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Quelle: dpa/Christian Decout

Drei Singles berichten

Wie Dating in Brandenburg (nicht) funktioniert

Daten in Brandenburg ist schwierig, nicht nur wegen der fehlenden Auswahl. Singles dort treffen mitunter auf rechte Gesinnung und geringen Bildungsstand. Drei von ihnen erzählen über ihre speziellen Erfahrungen. Von Anna Severinenko

Sexpartys, polyamoröse Beziehungsgeflechte, Patchwork- und Kernfamilien in elektrisierten Cargo-Bikes und nicht zuletzt gefühlt endlos willige Singles und potenzielle Matches auf Dating-Apps – in Berlin alles kein Thema.

Selbst wer nur locker rumflirtet, muss sich in der Hauptstadt nicht sorgen, dass darüber oder über die neue Flamme getratscht wird. Aber genau das ist die Dating-Realität von Amanda*, 38 Jahre alt, aus Rühstädt.

Rühstädt ist eine Gemeinde in der Prignitz mit knapp 450 Seelen - und Herzen. Obwohl es so klein ist, ist es über Deutschlands Grenzen hinaus (bei einigen) bekannt: Rühstädt ist europäisches Storchendorf. Amanda lebt dort gerne. Sie ist Heilerziehungspflegerin, politisch aktiv, hat einen Hund und mag die Ruhe im Ort. Nach acht Jahren Single-Dasein ist sie zufrieden mit ihrem Leben und nicht mehr wirklich auf der Suche.

Video | rbb|24-Explainer

Warum Dating-Apps enttäuschen

Onlinedating in der Großstadt kann ganz schön auf die Psyche schlagen. Anderthalb Stunden verbringen User im Durchschnitt am Tag mit swipen und chatten. Und was bringt das Ganze? Statt der großen Liebe oft Frustration, schlechte Dates und eingeschlafene Chats?

Dating-Hürde: Bildungsabschluss

Das war nicht immer so. Eine Zeit lang, nach ihrer letzten Trennung, hat sie sich in die Welt der Dating-Apps gestürzt, sie hatte Spaß dran. Vom Dorfleben mit 450 Menschen hat sie sich nicht einschränken lassen: Ohne einen festgelegten Distanz-Radius auf der App hatte sie manchmal 20 bis 30 Matches pro Woche, die sechs Dates in sieben Tagen ergeben haben. Irgendwann aber ließ das nach. Nicht, weil sie alle Männer von den Apps schon gesehen hatte, sondern weil ihr schnell etwas auffiel – nämlich dass ihre Nachrichten einfach nicht richtig verstanden wurden.

Generell nimmt sie ein geringeres Bildungsniveau bei potenziellen Flirtpartnern wahr: "Es wäre schon schön, wenn jemand einen vernünftigen Bildungsabschluss hat", sagt Amanda.

Wenn sie eine feste Beziehung eingehen würde, sollte ihr Partner einen gewissen Bildungsgrad, Arbeit und keine rechte Einstellung haben. Das sei ihr ganz wichtig. Auch ein Macho gehe gar nicht, sie unterstützte die #metoo-Bewegung. In den letzten Jahren hat jedoch niemand diesem Bild ausreichend entsprochen.

Dating in Brandenburg: Tinder ist hier schnell durchgespielt

Andere Singles aus Brandenburg sind ebenfalls unzufrieden mit dem Dating-Leben vor Ort, aber aus anderen Gründen. Lara, 22, aus Kyritz (Ostprignitz-Ruppin), tindert zwar regelmäßig, aber bisher ist es nur zu drei Dates über die App gekommen. Sie sagt, die Matches wohnen zu weit weg. Ihr Problem beim Daten in der kleinen Stadt mit 9.000 Einwohner:innen ist, dass es wenige Menschen in ihrem Alter gebe, die sie noch nicht kenne.

Meistens tindert sie im Auto, weil es sonst kaum Orte in Kyritz gibt, wo man abhängen kann, erzählt Lara. Bei einem jungen Mann wischt sie nicht sofort weiter: "Der sieht ganz nett aus und nur 32 Kilometer entfernt! Das ist echt nah." In Berlin hingegen sagt man schon mal ein Date ab, wenn der andere nur im Wedding wohnt und man selbst in Neukölln (zwölf Kilometer). Zum Test stellt sie die App auf einen Umkreis von zwei Kilometern, mit einem vorgeschlagenen Kandidaten ist sie zur Schule gegangen, nach wenigen Minuten springt die App auf einen weiteren Umkreis. Game over, Tinder durchgespielt.

Junge Frauen verlassen Brandenburg – Männer bleiben zurück

Dabei gibt es auf dem Land eher einen Frauen- als Männermangel: Auf 100 Frauen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren kommen in Brandenburg im Schnitt 115 Männer. Diese Zahlen liefert die Bevölkerungsfortschreibung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg. 130.537 junge Männer lebten demnach im Jahr 2023 in Brandenburg, aber nur 113.473 junge Frauen. Das Bundesland verzeichnete im Vorjahr sogar 33.000 mehr Zuzüge als Fortzüge in allen Altersgruppen, keine Selbstverständlichkeit bei einem ostdeutschen Flächenland.

Doch gehen tun vor allem die jungen Frauen, wodurch es zum Männerüberschuss kommt. Die Soziologin Katja Salomo vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) sagte dem rbb, dass der Männerüberschuss entstehe, "da absolut mehr Frauen die neuen Länder verlassen als Männer. Vor allem die Stadtstaaten Berlin und Hamburg gewinnen diese Frauen hinzu."

Lara gehört zu ihnen. Demnächst zieht sie nach Berlin, um ihr Lehramtsstudium zu beginnen. Damit bestätigt sie Salomos Vermutung, dass Frauen die neuen Bundesländer auch deshalb öfter verlassen, da sie tendenziell höhere Bildungsabschlüsse erzielen. Außerdem sind im Dienstleistungssektor die Löhne in den alten Bundesländern höher. Ein wesentlicher Grund für Lara, aber nicht der einzige, wie sie sagt: In Berlin gibt es wesentlich mehr junge Menschen. Wenn man in Kyritz niemanden durch Schule oder Nachbarschaft kennenlernt, wird’s später schwer, erzählt die Abiturientin.

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Menschen in der Großstadt "weniger deprimiert"

2022 lebten in Deutschland 71 Prozent der Bevölkerung in Städten oder Ballungsräumen. In kleineren Gemeinden und Dörfern lebten knapp 17 Prozent der Bevölkerung, laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Auch Amanda hat vor zwei Jahren überlegt, ihr Glück in einer Stadt im Westen zu suchen.

Bei einem Urlaub dort fallen ihr sofort die Unterschiede auf: "Es ist ein ganz anderes Feeling von den Leuten her. Und auch, dass in meiner Generation da viele auch Single sind und ihr Leben machen, mit Jam-Sessions. Die setzen sich zusammen und machen einfach stundenlang Musik." In ihrem Freundeskreis sind die meisten bereits vergeben, erzählt sie, haben Haus und Kinder.

Aber nicht wegen der Aussicht auf mehr Auswahl an Partnern wollte sie nach Westdeutschland und in die größere Stadt ziehen: "Mein Gedankengang war halt, dass die Menschen weniger deprimiert sind." Die Stimmung spiegelt sich für sie stark in der politischen Orientierung wider: "Diese 30 Prozent für die AfD [bei der letzten Landtagswahl, Anm. d. Red.] kommen nicht von ungefähr." Die Menschen in Rühstädt seien niedergeschlagen und frustriert, sagt Amanda.

Das spüre sie noch deutlicher beim Daten: Fünf von zehn Männern auf den Dating-Apps sind laut ihrer Erfahrung im rechten Lager. Auch Corona-Leugnern ist sie oft in den Apps begegnet.

Sie erklärt sich die Sympathien mit rechtem Gedankengut durch niedrigere Bildungsabschlüsse und mit der ortsspezifischen Lage. In Rühstädt und der Region gebe es einflussreiche Rechte. Ein Landwirt sei bei den Bauernprotesten eine wichtige Figur gewesen, habe aber auch Montagsdemos initiiert. Zudem wurde in der Prignitz ein Politiker des rechtsextremen III. Wegs in den Kreistag gewählt. Dabei äußert Amanda ihre Meinung über die Gegebenheiten vor Ort laut und offen und stößt dabei oft auf Widerspruch, wie sie sagt. Das findet sich auch in Gesprächen mit möglichen Dating-Partnern wieder.

"Links-grün und sozialversifft" als Vorfilter im Dating-Profil

Nichtsdestotrotz entschied sich Amanda, in Rühstädt zu bleiben, nachdem sie sich den Arbeitsmarkt und die Immobilienpreise im Westen angeschaut hatte. Auf rechten Einfluss an ihrem Wohnort habe sie reagiert, indem sie sich einem Demokratie-Bündnis angeschlossen habe, mit dem sie viele Anti-AfD-Aktionen veranstaltet, sagt Amanda.

Auch auf den Dating-Apps zeigt sie ihre Positionierung deutlich: "Ich schreibe da gerne ganz klar und offen 'links-grün und sozialversifft', denn das ist das Schlimmste, was sie mir aufdrücken. Dann matchen sie mich erst gar nicht und das ist echt gut." Trotzdem sind es inzwischen eher nur vier Dates im Jahr, sie habe einfach die Motivation verloren. "Ich habe keine Zukunft mit jemanden, der die AfD wählt und unbedingt Kinder will", erklärt Amanda den häufigsten Grund, warum es nicht klappt.

