Hochwasserschutz in der Prignitz
Wie steht es um die Deiche vor dem Winter, wo gibt es Handlungsbedarf? Darum ging es bei der Deichschau in der Prignitz und es wurde klar: Nicht das Wasser bereitet Sorgen, sondern das fehlende Geld. Von Björn Haase-Wendt
Der Wind pfeift über den Elbdeich bei Wentdorf nahe Wittenberge (Prignitz), Gänse ziehen am Himmel entlang und aus dem Deich schaut eine riesige Metallspundwand. Auf gut 600 Metern wird der Elbdeich seit Ende Mai saniert. Vor zwei Jahren wurden hier tiefe Risse festgestellt, die nicht ohne weiteres gestopft werden konnten.
"Die Spundwand ist fertiggestellt, damit ist die Hochwassersicherheit schon da", sagt Bernd Lindow, Leiter der Unteren Wasserbehörde des Prignitz-Kreises. Nun wird der Deichkörper sowohl von der Land- als auch von der Wasserseite neu aufgebaut. Rund 3,3 Millionen Euro werden investiert, voraussichtlich im Mai 2025 sollen die Arbeiten hier abgeschlossen sein.
Auch einige Kilometer weiter flussabwärts wird kräftig gebaut – in Müggendorf. Das Dorf an der Elbe hat auf über 500 Metern eine neue Hochwasserschutzwand bekommen, die in den Erdboden gepresst wurde. Der oberirdische Teil wird derzeit betoniert und verklinkert, erläutert Marko Oelze vom Landesumweltamt Brandenburg.
Voraussichtlich zum Jahresende sollen die Bauarbeiten am Hochwasserschutz dort beendet werden. Damit ist das Dorf künftig für ein Hochwasser von bis zu acht Metern am Pegel Wittenberge gerüstet. Allein für den Hochwasserschutz werden hier über vier Millionen Euro verbaut.
Auch in Mödlich bei Lenzen starten jetzt Deichsicherungen. Im Ort ist nach Untersuchungen der steile Deich zwischen einem Elbaltarm und dem "Wilkens Brack" nicht mehr ausreichend standsicher. Dort wird für rund 1,3 Millionen Euro eine sogenannte Berme errichtet, ein breiter erhöhter Randstreifen am Deichfuß.
Der Hochwasserschutz in der Prignitz kommt also voran. 99 Prozent aller Elbdeiche im Nordwesten Brandenburgs sind saniert, sagt Oelze. Allerdings auf ein Bemessungshochwasser für ein "hundertjährliches Hochwasser" am Pegel Wittenberge von 7,45 Meter. Mittlerweile wurden die Werte für solch ein starkes Hochwasserereignis auf 7,99 Meter angehoben und hier sieht es schon schlechter aus. "Knapp 28 Prozent der Elbdeiche in der Prignitz werden Ende des Jahres dieses Maß erreichen", so Oelze.
Insgesamt blicken die Experten des Landesumweltamtes, der Wasser- und Naturschutzbehörden, des Katastrophenschutzes und der Bundeswehr aber optimistisch in Richtung Winter. Die Elbdeiche seien in einem guten Zustand, daran habe auch das leichte Hochwasser im September nichts geändert.
Damals stiegen infolge der heftigen Regenfälle in Tschechien und Polen auch in Brandenburg die Pegel – an der Elbe aber nicht so stark wie an der Oder. So wurde am Elbpegel in Wittenberge nur kurzzeitig mit einem Wasserstand von 4,60 Meter der Grenzwert der Alarmstufe 1 erreicht. "Das ist nichts, wo wir uns Sorgen machen müssen, dass die Deiche großartig Schäden davontragen“, sagt Stefan Blechschmidt vom Landesumweltamt. Vielmehr sind es Biber, Nutria und Wildschweine, die für Schäden sorgen. "Die Wildschweine ziehen jetzt aus den abgeernteten Maisfeldern ins Grünland und damit auch auf die Deiche. Das müssen wir kurzfristig im Auge behalten und die Schäden immer gleich beseitigen", so Blechschmidt.
Auch der Regen habe für eine gute kräftige Grasnarbe gesorgt, die für eine Standsicherheit der Deiche von Bedeutung ist. Das Hochwasser habe zwar etwas Treibgut angespült, das bleibe aber vorerst am Ufer liegen. Denn die Experten erwarten im Winter wieder ein Hochwasser, dass weiter Baumstämme, Äste und Co. anspülen könnte.
Sorgenvoller blicken die Experten in die langfristige Zukunft. Denn der Bund hat seine Gelder für den Hochwasserschutz – die sogenannten GAK-Mittel – gekürzt. In der Prignitz hat das erste Auswirkungen: So sollen bei Wittenberge in den kommenden Jahren der Linden- und der Königsdeich erneuert werden.
Doch schon für die Planungen fehlt das Geld. "Wie das künftig wird, kann ich nicht sagen. Durch den Bundeshaushalt wird weniger Geld zur Verfügung gestellt. Wir versuchen nun, auf europäische Fördermittel auszuweichen. Aber wir merken natürlich die Einschränkungen", sagt Marko Oelze vom Landesumweltamt. Für den Leiter der Unteren Wasserbehörde in der Prignitz sind das keine guten Nachrichten.
Für den Hochwasserschutz sei die vergangenen Jahrzehnte das Geld vorhanden gewesen. Dass es jetzt zu Kürzungen komme, sei kaum zu verstehen, sagt der Leiter der Wasserbehörde Bernd Lindow. "Das ist wirklich eine neue Entwicklung, die einen so ein bisschen sprachlos macht." Es müsse nun geschaut werden, ob die Politik reagieren kann, so der Leiter der Unteren Wasserbehörde weiter.
Dass sich die erheblichen Investitionen lohnen, habe ich sich beim jüngsten Hochwasser an der Oder gezeigt. An den dort sanierten Deichabschnitten musste in einem deutlich geringeren Umfang mit Sandsäcken und Co. nachgeholfen werden, sagt Stefan Blechschmidt vom Landesumweltamt: "Wir müssen ja aus der Situation herauskommen, immer wieder mit unglaublich vielen Einsatzkräften, unglaublich viel Material, Stress und letztendlich auch Angst so eine Situation zu überstehen."
Das Hochwasser vor gut drei Wochen hat laut Blechschmidt auch neue Erkenntnisse gebracht: Zum einen, dass ein Hochwasser nicht nur im Winter droht. Zum anderen, dass auch die beiden großen Flüsse Elbe und Oder in Brandenburg zeitgleich betroffen sein können, was im Ernstfall die Einsatzkräfte personell und auch von den Ressourcen her an die Belastungsgrenze bringen kann.
Beitrag von Björn Haase-Wendt
Artikel im mobilen Angebot lesen