Forschung zur Hochwasserlage an der Oder
Der Gewässerökologe Christian Wolter vom Leibniz-Institut forscht dazu, welche Rolle flussbauliche Maßnahmen für Extrem-Hochwasser in den umliegenden Gebieten spielen.
Die Aufräumarbeiten nach dem Oder-Hochwasser sind in dieser Woche noch in vollem Gange. Solch ein Extremereignis kommt nicht aus dem Nichts. Flussbauliche Maßnahmen an der Oder haben Einfluss auf die Entwicklung des Wasserablaufs, wie Gewässerökologe Christian Wolter in einer Online-Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch erklärte.
Christian Wolter ist Leiter der Forschungsgruppe Fließgewässerrevitalisierung am Berliner Leibniz-Institut. Für ihn war auch das Hochwasser der vergangenen Tage kein reines Naturereignis.
Wolter erklärte, dass die Oder durch ihre Begradigung etwa 20 Prozent ihrer ursprünglichen Lauflänge verloren hat, nämlich von 1.040 Kilometern auf 866 Kilometer. Das ursprüngliche Mehrbettgerinne der Oder ist nun ein Einbettgerinne, denn die vielen Gerinne-Arme wurden vom Fluss funktional abgetrennt. Das lässt sich vor allem im Oderbruch gut beobachten, so Wolter.
In einem begradigten Fluss sei das Gefälle höher und das Wasser fließe schneller ab. Laut Wolter habe dies Nachteile, da das Wasser abfließt, wenn es vorhanden ist, aber dann in einer Trockenperiode fehlen würde. So würden sich Hochwasserwellen im begradigten Einbettgerinne schneller aufbauen.
Polder im Tiefland, weit stromabwärts, würden zum Hochwasserschutz laut Wolter wenig beitragen. Man müsse bei den Anwohnern an den oberen Flussläufern – also den "Oberliegern" – ansetzen, nicht bei denen flussabwärts, den sogenannten Unterliegern.
"Wir können dann nur noch lokal die Hochwasserwelle senken. Wenn wir in den Oberläufen schon die Abflussgeschwindigkeit verringern, wird mehr Wasser in der Landschaft zurückbleiben, eine Hochwasserwelle sich langsamer aufbauen und auch nicht so hoch werden. Damit haben automatisch die Unterlieger ein geringeres Problem. Je begradigter die Oberläufe sind, umso schneller muss der Unterlieger reagieren und meistens wird er dann vor Probleme gestellt", sagte Wolter.
In der Geschichte des Wasserbaus würden die Unterlieger permanent dazu gezwungen werden, zu reagieren, weil diese grundsätzlich dem größeren Überflutungsrisiko ausgesetzt seien. Der Oder seien durch die Begradigung und der Eindeichung zur Landgewinnung und Trockenlegung des Oderbruchs viele Überflutungsflächen entzogen worden.
Verengte Querschnitte führen laut Christian Wolter dazu, dass sich Wassermassen höher aufbauen und den Hochwasserschutz vor Probleme stellen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 30.09.2024, 14 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen