Festanstellung von Honorarkräften
Ein Gerichtsurteil führt dazu, dass Musikschulen ihre Dozenten nicht mehr dauerhaft als Honorarkräfte engagieren können, sondern fest anstellen müssen. Eine Musikschule in Brandenburg fürchtet um ihre Zukunft.
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts sind zahlreiche Honorarkräfte an Musikschulen mittlerweile als scheinselbständig eingestuft. Die betroffenen Musikschulen müssten die Zusammenarbeit beenden oder die Lehrkräfte festanstellen. Dafür fehlen den meisten Schulen jedoch die finanziellen Mittel. Wie die Umsetzung des Urteils genau aussehen soll, wird derzeit noch verhandelt.
Welche Herausforderungen die Rechtsprechung mit sich bringen könnte, zeigt das Beispiel der Musikschule Hugo Distler in Petershagen/Eggersdorf (Märkisch-Oderland). Dort sind mehr als 90 Prozent der Dozenten betroffen, sagt Leiter Alexander Braun.
Würden die Musikschulen verpflichtet werden, alle Honorarlehrer einzustellen, dann gebe es zwei Probleme: "Das eine ist, dass die Schule mit erheblichen Mehrkosten rechnen muss. Diese Mehrkosten sind so exorbitant, dass sich viele Träger das nicht leisten können." Braun rechnet mit rund 200.000 Euro, die man zusätzlich aufbringen müsste. Die Konsequenz wäre, dass die Schule pleite wäre und geschlossen werden müsste.
Der zweite Punkt beträfe die Lehrer selbst, die nicht in Festanstellung arbeiten möchten, so Braun: "Ich habe hier in der Musikschule eine Umfrage gemacht und die allerwenigsten von circa 50 Honorarkräften wollen in eine Festanstellung."
Die Ablehnung einer Festanstellung erklärt Braun mit dem Lebensmodell, das sich viele Musiklehrende so aufgebaut hätten: "Sie haben Musik studiert, sie beschäftigen sich mit Kunst und Kunst ist kreativ und sie ist frei."
An der Musikschule Hugo Distler wäre auch Ralf Ehrlich betroffen, der Kindern und Jugendlichen dort seit acht Jahren Klavierunterrichtg gibt und sich für den Ernstfall vorbereitet: "Ich bin es gewohnt, in der Selbstständigkeit zu wissen, dass man ab und zu seine Kunden verliert. Ich muss mir zumindest Gedanken machen und einen Plan B zu überlegen, ist auf jeden Fall was ich lernen musste, weil es häufig schon der Fall gewesen ist."
Bei Musikschullehrerin Janina Press verursacht das Gerichtsurteil zusätzliche Existenzsorgen: "Als Honorarkraft hat man immer Angst. Es ist schwierig, eine Arbeit zu finden. Und dann ist es schwierig, eine Arbeit zu behalten."
Noch wird die Tätigkeit als Honorarkraft toleriert. Wird das Urteil umgesetzt, könnten deutlich höhere Schulentgelte bei gleichzeitig weniger Angeboten die Folge sein.
Damit der Musikunterricht auch langfristig aufrechterhalten werden kann, fordert Schulleiter Alexander Braun, dass der Gesetzgeber reagiert und die bisher geltenden Regeln weiter gelten.
"Wir müssen den Status beibehalten, den wir haben. Wir brauchen unsere Honorarlehrkräfte. Und wir müssen in die Situation versetzt werden, dass wir weiter qualitativ hochwertigen Unterricht für die Kinder und Jugendlichen durchführen können."
Im "Herrenberg-Urteil" stellte das Bundessozialgericht 2022 fest, dass eine Klavierpädagogin, die 15 Jahre auf Honorarbasis in einer Musikschule in Herrenberg (Baden-Württemberg) gearbeitet hatte, in einem abhängigem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und damit Recht auf eine gesetzliche Sozialversicherung gehabt hätte.
Das Urteil führte dazu, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ihre Prüfkriterien für Honorarkräfte in Musikschulen verschärfte. Im Juni 2024 präsentierte die DRV einen Kriterienkatalog für Selbstständige, nach dem zahlreiche Honorarkräfte an Musikschulen zukünftig als scheinselbstständig eingestuft werden müssten.
Laut der Gewerkschaft Verdi werde die Umwandlung an Musikschulen hin zu flächendeckenden, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen unterschiedlich gut umgesetzt. So seien die Festanstellungen in einigen Kommunen bereits Usus gewesen, andere hätten ihre Lehrkräfte zum neuen Schuljahr 2024 angestellt. Wie im Fall der Musikschule Hugo Distler würden es manche Schulen auch weiterhin mit Honorarkräften versuchen. Dies würde sowohl öffentliche als auch private Musikschulen betreffen.
Die "Arbeitsgruppe Musikschulen", in der neben Verdi auch der Verband deutscher Musikschulen (VdM), der Bundesverband Freier Musikschulen (bdfm), der Deutsche Tonkünstler Verband (DTKV) und der deutsche Landkreistag vertreten sind, hat in einer Stellungnahme im September eine längere Karenzzeit gefordert, um "ein geordnetes Umwandlungsverfahren für Beschäftigungsverhältnisse und/oder von Organisationsmodellen" zu ermöglichen. Die Übergangszeit soll maximal bis zum 31.12.2026 laufen.
Weitere Verhandlungen zwischen der AG Musikschulen, der DRV und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bmas) sollen im Dezember stattfinden und sich mit Lösungen befassen, wie Honorartätigkeiten an privaten Musikinstituten in Zukunft rechtskonform möglich sein können. Das Abschlussgespräch mit allen betroffenen Verbänden ist für Januar 2025 im Bmas geplant.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 07.11.2024, 19:30 Uhr
Mit Material von Michel Nowak
Artikel im mobilen Angebot lesen