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Fragen & Antworten
Ärzte benötigen möglichst viele Informationen über ihre Patienten, etwa im medizinischen Notfall. Doch die liegen selten vor. Die elektronische Patientenakte (ePa) soll Abhilfe schaffen. Doch wie sind Nutzen und Risiken?
Derzeit bekommen bundesweit rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte Post von ihrer Krankenkasse - mit der Ankündigung, dass die elektronische Patientenakte (ePa) Mitte Januar 2025 flächendeckend eingeführt wird. Laut einer aktuellen AOK-Umfrage wollen 75 Prozent der Berliner und 76 Prozent der Brandenburger die ePa nutzen.
Die elektronische Patientenakte wird von den gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten angelegt. Privat Versicherte müssen selbst aktiv werden, wenn sie eine solche Akte wollen. Ab dem 15. Januar 2025 sollen die ePas in einigen Modellregionen eingeführt werden, Mitte Februar dann bundesweit.
In der ePa können alle Gesundheitsdaten hinterlegt werden. Zugang erhalten Arztpraxen durch das Einlesen der Versichertenkarte.
Versicherte können über eine ePa-App der jeweiligen Krankenkasse auf ihre ePa zugreifen und die Daten verwalten. Dokumente - etwa Befunde oder Laborergebnisse - können abfotografiert, in die App geladen und so in der Akte ablegt werden. Auch selbst geführte Tagebücher mit Blutdruckmessungen können angelegt werden.
Dabei soll es für Versicherte möglich sein, selbst festzulegen, welches Dokument für wen sichtbar ist. Das kann über Vertraulichkeitsstufen laufen: Ein Dokument in der E-Akte wird entweder als freigegeben für alle markiert, die über den Chip der Gesundheitskarte Zugriff haben, oder es wird für alle verborgen, so dass nur der Patient selbst es sehen kann.
Nach Auskunft der Verbraucherzentralen soll es jederzeit möglich sein, Inhalte einzusehen, einzufügen, zu löschen oder zu verbergen oder auch Zugriffsrechte zu ändern.
Ärzte befüllen die Akte über den Praxiscomputer mit Befunden zu aktuellen Behandlungen. Auch die Krankenkassen selbst können in der Akte Daten ablegen, etwa welche Leistungen abgerechnet wurden. So ist für Patienten schnell nachvollziehbar, wann welcher Arzt besucht, welche Diagnose dort gestellt oder welches Medikament wann verschrieben wurde.
Befürworter erklären, die ePa bringe Transparenz und eine größere Informiertheit von Patienten, weil diese selbst einen Überblick über die eigenen Gesundheitsdaten bekommen. Mithilfe der Daten könnte es auch leichter werden, Zweitmeinungen einzuholen oder gezieltere Rückfragen bei Ärzten zu stellen.
Außerdem könnten die Daten einer ePa im Notfall sehr wichtig sein und Behandlungen vereinfachen. Beispielsweise sei es wichtig, von bestimmten Unverträglichkeiten zu wissen, sagt Dr. Ralf Offermann, leitender Oberarzt der Notaufnahme der Berliner Charité. Das gelte zum Beispiel für den Einsatz von Kontrastmitteln bei radiologischen Untersuchungen. Er gehe davon aus, dass solche sicherheitsrelevanten Daten in der ePa vorhanden seien - "und dann für uns auch immer einsehbar sind".
Kritiker bemängeln, dass die Steuerung der Akte per Smartphone-App ältere oder weniger technikaffine Menschen überfordern könnte. Jeder Nutzer kann allerdings eine vertrauenswürdige Person festlegen, die sich um die technische Betreuung der Akte kümmert.
Gegner kritisieren oft die unzureichende Datensicherheit der elektronischen Patientenakte. Das Szenario: Arbeitgeber oder Versicherungen könnten irgendwie an Patientendaten kommen. Die dahinterliegende Befürchtung ist, dass Versicherungsbeiträge für bestimmte Personengruppen steigen könnten oder ein Versicherter marginalisiert wird, "weil vielleicht in seiner elektronischen Patientenakte zu lesen war, er sei depressiv", erklärt der Berliner Psychotherapeut Christian Esser.
