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Video: Der Tag | 16.09.2024 | Cenan Köhler | Quelle: dpa / Jens Kalaene

Hochwasser

Warum Berlin kaum von Überschwemmungen betroffen ist

In Nachbarländern haben Hochwasser zuletzt drastische Schäden angerichtet. Am Wochenende steigen die Pegel auch in manchen Regionen Brandenburgs laut der Vorhersagen deutlicher. Berlin dagegen ist von solchen Ereignissen kaum gefährdet - woran liegt das?

In Österreich, Tschechien und Polen haben die Wassermassen der vergangenen Tage Verheerendes angerichtet. Dämme brachen, mehrere Menschen starben in den Fluten. Nach den extremen Regenfällen steigen die Pegel von Oder und Elbe weiter, entsprechend bereitet man sich auch in Brandenburg auf Hochwasser vor - ohne mit ähnlich schlimmen Ausmaßen rechnen zu müssen wie in den Nachbarländern.

Der Pegel der Oder in Frankfurt soll den Prognosen zufolge erst Mitte kommender Woche seinen Höhepunkt erreichen. Im kleinen Ort Ratzdorf, wo die Oder zuerst brandenburgisches Gebiet erreicht, wird wohl am kommenden Montag die höchste Alarmstufe 4 erreicht, mit einem Wasserstand von um die 6 Meter. Schaufeln, Sandsäcke, Helfer vom Katastrophenschutz - aus Brandenburg kennt man diese Bilder schon seit Jahrzehnten, auch aus Großstädten wie Dresden.

Berlin aber ist fast nie von Überschwemmungen betroffen. Laut dem Gesamtverband der Versicherer sind nur 150 von 391.000 Adressen in der Hauptstadt hochwassergefährdet - das entspricht 0,04 Prozent [gdv.de].

Liveticker zur Hochwasser-Lage

+++ Prognose: Oder-Höchststand in Frankfurt am Mittwoch +++ Vorsichtige Entwarnung in der Prignitz

+++ Sechstage-Prognose rechnet für Mittwoch mit Oder-Höchststand in Frankfurt +++ Am Pegel Wittenberge wird Alarmstufe 1 nicht erreicht +++ MOL warnt vor Hochwasser-Tourismus +++ Weitere Hochwasser-News im Liveticker

Genug Auslauf

Die Metropole ist vergleichsweise flach, auch in der Umgebung kann das Wasser der breiten Spree durch mangelnde Berge oder überhaupt nur nennenswerte Hügel kaum Fahrt aufnehmen, bevor es durch die Stadt fließt – das gilt natürlich auch für die größten Teile Brandenburgs. Aber die Hauptflüsse Spree und Havel fließen sehr träge und haben viele Seen als natürliche Wasserreservoire. Das führt dazu, dass die Flüsse kaum über ihr normales Niveau ansteigen und Uferbereiche überfluten. Die Pegel von Spree und Havel werden außerdem mit Schleusen reguliert, sodass ihre durchschnittliche Wassertiefe stabil bleibt.

Nicht zuletzt gibt es einige natürliche Überflutungsflächen wie Wiesen und Auen, die Hochwasser aufnehmen können. Wenn es starke Niederschläge im oberen Lauf der Spree gibt, werden sie abgepuffert, bevor Hochwasser Schäden in Berlin anrichten kann. Der Spreewald wirkt dabei mit seinen vielen kleinen Nebenläufen wie ein Schwamm. Aber auch die ehemaligen Tagebaue in der Lausitz, die nun zu Seen geworden sind oder noch werden, können enorme Mengen Wasser aufnehmen, zum Beispiel der künftige Cottbuser Ostsee, ebenso Müggelsee und -spree – in Berlin selbst tritt die Spree dann nicht über die Ufer.

"Dümpeln ganz langsam vor sich hin": Der Sprecher der Wasserbetriebe, Stephan Natz. | Quelle: rbb

Fünf Überschwemmungsbereiche im Stadtgebiet

Wassermassen wie aktuell in den Nachbarländern seien in Berlin in diesen Ausmaßen undenkbar, erklärt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. "Unsere beiden Flüsse, die hier durch die Stadt gehen, die Spree und die Havel, die sind ja eher aufgestaute Seen-Ketten, die dümpeln ganz langsam vor sich hin. Sie kommen beide nicht aus Gebirgen, an denen sich große Regenwolken abregnen lassen können", sagt Natz.

