Gastronomie
In einigen Berliner Cafés kann man nur noch mit Handy oder Karte bezahlen. Umgekehrt akzeptieren viele Restaurants nur Bares. Warum entscheiden sich die Betreiber so? Und was bedeutet das für die Konsumenten? Von David Donschen
Überall in Ralf Sanders Eisdiele "Gimme Gelato" in Berlin-Charlottenburg ist es deutlich zu lesen: "Bitte nur bargeldlose Bezahlung". Sowohl an der Kühltheke mit dem selbstgemachten Stieleis, als auch direkt an der Kasse kleben Schilder mit den Logos von Visa, Paypal und Co. Seit vier Jahren gibt es Eiskaltes bei "Gimme Gelato" nur noch gegen Karte.
In der Corona-Pandemie hatte Sander aus Hygienegründen komplett auf Kartenzahlung umgestellt. Und ist dann dabei geblieben. "Der Großteil unserer Gäste hat das sehr positiv aufgenommen", sagt Sander. Beschwerden oder Probleme gäbe es nur sehr selten. Im ersten Jahr der Umstellung habe er Gäste noch anschreiben lassen, wenn sie nur Bargeld dabeihatten. Heute improvisiere man: Wenn jemand nicht mit Karte bezahlen kann, springen andere Kundinnen und Kunden ein und zahlen das Eis. Und bekommen das Geld dann in Bar zurück.
Für die Abläufe in seinen sieben Eisdielen und Verkaufsständen habe das bargeldlose Zahlen nur Vorteile: Es sei hygienischer und gerade das kontaktlose Bezahlen per Handy, Smartwatch oder Karte beschleunige den Bezahlprozess. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben so mehr Zeit fürs Eis servieren. Und auch ihm erleichtert es die Arbeit: Er muss weder Bargeldeinnahmen zählen noch die Scheine und Münzen zu seiner Hausbank zum Alexanderplatz bringen. Er sagt: "Ich will nie wieder zurück zum Bargeld."
Nur an zwei Verkaufsstellen, im Zoologischen Garten und im Tierpark, akzeptiert er Cash - wegen der vielen Schulklassen. Einige 2-Euro-Münzen hat Sander auch noch in der Kasse zu liegen. Denn das Pfand für die Kaffeebecher kann er mit seinem Bezahlsystem bislang noch nicht zurücküberweisen.
Claudio Zeitz-Brandmeyer von der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht komplett bargeldloses Bezahlen kritisch. "Es schließt Menschen aus." Gerade Personen mit wenig Einkommen helfe Bargeld häufig, um ihre Ausgaben im Blick zu behalten. "Sie sehen dann, wenn das Geld im Portemonnaie weniger wird." Außerdem haben etwa Kinder, Obdachlose oder auch Geflüchtete oft keine eigene Kreditkarte.
Zumindest für seine kleinen Kunden hat sich Eismann Sander etwas ausgedacht: Ihre Eltern können für sie Coupons kaufen, mit denen die Kinder ihr Eis auch ohne Begleitung der Erwachsenen bekommen. "Wir wollen niemand ohne Eis gehen lassen", sagt Sander.
Ganz anders sieht es im "Schwarzen Café" aus. Hier heißt es seit mittlerweile 46 Jahren: Ohne Cash kein Bier.
Für die Stammgäste Andreas und Stefan ist das kein Problem. Die beiden sitzen draußen an einem der Tische auf der Kantstraße. Und zahlen ihr Mittagessen gerne in Bar. "Wenn man mit der Karte bezahlt, legt man immer so ein bisschen seine Persönlichkeit offen. Ich will meine Daten nicht preisgeben", sagt Andreas.
"Für mich als Konsumenten ist das eine Blackbox. Ich weiß nicht, was mit meinen Daten passiert", bestätigt Verbraucherschützer Claudio Zeit-Brandmeyer. Er plädiert für eine gesetzliche Pflicht, die festlegt, dass Konsumenten überall auch mit Bargeld bezahlen können.
Drinnen im Schwarzen Café sitzt Juniorchefin Paula Trimbur vor ihrem Laptop und schaut auf eine Excel-Tabelle. Immer wieder haben sie überlegt, Kartenzahlung einzuführen. Trimbur hat deshalb die verschiedenen Zahlungsanbieter mit ihren Konditionen in eine Tabelle eingetragen. "Das ist ein Zahlendschungel", sagt Trimbur. Fixkosten pro Gerät, Kosten pro Transaktionen, Prozente vom Umsatz. Welcher Anbieter der Beste ist? Trimbur weiß es nicht. Sie befürchtet hohe Kosten durch die Einführung von Kartenzahlung.
Vor allem bei den großen Kreditkartenanbietern wie Visa und Mastercard kann es für kleinere Händler und Gastronomen schnell teuer werden. "Das können schonmal bis zu 2,5 Prozent pauschale Umsatzbeteiligung sein", erklärt Horst Rüter vom privatwirtschaftlichen Handelsforschungsinstitut EHI. Deutlich günstiger ist für die Geschäftstreibenden die Girocard. "Da sind wir in etwa bei Kosten von maximal einem Prozent". Das ist auch der Grund, weshalb einige Einzelhändler und Gastronomen Kartenzahlung nur mit Girocard akzeptieren.
Allerdings verursacht auch Bargeld Kosten, sagt Eismacher Sander. Zehn Euro würden für eine Bargeldeinzahlung bei der Bank fällig. Hinzu kommen Gebühren für die Ausgabe von Münzrollen.
Was am Ende günstiger ist für Geschäftstreibende, Bargeld oder Kartenzahlung? "Das lässt sich pauschal nicht sagen", sagt Horst Rüter vom Handelsforschungsinstitut EHI. Doch feststehe: Je kleiner das Unternehmen, desto teurer seien die Bezahldienstleister. Große Handels- und Restaurantketten hätten eine ganz andere Verhandlungsmacht.
Ewig werden sie wohl auch im Schwarzen Café nicht an der Kartenzahlung vorbei kommen können. Denn immer häufiger haben gerade junge Menschen gar kein Bargeld mehr bei sich. So wie Johannes und eine Freundin, die bei zwei Tassen Tee auf dem Balkon in der zweiten Etage des Lokals sitzen. Dass es hier keine Kartenzahlung gibt, merken sie erst, nachdem sie schon bestellt haben. Das zusammengeschmissene Bargeld der beiden reicht nicht. "Dann muss ich wohl nochmal zum Automaten", sagt Johannes und packt seine Münzen wieder ins Portemonnaie. Ideal findet er das aus Gastperspektive nicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.08.2024, 08:10 Uhr
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Beitrag von David Donschen
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