Tödliche Angriffe in Berlin
Fast jeden zweiten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. In Berlin gab es zuletzt zwei Fälle von mutmaßlicher Partnergewalt. Der Verband der Frauenberatungsstellen sieht noch viele Lücken im Schutz von Frauen.
Beim Schutz von Frauen vor schlimmstenfalls sogar tödlicher Partnerschaftsgewalt ist in Deutschland aus Sicht des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (BFF) noch viel zu tun. Häufig bekämen betroffene Frauen den lapidaren Rat "Trenn dich doch einfach", doch dies könne gefährlich sein, wenn die Gefahr ignoriert werde, erläuterte die Geschäftsführerin des Dachverbandes BFF, Katja Grieger.
Es sei wichtig, dass Frauen professionelle Hilfe bekommen, zum Beispiel in einer Beratungsstelle. Insgesamt werde in Deutschland viel zu wenig Geld in den Schutz von Frauen investiert, betonte Grieger auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Im Jahr 2023 wurden nach Zahlen des Bundeskriminalamts in Deutschland 155 Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet - das waren 22 mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden 24 Männer Opfer tödlicher Partnerschaftsgewalt.
Allein in Berlin gab es zuletzt gleich zwei solcher Fälle, bei denen Frauen umgebracht wurden. Am Freitagabend wurde eine 28-Jährige ersten Erkenntnissen zufolge von ihrem ehemaligen Lebensgefährten erstochen. Nur wenige Tage zuvor war eine 36-Jährige mutmaßlich von ihrem Ex-Mann ermordet worden.
Generell würden sogenannte Femizide - die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts - häufig in Trennungssituationen oder nach Trennungen verübt, erläuterte Grieger vom Bundesverband BFF. "Wenn eine Partnerschaft zuvor bereits gewaltbelastet, kontrollierend und demütigend war, dann besteht das größte Risiko für eine Tötung dann, wenn die betroffene Frau eine Trennungsabsicht äußert, sich trennt oder getrennt hat."
Wenn Frauen Gewalt erlebten oder davon bedroht seien, wendeten sie sich oft zunächst an Menschen aus dem nahen sozialen Umfeld, etwa Freundinnen oder Familienmitglieder. "Hier ist es sehr wichtig, dass die angesprochenen Vertrauenspersonen solidarisch und unterstützend reagieren", betonte Grieger. Nicht selten berichteten Betroffene jedoch, dass sie so etwas gehört haben wie "da gehören doch immer zwei dazu" oder "das kann ich mir gar nicht vorstellen, das ist doch so ein netter Kerl".
Grieger erläuterte: "Unterstützung bekommen Betroffene in Beratungsstellen. Dort arbeiten kompetente Spezialistinnen, die sich mit dem Thema auskennen und auch gemeinsam mit der Frau eine Abschätzung der Gefährdung vornehmen können." Bei großer Gefährdung könnten Frauen in ein Frauenhaus gehen, sofern sie einen Platz finden. "In Fällen akuter Eskalation und Gefahr sollte die Polizei hinzugezogen werden, sie ist für die akute Gefahrenabwehr zuständig."
Grieger wies darauf hin, dass die sogenannte Istanbul-Konvention - ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt - in Deutschland seit 2018 geltendes Recht sei. Aber leider gebe es das darin vorgesehene Gefährdungsmanagement in Deutschland bisher nicht flächendeckend.
So verlange das Übereinkommen, dass eine systematische Risiko- und Gefährdungseinschätzung vorgenommen werde, bei der alle relevanten Akteure - etwa Polizei, Jugendamt oder Beratungsstellen - gemeinsam die Gefahrenlage und das Risiko für die Frau und ihre Kinder abschätzen und dann passende Maßnahmen ergreifen. Doch das koste Geld, weil es personalintensiv sei, erklärte Grieger.
Auch kritisierte sie, dass sich das sogenannte Gewalthilfegesetz immer noch nicht im Gesetzgebungsverfahren befinde. "Nur ein solches Gesetz gekoppelt mit einem Aufwuchs an finanziellen Mitteln kann wirklich etwas an der täglichen Gewalt ändern, die an jedem zweiten Tag für eine Frau tödlich endet."
Als Reaktion auf die beiden Gewalttaten in Berlin hatte Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) betont, sie bereite das Gewalthilfegesetz derzeit vor - es solle allen Gewaltbetroffenen einen Anspruch auf Hilfe einräumen. "Das rettet Leben. Das wird auch Geld kosten, damit wir die Bundesländer unterstützen, mehr Prävention und Schutzplätze für Frauen bereitzustellen. Wir haben viel zu wenige davon", hieß es dazu von Paus.
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