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Aal gewinnt Wahl
Früher waren europäische Flüsse voller Aale. So voll, dass Bauern sie als Hühnerfutter und Dünger verwendeten. Heute gilt der Aal international als Delikatesse – und als vom Aussterben bedroht. Auch in Brandenburg läuft es für den Aal alles andere als glatt.
Um bis nach Brandenburg zu kommen, nehmen die Aale eine halbe Weltreise auf sich:
Sie schlüpfen in der Sargassosee, einem Meeresgebiet im Nordatlantischen Ozean, östlich von Florida und südlich der Bermuda-Inseln. In ihren ersten Lebensjahren lassen sich die Aal-Larven etwa 6.000 Kilometer durch den Golfstrom Richtung Europa treiben. Auf ihrem Weg entwickeln sie sich in sogenannte Glasaale: durchsichtige, etwa fingerlange, wurmartige Fischchen.
Wenn sie auf dem Weg durch den atlantischen Ozean nicht hungrigen Raubfischen, Haien oder Walen zum Opfer fallen, kommen sie etwa zwei Jahre nach ihrer Abreise an den europäischen Küsten an. Die Suche nach einem neuen Zuhause beginnt: Bodensee, Zürichsee, Gardasee, oder doch lieber Spremberger Stausee? Auch Spree, Havel, Dahme oder Finowkanal sind geeignete Lebensräume für den Aal.
Diese weite Reise ist ganz natürlich vorprogrammiert, aber störanfällig: Wasserwerke, Dämme, Düngemittel und Folgen des Klimawandels machen dem Aal Probleme. Auch Wilderei setzt dem Aal-Bestand zu. Die jungen Glasaale werden vor den europäischen Küsten von Wilderern gefangen und für hohe Preise nach Asien geschmuggelt. Eine Delikatesse.
So schaffen es immer weniger Aale von allein bis in deutsche Flüsse, Kanäle und Seen. An Küstenabschnitten in der Nordsee wurden 2021 nur noch 0,6 Prozent des Glasaalbestands erfasst, der noch in den 1960er und 1970er Jahren registriert wurde. In den übrigen überwachten Gebieten in Europa waren es noch 5,4 Prozent. Das berichtet der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES).
Auch in Brandenburg ist der Aal-Mangel längst spürbar: Manfred Melack ist über 70 Jahre alt. Vor knapp 30 Jahren hat er am Wolziger See in Heidesee seine Fischerei eröffnet: “In meinen ersten Jahren habe ich hier noch 400-500 Kilogramm Aale im Jahr geangelt, dieses Jahr hat mein Sohn nur noch 200 Kilogramm herausgezogen”. Und das, obwohl 2024 ein gutes Aal-Jahr gewesen sei, in den letzten Jahren soll der Fang noch kleiner ausgefallen sein.
Auch Uwe Brämick, Leiter des Instituts für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow bestätigt den niedrigeren Bestand. In zwei Jahrzehnten sei die Zahl der Aale, die von ganz allein nach Brandenburg kommen, drastisch gesunken. Seit zehn Jahren sei sie auf einem konstant niedrigen Niveau. Um auf die Bedrohung des Aals aufmerksam zu machen, wurde er nun zum “Fisch des Jahres 2025” gekürt. Das teilten am Montag der Deutsche Angelfischerverband, das Bundesamt für Naturschutz, der Verband Deutscher Sporttaucher und die Gesellschaft für Ichthyologie (Fischkunde, Anm. d. Red.) mit.
Diesem Rückgang soll mit sogenanntem Aal-Besatz gegengesteuert werden, der von der EU gefördert wird. "Besatz" von Aalen bedeutet, Aale aus bestimmten Küstenregionen in lokale Gewässer zu setzen. Anfang des Jahres wurden rund 2,5 Millionen Glasaale in die Spree und den Spremberger Stausee eingesetzt. Die jungen Aale kommen meist aus Frankreich, aus Küstengebieten, an denen besonders viele Aale von ihrer Reise aus der Sargassosee ankommen. So viele, dass wegen der hohen Dichte wahrscheinlich gar nicht alle einwandern könnten, sagt Uwe Brämick. Die Zahl der Besatz-Aale in Brandenburger Gewässern steige nun seit 2008 stetig an. Laut Brämick ein lokaler Effekt. Ob das Projekt auch über Brandenburger Grenzen hinaus positive Auswirkungen auf den Bestand habe, wird derzeit wissenschaftlich untersucht.
Bis zu 20 Jahre lang leben die Aale als sogenannte Gelbaale im Brandenburger Süßwasser. Ihr Rücken ist braun, ihr Bauch gelblich. Sie jagen nach Krebsen, Fischen oder Würmern und können mehrere Kilogramm schwer und über einen Meter lang werden. Sobald sie genug Fett zugelegt haben, verwandeln sie sich in Silberaale. Ihr Verdauungstrakt verschwindet, stattdessen entstehen ihre Sexualorgane. Die Augen werden größer, damit sie auf der Rückreise zu ihrem Geburtsort im Meer besser sehen können. Und dann beginnt die Reise – ganz ohne dabei zu fressen. Nach Tausenden Kilometern kommen die Fische dann in der Saragossasee an: Nur, um sich zu paaren, zu laichen – und dann zu sterben.
Sendung: radioeins vom rbb, 05.11.2024, 07:10 Uhr
Beitrag von Hannah Weber
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