Interview | Infektion an Berliner Schule
Die Impfung gegen Diphtherie gehört in Deutschland zu den Standardimpfungen für Kinder. Doch ein ungeimpfter Schüler aus Berlin ist nun erkrankt. Wie verbreitet und wie gefährlich die Krankheit ist, erklärt der Kinder- und Jugendarzt Jakob Maske.
rbb|24: Herr Maske, was ist Diphtherie für eine Krankheit?
Jakob Maske: Diphtherie ist eine Erkrankung, die wir eigentlich alle gar nicht mehr kennen, weil wir sie nicht mehr sehen, weil der Impfschutz gegen eine Diphtherie inzwischen eigentlich so gut ist, dass diese Krankheit nicht mehr auftritt.
Sie ist ziemlich variabel. Es gibt sie relativ lokal begrenzt und es gibt sie auch in einer septischen Form. Und die meisten Menschen kennen das noch als echten Krupp sozusagen, wo es eben eine schwere Atemnot gibt, wo die Kinder unter Umständen ersticken, weil eben die Infektion im Halsbereich so stark ist.
Was für Folgen kann das haben, gerade für Ungeimpfte?
Die Menschen, die eine Diphtherie bekommen, können sehr schwer erkranken und die Komplikationsrate ist sehr hoch. Es sterben tatsächlich eine ganze Reihe Kinder, die an Diphtherie erkranken. Wie gesagt, wir sehen eigentlich gar keine mehr. Nur die Ungeimpften haben eigentlich noch eine Chance, wirklich zu erkranken, weil der Herdenschutz auch so gut ist.
Wenn der Herdenschutz so gut ist - wie überlebt dann diese Krankheit überhaupt noch?
Es gibt natürlich andere Länder, wo die Impfsituation nicht so rosig ist wie in Deutschland, wo auch gegen Diphtherie zum Beispiel nicht so konsequent geimpft wird. Wir haben hier eine sehr hohe Durchimpfungsrate und dann gibt es eben durchaus Kontakte mit Menschen aus diesen Ländern, ob es jetzt Geflüchtete sind oder Reisende oder wie auch immer. Wenn man selber keinen Impfschutz hat, ist die Wahrscheinlichkeit eben sehr hoch, diese Krankheit zu bekommen und eben auch sehr schwer daran zu erkranken.
Wie kann man sie im Ernstfall behandeln?
Das ist eine schwierige Behandlung, weil diese Bakterien ein Gift bilden. Im Prinzip muss man das Gift bekämpfen. Da muss man sehr früh dran sein. Deutschland hat mehrere Zentralapotheken, die ein Antiserum vorrätig haben. Das ist etwas ganz Seltenes und muss schnell besorgt werden. Natürlich gibt es auch eine antibiotische Therapie. Aber tatsächlich ist zunächst immer die Sorge um die Atmung, dass die aufrechterhalten bleibt. Man muss also unter Umständen die Atemwege freihalten und intubieren. Es ist in der Regel immer eine intensivmedizinische Behandlung.
Haben Sie Erfahrungen gemacht, wenn es die Krankheit kaum noch gibt?
Ich bin jetzt seit Ende der 1990er Jahre Kinder- und Jugendarzt und habe in meinem ganzen Leben noch keine einzige Diphtherie-Erkrankung gesehen. Das zeigt, wie gut die Impfung damals schon gewirkt hat und auch weiterhin wirkt. Wir sehen gerade im Erwachsenenbereich immer mal wieder Fälle, die aus anderen Ländern kommen, wo eben schlechter geimpft wird. Das sind durchaus auch die sogenannten Ostblockländer.
Da sehen wir manchmal tatsächlich Diphtheriefälle in die Ambulanzen schwappen. Aber im Kinderbereich gibt es das so gut wie gar nicht. Insofern haben die meisten Kollegen und Kolleginnen noch nie eine Diphtherie gesehen - zum Glück.
Der Impfschutz kann mit der Zeit auch nachlassen und viele haben das irgendwann nicht mehr auf dem Schirm, dass das vielleicht auch eine Gefahr sein kann.
Ja, wir empfehlen die regelmäßige Auffrischung der Diphtherie-Impfung alle zehn Jahre, sodass eigentlich auch jeder Erwachsene immer noch schauen muss, habe ich einen aktuellen Impfschutz hat gegen Tetanus, gegen Diphtherie, unter Umständen, wenn ich vielleicht Enkelkinder habe, auch gegen Keuchhusten. Insofern sollte jeder tatsächlich einen ausreichenden Impfschutz in Deutschland haben. Das ist durchaus möglich und in der Regel dann auch vorhanden.
Jetzt macht der Fall die Runde von einem zehnjährigen Jungen aus Spandau, der wohl keinen Impfschutz hat und jetzt da behandelt werden muss im Krankenhaus. Das sieht dann nicht so gut aus, oder?
Natürlich kann ich über den aktuellen Fall nichts sagen, aber wir impfen ja die Kinder, damit sie die Erkrankung nicht bekommen. Es ist also wenig verwunderlich, dass, wenn ein Kind nicht geimpft ist, eben auch diese Erkrankung bekommen kann.
Insofern kann man in dem Fall nur sagen, dass offenbar gegen jegliche Empfehlungen dieses Kind nicht geimpft wurde. Dann besteht, was wir immer sagen, die Gefahr, dass man schwere Erkrankungen bekommt, die sehr schwer zu behandeln sind, die sehr viele Komplikationen machen und häufig auch zum Tode führen.
Insofern kann ich nur appellieren, sich an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu halten und die Impfungen, die dort empfohlen sind, auch durchzuführen, damit wir diese Erkrankung weiterhin nicht mehr in unserem Leben sehen.
Sie haben 2022 in einem Interview, das war noch so die Corona-Ausläufer, gesagt, dass es keine großen Impfeinbrüche gibt, die Sie beobachten. Ist das nach wie vor so, was diese, ja ich sag mal, grundlegenden Kindheitsimpfungen angeht?
Ja, wir sehen weiterhin eigentlich überwiegend Eltern, die ihre Kinder gegen diese schweren Erkrankungen schützen. Natürlich gibt es immer mal Eltern, die das auch mal vergessen, dann werden sie bei der nächsten Vorsorge daran erinnert. Im Prinzip besteht eine sehr gute Impfbereitschaft. Aber wir haben weiterhin - vor und nach Corona - eine gewisse Anzahl von ungefähr ein bis zwei Prozent der Eltern, die Impfungen nicht gut finden, die auch die Grundimpfungen bei ihren Kindern nicht durchführen. Diese Kinder sind natürlich gefährdet, an diesen Krankheiten zu erkranken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Jakob Maske führte Carl Winterhagen für rbb24 Inforadio. Der Text ist eine redigierte Fassung. Das Gespräch kann auch oben im Audio-Player nachgehört werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.10.2024, 17:10 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen