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Fußgängerin mit Krücken überquert die Bismarckstraße in Berlin-Charlottenburg | Quelle: rbb

Verkehrspolitik

Leuchten die Ampeln für Fußgänger in Berlin lange genug grün?

Rot, grün und gleich wieder rot? Viele Fußgänger finden die Grünzeit der Berliner Ampeln zu kurz. Die Regelungen dahinter sind nicht jedem klar. Countdown-Ampeln sollen dabei helfen - doch es gibt bereits technisch bessere Lösungen. Von Juan F. Álvarez Moreno

Kaum leuchtet die Ampel grün, schon legen die Fußgänger los, um die Charlottenburger Bismarckstraße zu überqueren. Doch nach neun Sekunden ist es Schluss, die Ampel wird wieder rot. Es ist unmöglich, in der Zeit die fast 30 Meter von Bürgersteig zu Bürgersteig zu überqueren. "Man kommt leider nur bis zur Insel. Nicht weiter", sagt die Berlinerin Yeliz Conker einer rbb-Reporterin. Seit über 40 Jahren sei es so, sagt Conker. "Es nervt auf jeden Fall." Ähnlich sieht es ein anderer Passant, der es auch in der Zeit nicht schafft. "Das ist in Berlin überall so. Ich habe keine Lust, den Autos den Vorrang zu geben."

Viele Berlinerinnen und Berlinern sind mit der Hektik an den Berliner Ampeln unzufrieden. An ihrem Gefühl ist etwas dran, denn tatsächlich ist es gar nicht vorgesehen, dass Fußgänger bei Grün von einer Seite auf die andere kommen: In Berlin wird die Grünzeit oder Grünphase einer Ampel so bemessen, dass zwei Drittel der Furtlänge zurückgelegt werden können, wie die Senatsverwaltung auf Anfrage eines SPD-Abgeordneten im Jahr 2022 mitteilte. Den Rest der Strecke müssen Fußgänger oft während der sogenannten Räumzeit schaffen – der Zeitspanne, in der sowohl Fußgänger als auch Autos Rot haben.

Berlin

Krabbeln bis zum Kurzschluss: Ameisen legen Ampeln lahm

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Sollen Autos, Fußgänger oder der ÖPNV Vorrang haben?

Laut einer bundesweiten Richtlinie sollen Ampeln mindestens fünf Sekunden lang grün leuchten. Bei breiteren Straßen wird die Zeit so gemessen, dass Fußgänger es sicher bis zum Mittelstreifen schaffen. Lange Zeit ging man davon aus, dass langsame Fußgänger 1,2 Meter pro Sekunde zurücklegen. Inzwischen ist die Regelung in Berlin fußgängerfreundlicher geworden: Es wird mit einer Gehgeschwindigkeit von 1 Meter pro Sekunde gerechnet. Das sind 3,6 km/h. Allerdings wurden viele der insgesamt 2.155 Ampeln der Stadt noch nicht auf den neuen Wert umgestellt.

Für viele ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung ist die Grünzeit ohnehin zu kurz. Sie müssen einen Großteil die ganze Strecke bei Rot überqueren, was manchmal gefährlich werden kann.

"Die Ampeln sind in Berlin so geschaltet, dass der Autoverkehr priorisiert wird", kritisiert Ragnhild Sørensen, Sprecherin des Vereins Changing Cities, der sich für Fußgänger und Fahrradfahrer einsetzt. Sørensen plädiert für ein Modell, in den allen Verkehrsteilnehmern zurechtkommen sollten. Das Berliner Mobilitätsgesetz sehe vor, dass der ÖPNV, Fußgänger und Radfahrer den Vorrang haben sollten. Ein entsprechender Fußverkehrsplan, der für Februar vorgesehen war, sei bisher nicht vorgestellt worden, so Sørensen.

Längere Grünzeiten bedeuten längere Wartezeiten

"Wie lange die Grünzeiten sind, ist am Ende eine Abwägung an jedem Knotenpunkt", erklärt Christian Haegele, Abteilungsleiter des Berliner Verkehrsmanagements. An jeder Ampel müssen mögliche Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern analysiert werden. "Schwierig wird es, wenn man die Verkehrsarten gegeneinander abwägen muss", sagt Haegele. "Denn es ist so, dass der Fußverkehr etwas länger warten muss, wenn wir dem ÖPNV mehr Zeit zur Verfügung stellen."

