Fall Kantstraße
Der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße soll aus Brandschutzgründen seinen Platz mit den links daneben parkenden Autos tauschen. Radfahr-Verbände kritisieren das. Droht anderen Pop-up-Radwegen Berlins das gleiche Schicksal?
Auf der Kantstraße können Radfahrende aktuell auf einem geschützten Radweg fahren. Er wurde vor rund vier Jahren als Pop-up-Radweg unter dem rot-rot-grünen Senat geschaffen.
Das Besondere: Obwohl der Radweg durch eine Straße mit viel Autoverkehr führt, düsen hier an den Radfahrenden keine SUVs oder Kleinwagen direkt vorbei. Dieser Radweg liegt eingebettet zwischen Bürgersteig und parkenden Autos. Also von rechts nach links: Gehweg, Radweg, Parkstreifen und dann die Spur für den fließenden Autoverkehr.
Doch das soll sich nun ändern: Die parkenden Autos und der Radweg sollen die Plätze tauschen. Laut Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) ist der Radweg zu schmal für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr: Im Falle eines Brandes könnte sie keine Drehleiter aufstellen und Menschen aus den oberen Stockwerken retten.
Doch von der Idee, den Radweg und die parkenden Autos die Plätze tauschen zu lassen, hält Karl Grünberg gar nichts. Er ist Pressesprecher des Landesverbands Berlin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). "Dadurch entsteht eine große Gefährdung der Radfahrenden, dies sich dann wieder ungeschützt auf der Kantstraße befinden würden", sagt Grünberg.
Die Kantstraße habe aber unter anderem ein großes Raser- und Poserproblem, bemängelt Grünberg. "Der Radstreifen wäre die einladende, zweite Spur für die Rennen. Außerdem gäbe es dann wieder das Problem mit den Zweite-Reihe-Parkern. Dann müssten sich die Radfahrenden wieder in den fließenden Verkehr eingliedern, was gefährlich für sie ist." Er sehe keinen vernünftigen Grund, warum die Radfahrer gefährdet werden sollten. "Man muss sich fragen, was ist dem Senat wichtiger: die Gefährdung von Parkplätzen oder die von Radfahrenden?"
Grünberg ist überzeugt: "Sicherheit für Radfahrende und genug Platz für die Feuerwehr geht zusammen, man muss es nur wollen."
Tatsächlich scheint die Feuerwehr auch andernorts Platzprobleme durch zu enge oder zugeparkte Straßen zu haben - unabhängig von Radwegen.
So heißt es zum Beispiel von der Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck aus Tempelhof-Schöneberg, eine Abfrage bei der Berliner Feuerwehr habe ergeben, dass es große Defizite in den Nebenstraßen des Bezirks gebe. "Insbesondere in den dichten Wohngebieten wird die Mindestbreite auf den Straßen zum Teil unterschritten", erklärte Ellenbeck. Die Feuerwehr melde regelmäßig Straßen mit besonders gravierenden Mängeln. "Der zuständige Fachbereich prüft daraufhin die Situation vor Ort und erlässt entsprechende Maßnahme. So wurde beispielsweise in diesem Monat die Parkordnung in der Werfelstraße geändert. Außerdem hat die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Handjerystraße auch zur Verbesserung der Situation für die Feuerwehr geführt", sagte die Bezirksstadträtin.
Wann der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße den Platz mit den parkenden Autos tauschen soll, ist noch nicht klar. Der für Straßen zuständige Bezirksstadtrat Oliver Schruoffenegger (Bündnis90/Die Grünen) sagte der rbb24 Abendschau kürzlich, er habe noch keine verkehrsrechtliche Anordnung des Senats erhalten, auch keine Förderzusage. Es gebe dementsprechend noch keine Ausschreibung. Außerdem sehe er es als problematisch an, eine neue Fahrbahn-Markierung im Winter aufzubringen, weil die Farbe nicht hält.
Auch in der Bülowstraße und der Kleiststraße in Tempelhof-Schöneberg, der Stromstraße in Mitte, der Hermannstraße in Neukölln und dem Kottbusser Damm, der Kottbusser Straße und der Lichtenberger Straße in Friedrichshain-Kreuzberg sind Radwege so angelegt wie in der Kantstraße. Dass sie aus Brandschutzgründen das gleiche Schicksal ereilt, scheint aber unwahrscheinlich.
Vom Bezirk Mitte hieß es, man habe "die Belange der Feuerwehr, insbesondere die Aufstellflächen für Hubrettungsgeräte berücksichtigt". Auch Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck aus Tempelhof-Schöneberg versichert, dass man die Bedürfnisse der Feuerwehr beim Anlegen der Radwege in der Bülow- und Kleiststraße bereits eingerechnet habe. Auch von den Bezirksämtern Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln heißt es, dass keine Beschwerden der Feuerwehr vorliegen würden.
Auf die Frage, ob der Feuerwehr für diese Radwege Brandschutzprobleme bekannt seien, teilte die Pressestelle der Berliner Feuerwehr schriftlich mit: "Die Berliner Feuerwehr ist in dieser Sache nicht die aktenführende Stelle und kann daher leider keine Aussage treffen, da uns die Informationen zu dem in der Baugenehmigung beauflagten Rettungswegkonzept nicht vorliegen."
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.10.2024, 19:30 Uhr.
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