rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: rbb|24 | 04.10.2024 | O-Ton aus dem Interview mit Ann-Kathrin Fritsche | Quelle: picture alliance/dpa/K.Kraemer

Interview | Tierärztin zu Katzen an Leinen

"Wer mit seiner Katze rausgeht, sollte das in ihrem Sinne tun"

Es scheint ein neuer Social-Media-Trend zu sein: mit einer Katze an der Leine spazieren zu gehen. Aber mögen Katzen das überhaupt? Und worauf sollte man besonders achten, wenn man sie ausführt? Antworten von Tierärztin Ann-Kathrin Fritsche.

rbb|24: Hallo Frau Fritsche. Was denken Sie, sind Katzen an der Leine die besseren Hunde?

Ann-Kathrin Frische: Das glaube ich nicht. Katzen an der Leine zu führen ist ein schwieriges Thema. Bei manchen Katzen klappt das tatsächlich sehr gut. Die merken, dass sie dadurch mehr Freiheiten gewinnen und genießen es, draußen herumschnüffeln zu können. Doch viele Katzen haben damit gerade am Anfang wirklich Schwierigkeiten.

Zur Person

Tierärztin

Welche Tiere kann man noch an der Leine rumführen?

Ich habe es schon häufiger bei Kaninchen gesehen. Da waren es Teenager, die die Tiere an der Leine hatten und sie haben es wirklich gut gemacht. Die Tiere, die wirklich gut an das Geschirr gewöhnt waren, können so etwas herumschnüffeln und etwas Gras fressen.

Katzen an der Leine zu führen scheint ein Trend zu sein. Ist das nur ein Social-Media-Hype oder machen das wirklich mehr Leute?

Das ist ein Trend geworden. Ich habe sogar schon einmal eine Katze in der Tierarztpraxis an der Leine gesehen. Da haben wir dann aber mit dem Halter gesprochen und darauf hingewiesen, dass das unsicher ist. Da sind Hunde im Wartezimmer, da ist es laut – das ist für Katzen einfach ein unheimlicher Stressmoment. Da sind sie im Katzenkorb wirklich besser aufgehoben und geschützter.

Hunde haben Sie schon angesprochen. Welche Gefahren gibt es für eine Katze an der Leine noch?

Hunde gelangen im Zweifelsfall schnell sehr nah an die Katze – und das ist beängstigend für sie. Katzen sind außerdem grundsätzlich ortstreue Tiere. Wenn man da bei einem Ortswechsel zu schnell vorgeht oder da laute Geräusche sind, ist löst das bei den Katzen Stress aus. Sie können dann leicht mit Flucht reagieren und sich losreißen. Die Umweltgeräusche, die die Katze in der Wohnung oder dem geschützten Balkon gefiltert mitkriegt, können also zu großen Angstreaktionen führen.

Wenn man das dennoch mit seiner Katze machen will – wie sollte man vorgehen?

Ich würde mir als erstes überlegen, warum und mit welchem Ziel ich das machen will. Danach sollte man sich seine Umgebung noch einmal genau anschauen. Vielleicht gibt es einen begrünten Innenhof, der ein sicherer Ort sein könnte, um das durchzuführen. Wenn das Langzeitziel ist, die Katze mit in den Park zu nehmen, stellt sich die Frage, ob das wirklich sinnvoll ist oder ob die Katze da nur mehr Stress hat. Vielleicht gibt es in diesem Fall fußläufig einen kleineren geschützten Grünstreifen, wo man keine großen Wege machen muss. Dann könnte die Katze diesen Ort in Ruhe kennenlernen.

Darüber hinaus kann man der Katze sowieso nicht einfach das Geschirr anziehen und sofort losgehen. Man muss eine Geschirr- und eine Leinengewöhnung machen. Das Ganze fängt also erstmal in der Wohnung an und es wird eine ganze Weile dauern, bis man überhaupt mal einen Schritt ins Treppenhaus wagen kann.

Am Ende kommt noch eine Überlegung dazu. Man muss sich fragen, ob man es wirklich will, dass die eigene Katze an der Leine im Treppenhaus und an der Straße läuft. Oder ob es nicht besser ist, die Katze im Geschirr in einer blickdichten, geschützten Tragebox auf die grüne Wiese zu tragen. Dann kann man dort die Leine dranmachen. Dabei muss man natürlich aufpassen, dass sie nicht ausbüxt.