Und kann man den Fußgänger nicht einfach ein paar Sekunden Grünzeit mehr geben? Haegele, der als eine Art "Ampel-Beauftragter" der Senatsverwaltung fungiert, glaubt nicht, dass es dann für Fußgänger zwingend bequemer wäre: Denn wird die Grünzeit einer Ampel erheblich verlängert, muss man es auch mit der Rotphase tun. Entsprechend länger dauert es, bis die Ampel wieder grün wird, wie Haegele sagt. "Wenn man nur kurz grün bekommt, dann dafür häufiger."

Ampel mit Countdown-Anzeige am Fehrbelliner Platz. Bild: rbb | Quelle: rbb

Countdown-Ampeln ändern Verhalten der Fußgänger nicht

Berlins ehemalige Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hatte im März angekündigt, dass ab 2024 die Berliner Ampeln schrittweise mit einem Countdown-System ausgestattet werden sollen. Vorgesehen ist keine Angabe in Sekunden, sondern die Darstellung mit weißen Balken auf schwarzem Hintergrund. Springt die Ampel auf Rot, schaltet sich der Countdown an. Damit sollen Fußgänger erkennen, wie viel Zeit noch bleibt, um die Straße zu überqueren. Ist der letzte Balken weg, haben die Autos Grün. Das System wurde bereits an mehreren Orten in Berlin getestet.

Die Berliner Countdown-Ampeln stoßen auf Kritik, vor allem weil die Umstellung sehr teuer werden könnte. Doch nicht nur die Kosten werden kritisiert: "Für die Verkehrssicherheit werden die Countdown-Ampeln keinen relevanten Beleg leisten", sagte Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. "Konkrete Erkenntnisse, ob es zu Verhaltensänderungen führt, haben wir nicht", sagt dazu Ampel-Experte Haegele. Immerhin: Die Countdown-Ampel würde abbiegende Fahrzeuge dafür sensibilisieren, dass Fußgänger regelkonform die Straße überqueren, obwohl die Ampel bereits rot ist.

Weißer Balken auf dunklem Hintergrund

Erste Berliner Ampeln bekommen Countdown-Anzeige noch 2024

Ampeln mit Wärmekameras und Radar in Friedrichshain

Die technologische Entwicklung von Ampeln ist in Berlin eine fast hundert Jahre alte Tradition: Am 15. Dezember 1924 ging der erste "Verkehrsturm" am Potsdamer Platz in den Betrieb. Als Vorbild dienten ähnliche Ampeln in New York und Detroit. Die erste Berliner Ampel wurde zuerst manuell von einem Polizisten bedient, doch bereits ab 1926 funktionierte die Schaltung automatisch.

Das ist bis heute auch so, denn die Grünzeiten der Berliner Ampel sind fest programmiert. An manchen Kreuzungen gelten zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Grünphasen, um beispielsweise in der Hauptverkehrszeit den Autos mehr Zeit zu geben. Außerdem gibt es in Berlin laut dem Verkehrsexperten Haegele immer mehr Ampeln mit einer verkehrsbedingten Steuerung. Die meisten von ihnen geben Bussen und Trams Priorität, bei anderen können Fußgänger einen Taster drucken.

Am Strausberger Platz in Friedrichshain wird seit 2023 eine etwas intelligentere Steuerung getestet. Dort kommen Wärmebildkameras und ein berührungsloser Radartaster zum Einsatz, die Fußgänger und Fahrradfahrer erkennen und die Grünzeiten der Ampel optimieren. Am Großen Stern in Tiergarten wird seit wenigen Monaten ein ähnliches System für Fahrradfahrer eingesetzt.

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KI-Ampeln werden bereits in Deutschland getestet

Doch technisch ist inzwischen viel mehr möglich: Im baden-württembergischen Ellwangen testet das Unternehmen Yunex Traffic auf einer zwei Kilometer langen Strecke Ampeln, die mithilfe einer Künstlichen Intelligenz (KI) gesteuert werden. Die Ampel registriert die Anzahl der Verkehrsteilnehmer und mit diesen Daten erstellt die KI-Signalpläne. Experten des Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung kamen bei einem Projekt in Nordrhein-Westfalen zu dem Ergebnis, dass durch KI-gesteuerte Ampeln die Wartezeit für Fußgänger um 30 Prozent reduziert werden kann.

In Berlin klingt das alles nach Zukunftsmusik, denn allein die Aufrüstung der Ampeln mit einem Countdown-System dürfte mehrere Jahre dauern. Die Kritik an den zu kurzen Grünzeiten wird wohl mit den neuen Ampeln nicht verschwinden.

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Sendung: rbb24 Abendschau, 10.09.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Juan F. Álvarez Moreno

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