Deutsch-deutsche Geschichte im Unterricht
35 Jahre nach dem Mauerfall können viele Jugendliche, aber auch Lehrer, mit dem Thema DDR nicht mehr mehr viel anfangen. Dabei ist das Thema der Teilung nicht abgeschlossen. Wo kann der Geschichtsunterricht hier anknüpfen? Von Oda Tischewski
Sie kennen den Trabi, den Sandmann und Pittiplatsch – was Jugendliche von 2024 mit der DDR verbinden, ist oft das, was ihre Eltern davon noch erlebt haben und was als "harmloses Vergnügen" den Sprung ins Nachwende-Deutschland geschafft hat. Das heutige Bild von der DDR hat oft zwei extreme Seiten: Einerseits die drolligen Alltagsgegenstände, die mit Knäckebrotmehl gestreckten Schokoladenflocken, das Schulküchengericht "Tote Oma", das grüne Ampelmännchen. Andererseits die Schüsse an der Mauer, die alltäglichen Spitzeleien, die Repressionen im Stasi-Knast.
Beides gab es, beides gab es nicht ausschließlich und von beidem haben Jugendliche heute höchstens eine Ahnung, erzählt Dr. Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Mitte.
"Sie wissen ein bisschen aus der Schule und speziell die aus dem Osten haben schon was von ihren Eltern und Großeltern gehört. Das ist oft sehr konträr zu dem, was in der Schule gelehrt wird, weil natürlich die Eltern und Großeltern mehr so die lustigen, netten Sachen erzählen: Wie gut irgendwelche Sachen geschmeckt haben und was es zu Weihnachten gab und so."
Die Realitäten, in denen die Familien heutiger Jugendlicher damals gelebt haben, sind oft sehr unterschiedlich: Wenn der eine Großvater vom tollen Zusammenhalt in der Brigade erzählt und der andere von Erniedrigungen bei der NVA – was ist dann die Wahrheit? War die DDR das Land der einfachen Freuden oder der totalitäre Unrechtsstaat? Wie wird aus zwei widersprüchlichen Erinnerungen ein konsistentes Bild? Jens Schöne, stellvertretender Aufarbeitungsbeauftragter des Landes Berlin, sieht hier die Schule, die Lehrerinnen und Lehrer in der Pflicht.
Wer heute vor der Klasse steht, stammt oft selbst schon aus der "Nachwendegeneration". Und in der Ausbildung ist die Geschichte der DDR kein Pflichtinhalt. "Wir müssen stärker daran denken, dass eben auch Lehrerinnen und Lehrer mit diesem Thema konfrontiert werden müssen – oder zukünftige Lehrerinnen und Lehrer. Weil wir wissen, was sie in ihrer Ausbildung nicht lernen, werden sie nur bedingt bis gar nicht behandeln."
Derzeit sind für das Thema DDR im Geschichtsunterricht der weiterführenden Schulen nur wenige Stunden vorgesehen. Was in diesen Stunden passiert, ist sehr unterschiedlich, hängt von der Schulform und vom Interesse der Lehrkraft ab. Außerschulische Angebote zum Thema, gerade in Berlin, werden gern angenommen: Führungen und Touren, Filme und Zeitzeugenberichte holen das Thema in die Gegenwart und stellen Bezüge her – manchmal recht unerwartete, so Stefan Wolle vom DDR-Museum: Gerade Jugendliche mit Migrations- und vor allem mit Fluchtgeschichte haben oft eher eine Vorstellung davon, was es bedeutet, in einer Diktatur zu leben: "Die ziehen dann auf ihre Weise Parallelen, was sie von ihren Eltern gehört haben über politische Unterdrückung, über politische Repressionen, über Knast und so weiter."
Aber auch für die Nachfahren der ehemaligen DDR- und Westbürger ist das Thema deutsch-deutsche Teilung bis heute nicht abgeschlossen: Nicht nur in den Familien, auch in politischen Entwicklungen, in jedem Wahlergebnis, jeder gesellschaftlichen Debatte wirken ihre Spuren fort – für Jens Schöne ein unschätzbarer Vorteil für den Unterricht: "Man muss nur über die Straße gehen, an jeder Ecke guckt so ein bisschen Geschichte. Die Eltern sind noch da, die Großeltern sind noch da – es kann positiv oder negativ aus Sicht der Bildung sein, aber sie sind da, also wir haben Anknüpfungspunkte, die andere Zeiten nicht haben, und die sollten wir nutzen."
Sendung: rbb24 Abendschau, 9.11.2024, 19:30 Uhr
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Beitrag von Oda Tischewski
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