Problematisch können eher die kleinen Gewässer werden: Panke, Erpe, Müggelspree einschließlich der Gosener Wiesen, das Tegeler Fließ und die Untere Havel/Untere Spree sind laut der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die einzigen fünf offiziellen Überschwemmungsgebiete im Stadtgebiet. In diesen Gebieten darf nicht gebaut werden, nehmen anderen Schutzmaßnahmen. Insgesamt ist davon aber nur ein Prozent der Berliner Landesfläche betroffen.

Bisher sind drei gefährdete Gebiete auf der Karte des Senats ausgewiesen: Nahe des Flughafensees, in Moabit und am Obersee. Hier könnte sich Starkregen besonders auswirken. | Quelle: rbb

Wasser eher von oben gefährlich - wenn es Starkregen ist

Wenn Wasser in Berlin zum Problem wird, dann durch Starkregenereignisse, wie zum Beispiel im Sommer 2017: Damals wurde Berlin vom bundesweiten drittschwersten Starkregen seit mehr als 100 Jahren getroffen, innerhalb von 24 Stunden fielen mehr als 200 Liter Regen pro Quadratmeter. Wenn in kürzester Zeit soviel Wasser von oben kommt, können Boden und Kanalisation es nicht mehr aufnehmen. "Durch den Klimawandel gehen wir davon aus, dass Starkregenereignisse intensiver und häufiger auftreten werden", sagt Benjamin Creutzfeldt, der Leiter der Leitung der Landeshydrologie von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. Auch die zunehmende Versiegelung spielt eine Rolle.

Dass dieser Starkregen zu regelrechtem Hochwasser führt, dazu müsste aber einiges zusammenkommen, sagt Creutzfeldt. "Eine geringe Wahrscheinlichkeit ist stets gegeben, insbesondere wenn ein Flußhochwasser und ein Starkregenereignis in einem extrem seltene Fall aufeinander treffen würden, dann käme es in kritischen Bereichen zu Schäden", erklärt der Hydrologe.

"Starkregenereignisse intensiver und häufiger": Der Hydrologe Benjamin Creutzfeldt von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. | Quelle: rbb

Interaktive Karte für die lokale Gefahr bei Starkregen

Der Senat hat deshalb mit dem Erstellen einer Starkregen-Gefahrenkarte begonnen, die man im Internet genauer ansehen kann [berlin.de]. Die Karte zeigt für drei unterschiedlich intensive Regenszenarien beispielsweise wie hoch das Wasser an verschiedenen Standorten steigen könnte oder die prognostizierte Fließgeschwindigkeit der Wassermassen. Statistisch sind nach aktuellen Berechnungen, vor allem Teile von Lichtenberg, Reinickendorf und Moabit betroffen.

Vor allem Grundstücks- und Hausbesitzer sollten sich mit den Starkregenkarten auseinandersetzen, sagt der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, Stephan Natz. "Das wissen die Wenigsten: Vorsorge für solche temporären Überflutungen liegt jeweils bei den Grundstücksbesitzenden", sagt Natz. Bisher ist die Karte allerdings nur für bestimmte Gebiete verfügbar. Weil man bis auf die Grundstücksgröße heranzoomen kann, hat die Datenschutzbeauftragte bislang Bedenken. Die Karte soll laut Senatsverwaltung und Wasserbetrieben aber in den kommenden Jahren sukzessive erweitert werden.

Interview | Folgen des Klimawandels

"Wo diese Wassermassen hängenbleiben, hat auch eine zufällige Komponente"

In Polen steht das Hochwasser, jetzt wartet Brandenburg auf die Flutwelle. Dass sich Hochwasserereignisse häufen, entspricht den wissenschaftlichen Vorhersagen, sagt Klimaforscher Fred Hattermann. Und Anpassung werde irgendwann nicht mehr helfen.

"Auf Dauer gesehen viel zu wenig Wasser"

Das Risiko für Überflutungen wie aktuell in Polen und Tschechien sei auch im Umland von Berlin gering, weil es auch da keine nennenswerten Flüsse gebe, sagt der Wasserbetriebe-Sprecher Natz. "Wir werden es natürlich erleben, dass im Randbereich von Brandenburg, nämlich im Odertal, nämlich die Oder sehr stark ansteigen wird. Wir werden aber letztlich keine Überflutungen in Städten erleben, wo Brücken weggerissen werden oder Häuser unterspült werden. All das kann es in unserem Bereich nicht geben", sagt Natz. Auf Dauer gesehen habe man in Berlin eher viel zu wenig Wasser - "nicht vom Himmel, sondern auch in unseren Flüssen."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 19.09.2023, 19:30 Uhr

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