Asylantrag vor einem Jahr abgelehnt
Brandenburgs Innenminister Stübgen nennt weitere Details zum Terrorverdächtigen, der am Samstag in Bernau festgenommen wurde. Der Libyer war demnach seit einem Jahr ausreisepflichtig.
Der Asylantrag des am Samstag in Bernau festgenommenen Terrorverdächtigen ist bereits im Spätsommer 2023 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgelehnt worden. Das bestätigten der Landrat Daniel Kurth (SPD) und Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) dem rbb.
Der 28-jährige Libyer war Ende 2022 nach Deutschland eingereist und wurde dann über das Verteilverfahren dem Brandenburger Landkreis Barnim zugeteilt. Im Januar 2023 habe er dort einen Asylantrag gestellt, der im September 2023 "vollumfänglich abgelehnt" wurde, sagte Stübgen am Montag dem rbb.
Die Nachrichtenagentur dpa hatte bereits am Sonntag berichtet, der Mann habe nicht gegen die Ablehnung geklagt.
Der Libyer wurde am Samstag in Bernau in einer Asylbewerberunterkunft festgenommen. Am Sonntag wurde in Karlsruhe Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin-Wilmersdorf geplant zu haben. Er soll die Terrororganisation Islamischer Staat unterstützen und mit einem ihrer Mitglieder in Verbindung gestanden haben. Die Unterkunft soll nach rbb-Informationen ein Wohnheim im Bernauer Ortsteil Waldfrieden sein.
Laut Landrat Kurth sei er zuvor nicht auffällig gewesen. Wieso er trotz des abgelehnten Asylantrags nicht abgeschoben wurde, ist noch nicht eindeutig geklärt. Kurth sagte dem rbb, er habe eine Duldung gehabt. Das liege daran, dass der Verdächtige keine Passpapiere besessen habe und diese schwer zu beschaffen gewesen seien. Die Duldung soll laut Landkreis im November 2023 eingesetzt haben und sei bis Ende 2024 gültig gewesen. Dem entgegen steht eine Aussage von Innenminister Stübgen. Dieser sagte dem rbb, die libysche Identität des Mannes sei "eindeutig" gewesen. Er habe Papiere gehabt.
Stübgen sagte, es sei derzeit allerdings nicht möglich, nach Libyen abzuschieben. "Es gibt keine internationalen Flugverbindungen, es ist ein Bürgerkriegsland, wir können weder begleitete Abschiebung machen, noch unbegleitete, noch Abschiebeflüge organisieren", so Stübgen. Dies bestätigte auch der Landkreis: "Eine Einzelmeldung an die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH) war nicht vorgesehen und ist zu diesem Zeitpunkt [nach der Ablehnung des Asylantrags, Anm. d. Red.] nicht erfolgt – dies auch vor dem bereits beschriebenen Hintergrund, dass eine Rücküberführung nach Libyen auch seinerzeit als aussichtslos zu bewerten war."
Eine Lösung hätte, so Stübgen, die freiwillige Rückreise sein können. Man habe in Brandenburg einzelne Fälle von Libyern gehabt, die freiwillig in ihr Land zurück gereist seien, so Stübgen. In der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) gebe es eine entsprechende Beratung, dafür wäre der Mann "ein Kandidat gewesen", so der Innenminister weiter. Allerdings - so der Innenminister - sei die Ausländerbehörde des Landes erst Ende Juli dieses Jahres vom Landkreis über den Fall informiert worden, also fast ein Jahr nach Ablehnung des Asylantrags.
Landrat Kurth sagte, man habe das Land informiert und die erforderlichen Daten an die Zentrale Ausländerbehörde weiter gegeben. Der Landkreis bestätigte, dass die Daten im Juli 2024 an die ZABH übermittelt worden seien - nach einer Abfrage des Innenministeriums.
Zuvor habe "die Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen" bei der Ausländerbehörde des Landkreises Barnim gelegen, so der Landkreis. Im Mai 2024 habe sich die Zuständigkeit dann geändert - die ZABH war in der Verantwortung. Fazit des Landkreises: "Verfahrensfehler seitens der Ausländerbehörde des Landkreises Barnim können wir im vorliegenden Fall nicht erkennen."
Der Verdächtige soll über einen Messengerdienst in Kontakt mit einem Mitglied des IS gestanden und sich über Anschlagspläne ausgetauscht haben. Wie real die Gefahr für die israelische Botschaft tatsächlich war, ist allerdings noch unklar. Allerdings spreche das schnelle Vorgehen der Sicherheitsbehörden zumindest dafür, dass seine Ankündigungen sehr konkret gewesen seien, sagt ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten in der Asylbewerberunterkunft wurden nach ARD-Informationen keine Schusswaffen, möglicherweise jedoch andere Waffen gefunden.
Neben der Unterkunft des verhafteten Mannes waren am Samstagabend auch eine Wohnung im Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen durchsucht und in Sankt Augustin bei Bonn Zeugen befragt worden. Offenbar soll der Mann geplant haben, sich nach dem Anschlag über einen Zwischenstopp in Sankt Augustin ins Ausland abzusetzen.
Den Hinweis, der zur Festnahme führte, hatten ausländische Geheimdienste gegeben. Der Brandenburger Innenminister Stübgen fordert deshalb weitreichendere Befugnisse für deutsche Sicherheitsdienste. Brandenburg habe in den letzten zehn Monaten drei Fälle gehabt, in dem die Behörden einen geplanten Anschlag verhindern konnten. In allen drei Fällen hätte man nur durch ausländische Geheimdienste Hinweise zu den geplanten Taten bekommen.
Die Zusammenarbeit befreundeter Dienste sei zwar normal und wichtig, dennoch zeige das, "dass die gesetzlichen Möglichkeiten unserer Nachrichtendienste nicht ansatzweise ausreichen, um der wachsenden Terrorgefahr in diesem Land zu begegnen", sagte Stübgen. Er fordert deshalb, dass die deutschen Behörden insbesondere bei der Gesichtserkennung und mit der sogenannten Vorratsdatenspeicherung weitere Befugnisse erhalten sollen.
Sendung: Brandenburg aktuell, 21.10.2024, 19:30 Uhr
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