Das lernt die Katze dann auch. Sie weiß dann, dass es nach einer gewissen Zeit auf der Wiese wieder in den Katzenkorb geht uns sie wieder sicher nachhause transportiert wird.

Könnte man statt des Katzenkorbs auch – das sieht man bei Social Media verstärkt – einen Rucksack mit durchsichtiger Front nehmen?

Das halte ich nicht für katzengerecht. Ein Rucksack mit so einem Bullauge – da gab es auch gerade einen Kinofilm, in dem das zu sehen war – bedeutet einen unheimlichen Stress für die Katze. Da schauen fremde Menschen rein und der Rucksack ist oft aus weichem Material, das sich bewegt. Die Katze hat dann nicht die sichere Höhle, die sie braucht.

Kann man denn mit einer Katze, wenn man sie entsprechend gewöhnt hat, Gassi gehen wie mit einem Hund und richtig Strecke machen?

Auf gar keinen Fall. Es ist nicht so, als würde man mit einem Hund spazieren gehen. Wer mit seiner Katze rausgeht, sollte das im Sinne der Katze tun. Da geht es dann um einen ruhigen Bereich, wo die Katze herumschnüffeln und sich wälzen kann. Es geht darum, dass sie Außeneindrücke sammeln kann, ohne überfordert zu werden. Das Spazierengehen mit einer Katze an der Leine an der Straße halte ich für ein menschliches Bedürfnis. Da geht es darum, gesehen zu werden. Das hat nichts damit zu tun, dass man der Katze etwas Gutes tut.

Apropos im Sinne der Katze. Ist jede Katze dafür geeignet, angeleint mit nach draußen genommen zu werden?

Da muss man ganz individuell schauen, was für eine Katze man hat und was man ihr bieten kann. Es gibt Katzen, die in der Wohnung sehr glücklich und ausgeglichen sind. Sie hätten im Zweifelsfall mehr Angst als Gewinn draußen.

Es gibt aber auch Katzen, die unheimlich unternehmungslustig sind. Für die wäre Freigang unheimlich schön. Geht man mit diesen Katzen an der Leine raus, kann das auch umschlagen. Es kann passieren, dass sie wirklich nicht mehr rein wollen. Diese Katzen sind im Zweifelsfall dann zuhause total unglücklich.

Wie würde die Katze das zeigen?

Sie würde unruhig werden, an der Tür kratzen und sehr laut vokalisieren – also miauen. Es kann auch sein, dass sie Protestverhalten zeigt, indem sie in die Wohnung uriniert.

Und woran würde man erkennen, dass sich eine Katze an der Leine draußen nicht wohl fühlt?

Wenn eine Katze das nicht genießt oder nicht mag, löst sie sich auf der Wiese nicht wirklich von ihrem Besitzer, sondern bleibt stark in der Nähe. Sie geht dann nicht in exploratives Verhalten, schnüffelt wenig, erkundet draußen wenig. Man könnte auch zuhause merken, dass sie das Geschirr-anziehen vermeidet.

Weltkatzentag

"Katzen sind das einzig Lohnende auf der Welt"

Sie ist das mit Abstand beliebteste Haustier: Gut 15 Millionen Stubentiger leben in Deutschland, 170.000 sollen es alleine in Berlin sein. Katzenliebhaberin Maria Ossowski mit einer Hommage an ihre Fellpersönlichkeiten.

Viele Katzenbesitzer wollen mit dem Leinen-Erlebnis vermutlich das Leben ihrer Wohnungskatze verbessern. Ist es überhaupt vertretbar, eine Katze nur in der Wohnung zu halten?

Es ist total in Ordnung, eine Katze in der Wohnung zu halten. Wenn man ihre Bedürfnisse dabei befriedigt. Man sollte schauen, dass man genügend Klettermöglichkeiten für sie hat. Da reicht ein Standardkratzbaum nicht aus. Katzen wollen deckenhoch klettern und vertikal an der Wand – vielleicht über eine Hängematte – über unterschiedliche Ebenen laufen oder auch rennen können. Auch die Bedürfnisse hinsichtlich des Jagdverhaltens der Katze kann man abdecken. Allein, indem nicht die ganze Zeit der Futternapf gefüllt dasteht. Sondern, indem man eine Art Futter-Tour macht. Da kann die Katze wirklich suchen – und damit ein bisschen jagen. Wenn die Katze erstmal weiß, dass sie in der ganzen Wohnung nach ihrem Futter schnüffeln und suchen muss, hat sie eine wirklich gute und artgerechte Beschäftigung.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Artikel im mobilen Angebot lesen