Pharmazie
Medikamente sind in Deutschland mittlerweile vielerorts knapp. Für chronisch Kranke ist das eine besorgniserregende Entwicklung. Apothekerinnen müssen sich zunehmend mit kreativen Lösungen auseinandersetzen.
Die deutschlandweite Medikamentenknappheit macht sich auch in der Hirsch-Apotheke in Finowfurt (Barnim) bemerkbar, die nach Angaban der Apotheke täglich von 200 Kunden besucht wird. Oft fehlen Insulin, Antibiotika, Blutdruckmittel oder Cholesterinsenker. Für chronisch kranke Menschen ist der Apothekenbesuch zunehmend mit der Sorge verbunden, ob die benötigten Arzenimittel vorrättig oder wenigstens lieferbar sind.
Seit fünf Jahren leitet Anett Baumert die Apotheke und findet immer wieder kreative Wege, um den Mangel an Medikamenten zu überbrücken. "Bandbreite ist größer geworden von Sachen, die nicht lieferbar sind", sagt sie. "Das ist eigentlich gleichbleibend anstrengend."
Teilweise müssen Medikamente im Ausland bestellt werden, um sie in Deutschland anbieten zu können, wie Baumert sagt. "Es gibt zurzeit ein Asthma-Mittel, was schwer verfügbar ist. Das ist im Moment nicht aus dem deutschen Markt lieferbar. Wir müssen das aus Spanien und Amerika beziehen," sagt sie. Über die spanische Verpackung gebe es dann manchmal Verwunderung bei den Kunden. Die Packungsbeilage muss Annett Baumert auf Deutsch ausdrucken und beilegen.
Im schlimmsten Fall ist das Medikament gar nicht verfügbar, wie bei dem Diabetikermittel Ozempic. Da es auch appetitzügelnd wirkt, wird es oft zum Abnehmen zweckentfremdet. "Gerade gestern haben wir erfahren, dass im Moment die Vorbestellungenszahlen, bei 7.000 Stück liegen und dass da die Chancen sehr gering sind."
Für jedes Präparat gibt es unterschiedliche Hersteller, die Annett Baumert zuerst prüft und eventuell auf doppelte oder halbe Dosierungen ausweicht. Manchmal muss sie in einer Warenhaus-Software selbst zur Detektivin werden: "Da sind alle Hersteller gelistet. Und auch dort kann man noch mal Glück haben, dass bestimmte Sachen dort angeboten werden, die es so im allgemein nicht gibt."
Daneben stehen bei Annett Baumert tägliche Telefonate mit Großhändlern und Pharmafirmen auf der Tagesordnung.
Die Gründe für die Engpässe lägen beim kostengünstigen Import der Wirkstoffe aus China oder Indien, sagt Baumert. Die lange Lieferkette führe zur Knappheit.
Laut Zahlen des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nehmen die Meldungen von Lieferengpässen seit Jahren zu. Während es 2017 lediglich 108 Lieferengpassmeldungen an das BfArM gab, waren es 2023 bereits 1.017 Meldungen.
Das BfArm führt in seiner Statistik zusätzlich die Unterkategorie "davon als versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe" auf. Während die Gesamtanzahl an Meldungen stetig ansteigt, zeigen die Daten auch, dass 2023 die Anzahl der Meldungen zu versorgungsrelevant eingestuften Wirkstoffen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgengangen ist, von 436 auf 183.
Im rbb sind Mitarbeitende bis Freitag 22:30 Uhr zum Streik aufgerufen - das trifft auch die Redaktion rbb|24. Die Kommentarfunktion dieses Beitrags - wie auch weiterer aktueller Beiträge - bleibt daher geschlossen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 01.11.2024, 16:30 Uhr
Mit Material von Julia Tautz
Artikel im mobilen Angebot lesen