Neben der politischen Einstellung stören sie auch die Rollenbilder an ihrem Wohnort, die sie wahrnimmt. Ein weiteres abschreckendes Erlebnis war für sie, als "beim zweiten Date die Aussage kam, wenn du dann bei mir wohnst. Denn der Mann hat ja das Haus und da wird vorausgesetzt, dass man irgendwann mit einzieht." Sie hat auch oft erlebt, dass viele Männer, die sie getroffen hat, nicht damit klarkommen, wenn eine Frau mehr verdient als sie. Bei einer selbstständigen Frau, die ihr Arbeitsleben vor Haushalt priorisiert, reagierten viele sofort abgeneigt, sagt die Heilerziehungspflegerin. Die konservativen Vorstellungen würden sich auch beim Thema Kinder zeigen. Viele würden geschockt reagieren, wenn sie sagt, dass sie keinen Kinderwunsch hat. Ihre Aussage würde oft gar nicht wahrgenommen werden, erzählt sie.

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Keine Privatsphäre: "Das Dorf ist schlimmer als Social Media"

Aber bereits in einem viel früheren Stadium der romantischen Beziehung zeigten sich die konservativen und veralteten Rollenbilder. Auf dem Land kennt und beobachtet jeder jeden, so berichten es Lara und Amanda. "Das Dorf ist schlimmer als Social Media. Wenn du etwas machst, wissen es direkt alle", sagt Lara.

Auch Amanda würde es nicht in den Sinn kommen, öffentlich einen Mann, der nicht ihr fester Partner ist, zu küssen. Würde man mit wechselnden Partnern gesehen werden, gelte man direkt als "Schlampe", erzählt Amanda. "Das haftet lange. Einmal ein Stempel, immer ein Stempel. Man muss schon aufpassen, was man tut", sagt sie. "Frauen dürfen nicht den Spaß haben. Das ist doch verankert, das ist im Gesetz", scherzt sie über diese Ungleichheit. Denn Männer würden bei demselben Verhalten überwiegend positive Reaktionen bekommen, so ihre Beobachtung.

Männerüberschuss auch im Barnim spürbar

Tom (33) aus Eberswalde (Barnim), hat keine Sorgen um seinen Ruf, wie er sagt. Das kann daran liegen, dass er ein Mann ist, aber wahrscheinlich auch daran, dass in Eberswalde über 40.000 Menschen leben.

Seinen Ex-Partnerinnen läuft er dort kaum über den Weg. Er erzählt, dass er es aber auch genießt, dass man sich auf der Straße kennt und wiedersieht, Nachteile davon kann er sich keine vorstellen. Der Erzieher lebt gerne in Eberswalde.

Nur das Dating-Leben vor Ort beschreibt er als "nicht existent". Wenn er ausgeht, dann nimmt er den Männerüberschuss wahr, erzählt Tom. Matches bekommt er auf den Apps nur mit einem bezahlten Premium-Account, sonst kaum.

Seine Ex-Partnerinnen hat er im echten Leben kennengelernt, aber Frauen auf der Straße anzusprechen, das macht er nicht, sagt er: "Ich möchte niemandem ein ungutes Gefühl geben. Es kann ja sein, dass die andere Person es gerade gar nicht fühlt. Man hört oft Geschichten von Frauen, die es nicht wünschen, angesprochen zu werden. Ich will umsichtig sein."

Dating-Möglichkeiten in Eberswalde? Fehlanzeige

Er bevorzugt deshalb Dating-Veranstaltungen und Single-Partys. Dafür muss er meistens Eberswalde verlassen und nach Potsdam oder Berlin fahren. "Die Liebe des Lebens zu finden, halte ich für ein krasses Wunder, aber es passiert ja auch", sagt Tom. Für seine Traumfrau würde er sogar ins Ausland ziehen.

Bei Amanda ist es genau andersherum, sie möchte in Rühstädt bleiben und hat akzeptiert, dass es dort für sie keinen Traummann gibt: "Ich vermisse halt einfach nichts. Ich bin gerne allein, gehe viel arbeiten und genieße mein Leben so wie es ist. Und wenn sich doch mal was ergibt, dann ist es okay. Aber es ist eigentlich nicht vorhanden."

* Name von der Redaktion geändert

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Textes konnte der Eindruck entstehen, dass ein einflussreicher Rechter aus Rühstädt in den Kreistag eingezogen sei. An dieser Stelle haben wir nun präzisiert, dass es sich um einen Politiker des III. Wegs aus der Prignitz und nicht aus Rühstädt handelt.

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Beitrag von Anna Severinenko

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