Hochwasser-Alarm in Brandenburg
Sandsäcke, Deichläufer, Schutzwände: Im Osten Brandenburgs kämpfen Einsatzkräfte gegen Hochwasser. An drei Orten gilt die höchste Alarmstufe. Der Landrat von Oder-Spree hält die Lage aber für beherrschbar.
26.09.2024, 10:07 Uhr: Dieser Beitrag wird nicht mehr aktualisiert. Neue Entwicklungen zum Thema finden Sie hier.
Das Oder-Hochwasser in Ostbrandenburg rückt zunehmend an Häuser in Wohngebieten heran und überflutet Straßen. Bei höchster Alarmstufe 4 sind die Einsatzkräfte in Frankfurt (Oder), Eisenhüttenstadt und Ratzdorf im Dauerstress, um größere Flut-Schäden zu verhindern. Die Orte entlang des deutsch-polnischen Grenzflusses könnten nach bisheriger Einschätzung aber eher glimpflich davon kommen - auch im Vergleich zur Hochwasserkatastrophe 1997.
Dabei müssen die Einsatzkräfte darauf setzen, dass die Deiche, an denen erste Sickerstellen auftraten, den Wassermassen standhalten. In Südpolen hat sich die Lage nach schweren Überflutungen inzwischen leicht entspannt.
Zuletzt wurde in Frankfurt (Oder) am Mittwochnachmittag (15 Uhr) die höchste Hochwasser-Alarmstufe 4 ausgerufen. Der Oder-Pegelstand bewege sich hier derzeit nahe der 6-Meter-Grenze, teilte die Stadtverwaltung am Nachmittag mit. Oberbürgermeister René Wilke (parteilos) teilte mit, er rechne in den kommenden Stunden mit einem weiteren Anstieg, so dass der Höchststand in der Nacht zum Donnerstag erreicht sein dürfte.
"Schwierige Stunden liegen vor unserer Stadt. Ich gehe fest davon aus, dass die getroffenen Vorkehrungen ausreichend sind, die angespannte Lage zu bewältigen", sagte Wilke weiter. "Für die hohe Motivation und Kompetenz der Einsatzkräfte kann ich garantieren." Er hoffe sehr, dass ab Donnerstag eine Entspannung der Entwicklung eintrete.
Zunächst beobachtete ein rbb-Reporter Mittwochfrüh Wasser auch auf den Frankfurter Straßen, etwa im Buschmühlenweg. In der Nacht zu Mittwoch hatten sich an Spundwänden Risse gebildet, woraufhin der Holzmarkt von einer großen Menge Wasser überspült wurde. Laut Stadt brachten die Einsatzkräfte der Feuerwehr die Situation mithilfe von Sandsäcken und einer Hochleistungspumpstation unter Kontrolle.
Der Vorfall mache deutlich, "welch gewaltige Kräfte diesem Hochwasser innewohnen", sagte Oberbürgermeister Wilke. Das Betretungsverbot für sämtliche Hochwasserschutzanlagen sei unbedingt einzahlten. "Wer das ignoriert, bringt sich in Lebensgefahr."
In Eisenhüttenstadt wurde in der Nacht zu Mittwoch die höchste Hochwasser-Alarmstufe 4 erreicht. "Wir sind hochwassererprobt", meinte ein Anwohner. Auch beim dortigen Bürgermeister Frank Balzer (SPD) war keine Panik zu spüren, denn beim Hochwasser 1997 stand die Oder nach seinen Aussagen bei fast 7,20 Metern - fast 60 Zentimeter höher als aktuell. "Alles läuft gut", sagte Balzer.
Zuvor war dies bereits am Pegel Ratzdorf am Dienstagvormittag die höchste Warnstufe ausgerufen worden.
Beim Erreichen der höchsten Alarmstufe geht es um Katastrophenabwehr. Das bedeutet nicht automatisch, dass der Katastrophenfall gilt. Dennoch sind Einsatzkräfte und die Katastrophenschutzbehörde in erhöhter Alarmbereitschaft. Deichläufer rücken aus, um die Schutzdämme zu kontrollieren und Schäden zu melden. Feuerwehren und andere Hilfsorganisation sind im Einsatz.
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stieg am Mittwochnachmittag in wasserdichte Arbeitsschuhe, als er im Hochwassergebiet in Eisenhüttenstadt und dem nahe gelegenen Ratzdorf mit Helfern und Anwohnern sprach. Dort wurden Sandsack-Barrieren verstärkt, um Häuser zu schützen und undichte Stellen am Deich repariert. Woidke sagte, er rechnee damit, dass sich die Hochwasserlage gut bewältigen lasse.