Das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt hat die geplanten Sicherheitsvorkehrungen der ePa gecheckt und Verbesserungsvorschläge gemacht. Wenn die einbezogen würden, sei "die Spezifikation als solche nach Stand der Technik als sicher anzusehen", sagt Softwareentwickler Steven Arzt.
Auch die Verbraucherzentralen (VZ) sehen das so: Die Anforderungen an die Datensicherheit seien sehr hoch. Die Akte und die darin enthaltenen Dokumente und Daten werden nach Angaben der VZ zentral auf Servern in Deutschland gespeichert und verschlüsselt. Technisch läuft das über die sogenannte Telematikinfrastruktur, ein in sich geschlossenes Netzwerk, an das die Akteure des Gesundheitswesens angebunden sind.
Laut Gesundheitsministerium kann niemand außer den Versicherten und denjenigen, die von ihnen zum Zugriff berechtigt wurden, die Inhalte der E-Patientenakte lesen. Ein Risiko von Datenklau und Hackerangriffen besteht im digitalen Raum allerdings immer, die Nutzung solcher Technologien bleibt also auch immer eine persönliche Abwägung.
Nach dem Digitalisierungsreport im Auftrag der DAK, Ärztezeitung und Springer Medizin standen 2021 zwei Drittel der Ärzte in Deutschland der elektronischen Patientenakte skeptisch gegenüber. Manche raten ihren Patienten aktuell auch zum Widerspruch.
Der größte Kritikpunkt von Psychotherapeut Christian Messers an der ePa ist, dass es dann keine ärztliche Schweigepflicht mehr gebe. "Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte ist diese Schweigepflicht zu Ende. Das heißt, dass alle Daten, die in dieser ePa sind, allen Leistungserbringern des Gesundheitssystems, allen, die beteiligt sind, offengelegt werden."
Verbraucherschützer sehen das weniger problematisch, denn der Versicherte allein entscheide, wer seine Daten sehe. "Das Recht ist an sich schon gut und ausführlich geregelt. Grundsätzlich haben die Versicherten viele Möglichkeiten einzustellen, welche Leistungserbringer welche Daten einsehen können", erläutert Thomas Moormann, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Versicherte können bei ihrer Krankenkasse dem Anlegen einer ePa widersprechen. Auch nach der Anlage der ePa können die Versicherten über die ePA-App oder gegenüber ihrer Krankenkasse weiterhin jederzeit widersprechen.
Kritiker bemängeln, dass in den Anschreiben der Krankenkassen oft konkrete Informationen dazu fehlen, wie man das Anlegen einer ePa per Widerspruch verhindert. Und oft werde dann nur ein Weg ausgewiesen: das Internet.
Bisher haben nur rund ein Prozent aller Versicherten der Einrichtung einer ePa widersprochen.
"Die Gefahr besteht, dass einzelne Versicherte den Widerspruch gar nicht äußern, weil die Hürden zu hoch gesetzt sind. Um das barrierefrei zu machen, muss es den Versicherten möglich sein, alle Kommunikationskanäle zu wählen", sagt Verbraucherschützer Thomas Moormann. Er befürchtet, dass ohne eine deutliche Verbesserung der Kommunikation das Vertrauen in die elektronische Patientenakte leiden könnte.
Wichtig: Die Form des Widerspruchs lässt sich frei wählen. Wenn man dem aktuellen Anschreiben der Krankenkassen allerdings nicht widerspricht, wird die ePa automatisch angelegt. Wird sie dann nicht von den Versicherten genutzt, wird sie hauptsächlich von den behandelnden Ärzten befüllt.
Sendung: Super.Markt, 18.11.2024, 20:15 Uhr
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