Schwangerschaftsabbrüche
Ärzte helfen in der Uckermark Frauen aus Polen, die abtreiben wollen oder müssen. In ihrem Heimatland sind Schwangerschaftsabbrüche immer noch illegal. Die Mediziner gehen dabei ein Risiko ein: Die Stettiner Staatsanwaltschaft geht juristisch gegen sie vor.
Das Versprechen des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, nach seiner Amtsübernahme im vergangenen Dezember das Abtreibungsrecht in Polen zu liberalisieren, ist bisher nur ein Versprechen geblieben: Weil innerhalb seiner Regierungskoalition manche dagegen sind, Schwangerschaftsabbrüche in mehr Fällen als bisher zu erlauben, bleiben diese im Nachbarland fast komplett verboten. Das hat auch Auswirkungen auf Brandenburg, wo viele schwangere Frauen medizinische Hilfe suchen.
Die polnische Ärztin Maria Kubisa kümmert sich in der Mark um viele dieser Frauen. Sie leitet im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark) die Gynäkologie. Viele ihrer Patientinnen kommen aus dem nahen Stettin in Polen. Die dortige Staatsanwaltschaft geht juristisch gegen die Ärztin vor. Am kommenden Donnerstag wird ein Gerichtsverfahren am Amtsgericht Stettin gegen sie eröffnet.
Kubisa drohen laut dem Paragraf 152 des polnischen Strafgesetzbuches bis zu drei Jahre Haft für sechs Taten, die sie in Polen begangen haben soll – denn ihre Arbeit hierzulande ist nach deutschem Recht legal.
"Die Staatsanwaltschaft wirft Maria Kubisa sechs Straftaten vor, die darin bestehen, dass sie aufgrund finanzieller Vorteile den schwangeren Frauen beim Schwangerschaftsabbruch geholfen hat...", teilte die Staatsanwaltschaft Stettin mit.
Die Ärztin bestreitet die Vorwürfe: "Das ist eine Lüge", sagt sie. Es habe mehrere Situationen in der Pandemiezeit gegeben, in denen schwangere Frauen in Polen wegen geschlossener Apotheken und Krankenhäuser kaum Hilfe bekommen hätten. "Sie schwebten in Lebensgefahr." Der ärztlich begleitete Schwangerschaftsabbruch kostet den Patientinnen aus Polen in Prenzlau als Privatpatientinnen etwa 500 Euro. Sie selbst habe jedoch keinen Cent daran verdient, betont die Ärztin.
Eine der Patientinnen von Kubisa ist Marcelina*. Sie sei beim Arzt in Stettin nicht einmal untersucht worden. Man habe ihr stattdessen zur erneuten Schwangerschaft gratuliert, sagt die Frau. "Ich wusste in diesem Moment nicht, was ich denken sollte. Ich war unsicher nach dem Arztbesuch. Ich überlegte sogar, dieses Kind zur Welt zu bringen, aber ich hatte Angst. Ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte und das jetzt böse enden könnte." Wie die Patientin erzählt, hatte sie bereits viele Kaiserschnitte erlebt.
Das Gefühl der Frau bestätigte sich: Was sich schlecht anfühlte, war tatsächlich eine lebensbedrohliche akute Blutung im Unterleib. "Das, was ich in ihrem Bauch gefunden habe, das war eine direkte Lebensbedrohung. Wenn die Frau noch einen Tag länger gewartet hätte, wäre sie nicht mehr am Leben", sagt die Gynäkologin Kubisa. Die Patientin wäre ohne Hilfe verblutet, so die Ärztin.
Die Staatsanwaltschaft Stettin verfolgt auch den Mediziner Janusz Rudzinski, der sich seit Jahrzehnten mit Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigt. Jahrelang hat er in Prenzlau Schwangerschaftsabbrüche bei polnischen Frauen vorgenommen. Seit 2021 ist er freiberuflicher Frauenarzt in Schwedt (Uckermark) und gibt nur noch Online-Sprechstunden. Der deutsch-polnische Arzt im Ruhestand berät nun von Schwedt aus telefonisch polnische Patientinnen und vermittelt Termine im Krankenhaus Prenzlau. Auch das ist nach polnischem Recht strafbar.
"Nirgendwo in Europa gibt es solche Gesetze, nur in Polen. Die Polen halten sich für sehr fortschrittlich, modern usw. Aber das ist nicht wahr", sagt der 85-jährige Arzt. Er nennt das polnische Abtreibungsverbot, das seit 1993 gilt, und 2020 von der rechtsnationalen Partei PiS verschärft wurde, "mittelalterlich". Das Gesetz verletzte die Menschenrechte der Frauen.
Aktuell erlaubt Polen Abtreibungen nur noch im Fall von Inzest oder einer Vergewaltigung sowie bei einer eindeutigen Lebensgefahr für die Frau. Doch viele Ärzte würden sich auf eine Gewissensklausel berufen und sie nicht vornehmen, sagt Rudzinski.
Im vergangenen Juli versuchte Polens Premierminister Tusk, das zu ändern, doch er scheiterte. Ihm fehlten nur drei Stimmen im Parlament. Der 85-jährige Rudzinski will deswegen weiterhin etwas für die Frauen tun. "Ich bin bereit, sogar ins Gefängnis zu gehen, aber ich werde den Frauen weiter helfen. Ich bin Arzt und bin dazu verpflichtet", sagt der Arzt. "Das, was in Polen passiert, ist sehr betrüblich."
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.10.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Michael Lietz
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