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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 15.09.2024 | Alexander Goligowski | Quelle: rbb/A.Golikowski

Wildnisgebiet Jüterbog

Waldbrände werfen Natur um Jahrzehnte zurück

Das Wildnisgebiet nahe Jüterbog soll eigentlich unberührt bleiben, die Natur soll sich auf eigene Faust ausbreiten. Die häufigen Waldbrände verhindern das aber, Schutzstreifen durchlaufen das Gebiet. Von Alexander Goligowski und Philipp Rother

Das Land Brandenburg ist stolz auf sein riesiges Wildnisgebiet Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming. Wölfe sind in dem rund 7.000 Hektar großen Areal zu Hause, auch Wildkatzen und seltene Pflanzen sind zu finden.

Das Gebiet war über aber 150 Jahre lang ein Truppenübungsplatz, seit dem Truppenabzug Anfang der 1990er Jahre kann sich die Natur dort aber weitgehend unbeeinflusst vom Menschen entwickeln. Die landschaftliche Vielfalt reicht von Sanddünen und Pionierwäldern im zentralen Bereich bis hin zu Feuchtgebieten und älteren Wäldern in den Randlagen. Die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg sichert die Fläche für den dauerhaften Wildnisschutz.

Hintergrund ist, dass sich zwei Prozent der Landesfläche Deutschlands wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln sollen können. Dies entspricht etwa einer Fläche von 714.000 Hektar.

Wildnischef Andreas Meißner auf eine Brandfläche | Quelle: rbb/A.Golikowsk

Verkohlte Stämme, toter Boden

Es gibt aber ein Problem: Auf den munitionsbelasteten Flächen lodern die Flammen so häufig wie nirgendwo sonst in Deutschland. Allein seit 2017 wurden zehn Brände gezählt - ein Drittel der über 7.000 Fußballfelder großen Wildnisdfläche hat schon mindestens einmal gebrannt. "Die Flächen werden durch die Feuer jeweils massiv zurückgesetzt", sagt Wildnischef Andreas Meißner im Gespräch mit dem rbb.

Im vergangenen Sommer wurden durch ein Feuer rund 700 Hektar zerstört. Es blieben verkohlte Reste von einst riesigen Stämmen zurück, und toter Boden. Vereinzelt kämpfen sich mittlerweile Zitterpappeln aus dem Sand. Kanadisches Berufkraut verbreitet sich zaghaft - es könnte eigentlich die ganze Fläche einnehmen, wächst aber nur sporadisch.

Für Wildnischef Meißner ist das eine schwere Niederlage gegen das Feuer, seit 2017 habe er mit seinem Team und den Einsatzkräften intensiv gegen die Brände gekämpft. "Wir waren glücklich, dass wir einen bestimmten Bereich vor dem Feuer gerettet haben, nur um dann im nächsten Jahr die Fläche in Flammen aufgehen zu sehen. Das ist nur mit sehr viel Energie auszuhalten und macht äußerst betroffen. Aufgeben ist aber keiner Lösung", so Meißner.

Verdacht von Eigentümer

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Experten gehen von Brandstiftung aus

Trotz der vielen Munition im Boden gehen fast alle Experten von Brandstiftung aus - auch Meißner. Es wurden zuletzt aber auch immer wieder Gerüchte laut, dass die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg selbst Interesse an den Bränden haben könnte, um die Kiefernplantagen loszuwerden.

Der Wildnischef dementierte diesen Gedanken im Gespräch mit dem rbb deutlich: "Wildnis bedeutet, dass sich möglichst große Flächen, mindestens 1.000 Hektar, vom Menschen ungesteuert entwickeln können. Und jetzt zwingen uns die vielen Brände dazu, riesige Waldbrandschutzsteifen durch die Landschaft zu ziehen. Einmal im Jahr fahren wir hier mit dem Trecker durch, um wieder offenen Sand herzustellen."

50 Meter breite Schneisen durchziehen auf über 30 Kilometern Länge die Wildnis, die eigentlich völlig unberührt bleiben soll. "Das sind schmerzhafte Kompromisse, weil der Waldbrandschutz so eine Priorität bekommen hat", erläuterte Meißner. Das sei ein absoluter Widerspruch zum Wildniskonzept. Die Flächen würden durch die Feuer jeweils "massiv zurückgesetzt".

Waldbrandschutzsteifen durchlaufen das Wildnisgebiet | Quelle: rbb/A.Golikowsk

Wildnisprojekt nicht in Gefahr

Zudem bindet jeder Brand auch Mitarbeiter: "Wir sind verantwortlich für die Waldbrandwache und die geht über Tage, über Wochen und im Falle von Moorbränden sogar über Monate. Das bringt uns als Team an unsere personelle Leistungskante", so Meißner.

Das Wildnisprojekt sei durch die Brände aber nicht gefährdet, erklärte Meißner: "Es ist nur eine temporäre Gefährdung. Wir denken hier in Jahrhunderten und Wildnis bedeutet auch nicht, dass alles Urwald wird. Das kann auch eine unberührte Heidelandschaft sein."

Zuletzt loderten Flammen im August. Es war ein mittelschweres Bodenfeuer. Rund 180 Hektar waren von dem Waldbrand betroffen. Bis an einen Schutzstreifen war das Feuer herangerückt - das Brandschutzkonzept hat aber Wirkung gezeigt. 2019 hatte es an genau der Stelle schon einmal gebrannt. Einige Birken haben nun überlebt, auch Heidekraut. Dennoch ist die Natur abermals um Jahrzehnte zurückgeworfen worden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 15.9.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Alexander Goligowski und Philipp Rother

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