Es sei momentan noch eine Situation, die auch mit den regionalen Kräften gut im Griff sei - "aber nur deshalb, weil Zigtausende Menschen hier bei uns im Land schon angepackt haben und weiter anpacken", sagte der Regierungschef. Das Technische Hilfswerk füllte Sandsäcke im Akkord. 1.500 Stück in einer Stunde - das sei kraftraubend, hieß es in Eisenhüttenstadt.
Der Landrat von Oder-Spree, Frank Steffen (SPD), pflichtete Woidke bei, dass die Einsatzkräfte die Lage gut bewältigen könnten. So hoch wie bei der Hochwasserkatastrophe 1997 dürfte das Wasser am Pegel Ratzdorf nach seiner Ansicht aber nicht steigen. Damals drohte das Örtchen Ratzdorf in der Flut unterzugehen. Inzwischen ist der Hochwasserschutz verbessert.
"Die Stimmung ist angespannt, aber ruhig, da wir ja rechtzeitig die Alarmstufen ausgerufen haben", sagte Steffen der Deutschen Presse-Agentur. "Wir sind mit technischen Vorbereitungen und Einsatzkräften in der Vorhand gewesen." Er habe das "gute Gefühl", dass Einsatzkräfte sofort reagieren könnten, wenn Probleme auftauchten, so Steffen.
Einsatzkräfte im Hochwassergebiet etwa bei Lebus im Kreis Märkisch-Oderland sind auch mit Booten unterwegs, um Treibholz aus dem Wasser zu holen. Eine Drohne sollte aufsteigen, um vor allem die Lage an Brücken aus der Luft zu beobachten, wie es in einer Mitteilung des Landkreises hieß.
In dem Ort Lebus, der nicht mit einem Schutzdeich gesichert ist, sind ufernahe Bereiche bereits überflutet. So musste etwa ein Restaurant mit einem Wall aus Sandsäcken vor dem Hochwasser der Oder geschützt werden. Das Wasser reichte bislang bis zum Gartenzaun. Auch Einfamilienhäuser stünden in dem Gebiet, "aber die Menschen dort kennen das Szenario und sind vorbereitet", sagte eine Sprecherin des Kreises.
Sorgen machen den Einsatzkräften im Hochwassergebiet offenbar Biber. Deichläufer melden den Angaben zufolge an den Deichen immer wieder Schäden, welche die Nager angerichtet hätten. Biber versuchen sich bei Hochwasser, wenn ihre Baue überflutet werden, teils auf oder in Deiche zu retten.
Der Biber sei zum Problem geworden, sagte Landrat Steffen. Für den Hochwasserschutz erlaubten es einige Oder-Regionen per Sonderregelung, dass Jäger die geschützten Tiere schießen. So wurden in Märkisch-Oderland in den vergangenen Tagen 25 Biber erlegt.
Der Meteorologe Frank Kaspar vom Deutschen Wetterdienst (DWD) sagte im rbb24 Inforadio, Deutschland müsse sich stärker auf Starkregen- und Hochwasserereignisse vorbereiten. Durch den Klimawandel müsse mit regelmäßigen sogenannten Jahrhunderthochwassern gerechnet werden. Eine neue Studie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Art von Ereignis durch den Klimawandel doppelt so wahrscheinlich geworden sei.
Kaspar sagte, die Ergebnisse der Studie deckten sich mit denen anderer Studien und mit den Messungen des DWD. Es sei zwar nicht in allen Fällen abschließend eindeutig geklärt, aber das Gesamtbild zeige, dass mit einer Zunahme der extremen Wetterereignisse gerechnet werden müsse. Dies sei bereits in vielen Weltregionen zu beobachten.
Es sei wichtig, in allen Teilen des Landes auf die mit Starkregen und Hochwasser einhergehenden Risiken vorbereitet zu sein, sagte Kaspar: "Es kann auch in einer Region, die zuletzt nicht von Ereignissen betroffen war, trotzdem zu einem Starkregenereignis kommen, was gravierende Schäden nach sich zieht." Deshalb sollte vorausschauend mit diesen Themen umgegangen werden. Hintergrund der Wetterextreme seien verschiedene physikalische Prinzipien. Durch Treibhausgase verbleibe mehr Energie in der Atmosphäre. Dadurch verdunste mehr Wasser über den Ozeanen, das dann als Niederschlag zu Starkregen und extremen Regenmengen führen könne.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.09.2024, 19:35 Uhr
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