffen in einer Pressemitteilung [berlin.de] an, dass es "Veränderungen" bei der "Trostfrauen"-Statue geben müsse. Er setze sich für ein übergeordnetes Denkmal für Gewalt an Frauen ein, aber "eine einseitige Darstellung" dürfe nicht mehr stattfinden.

"Zu sagen, dass es einseitig wäre, ist haarsträubend"

Für Nataly Han vom Korea-Verband ist nicht nachvollziehbar, warum das Denkmal einem allgemeinen weichen soll: "Es geht um die Frauen, nicht um die Verbrecher", so Han. Die Geschichte der Opfer, die das Schweigen der Zwangsprostitution brachen und ihre Geschichten erzählten, ermutigten viele weitere Frauen dazu, über sexualisierte Gewalt zu reden. "Es geht um die Frauen, die den Mut hatten, das Schweigen zu brechen", so Han weiter.

Auch Ingrid Bertermann von der Linksfraktion Mitte kritisiert diese Haltung des Regierenden Bürgermeisters: "Zu sagen, dass es einseitig wäre, weil es die Opferperspektive schildert und nicht die der Täterperspektive, ist haarsträubend." Die Linksfraktion hat für die BVV-Sitzung am 19. September einen Antrag gestellt, nach juristischen Möglichkeiten für einen dauerhaften Erhalt der Statue zu suchen.

Nataly Han hat über 2.000 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern aus Berlin-Mitte für den Erhalt gesammelt und hofft nun, dass die Statue mit einer erneuten Unterstützung erhalten werden kann.

Sendung: Radio3, 03.08.2024, 07:10 Uhr

 

 

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Beitrag von Fabian Grieger und Linh Tran

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