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Heizungsproblem in Zehlendorfer Neubauten
Erst vor wenigen Wochen zogen Mieter in Neubauten der landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge in Zehlendorf ein. Am ersten Tag zeigt sich: Warmwasser und Heizung funktionieren nicht oder nur unregelmäßig - bis heute. Von Sebastian Schneider
Es ist ein sonniger, warmer Samstag im Oktober, als Clara und ihr Mann in ihre neue Wohnung in Zehlendorf einziehen: Drei Zimmer in einem Neubau, helles Parkett, bodentiefe Fenster. Der Wald ist nicht weit, nebenan liegt ein Friedhof. Öffnet man hier ein Fenster, hört man: nichts. "Wir haben uns riesig gefreut, wir hatten gar nicht damit gerechnet, den Zuschlag zu bekommen", erinnert sich Clara. Gesehen hatten sie vorher nur eine Musterwohnung. Am ersten Tag im neuen Zuhause öffnet sie einen Wasserhahn und wartet darauf, dass das Wasser warm wird. Es wird nicht warm. "Wir haben es eine Stunde laufen lassen, wir dachten, das wird schon - aber es blieb kalt", sagt Clara, die ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht sehen will, weil sie Nachteile durch den Vermieter befürchtet. Auch der Versuch am nächsten Tag bringt keinen Erfolg.
Gut zwei Wochen später sind es draußen drei Grad, das helle Beige der Neubauten zwischen Sven-Hedin-Straße und Fischerhüttenstraße hebt sich an diesem Mittwoch kaum vom Novembergrau ab. Clara hat auch an diesem Morgen ihr Glück versucht, aber sie musste dann doch wieder auf den Wasserkocher zurückgreifen. "Das Wasser und die Heizung sind meistens kalt, in manchen kleinen Zeitfenstern ist es warm, aber wir können nie sagen, wann und woran es liegt. Irgendwann abends kommt dann was, es ist für uns aber nicht nachvollziehbar warum", sagt Clara. Mehrere andere Mieter beschreiben im Gespräch mit rbb|24 das gleiche Problem.
Die 130 neuen Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Bezirksgärtnerei werden von der Howoge vermietet, einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Sie wurden erst im vergangenen August fertig. Die Hälfte der Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen ist geförderter Wohnraum, also für Mieter mit Wohnberechtigungsschein. Wärme und Strom kommen von einem dezentralen Blockheizkraftwerk. Und damit gibt es Probleme - nur welche, hat die Howoge den Mietern bisher nicht mitgeteilt, wie sie sagen.
Am Tag nach ihrem Einzug trifft Clara im noch mit Folie verkleideten Fahrstuhl einen Nachbarn, erinnert sie sich. "Erst durch ihn habe ich erfahren, dass das Problem alle hier haben, und zwar seit Wochen", sagt sie. Im August, frisch nach Einzug, blieb die Sache noch unbemerkt. Erst als Ende September die Ersten ihre Heizung einschalteten, fiel auf, dass diese nicht richtig funktionierte und das Wasser immer öfter kalt blieb, sagen Nachbarn die namentlich nicht genannt werden wollen im Gespräch mit rbb|24. Beides hängt zusammen.
Sie habe versucht, die Howoge anzurufen, aber sei vertröstet worden, erzählt Clara - andere Male sei der vorgesehene Anrufbeantworter voll gewesen. Der Hausmeister erklärte, für ihn sei das Problem zu komplex. "Wir haben ja durchaus Briefe von der Howoge bekommen: Der Mietvertrag, das Lastschriftverfahren - alles, wo es ums Geld ging. Zu den Problemen aber nie", sagt Clara. Keine Antwort auf E-Mails, die sie verschickt haben - sie liegen dem rbb vor.
Auf Anfrage von rbb|24 teilt die Howoge mit, die Verantwortung liege bei den Dienstleistern, die diese Anlagen verbaut hätten. Man habe diese "direkt nach den ersten Informationen über Störungen Anfang Oktober informiert und gemeinsam mit den Dienstleistern eine umfangreiche Fehleranalyse durchgeführt. Die von uns zwischenzeitlich durchgeführten Optimierungen und Korrekturen haben zunächst jedoch nicht zu einer zufriedenstellenden Behebung der Mängel geführt", sagt die stellvertretende Pressesprecherin Annemarie Rosenfeld. Die Mieter erfuhren davon wochenlang nichts.
"Es ist einfach nervig und frustrierend - wir wissen nicht, was sie vorhaben, wie lange das dauern wird, was genau das Problem ist, was wir tun sollen", sagt Clara. Etwa 1.600 Euro Warmmiete zahlen sie und ihr Mann für rund 75 Quadratmeter. Die Fußbodenheizung funktioniert nicht. Ein Trost: Weil die neuen Gebäude gut isoliert sind, halten sie die Wärme. Mehr als ihren hellbraunen Wollpullover braucht Clara, die oft von zuhause aus arbeitet, noch nicht, um sich gegen die Herbstkälte zu wappnen. Die Dusche allerdings bleibt kalt.
Eine andere Mieterin erzählt, sie gehe deswegen gerade beim Uni-Sport oder im Hallenbad duschen. "Ich habe auch schon mal extra bis drei Uhr morgens gewartet, weil ich dachte, dann duscht bestimmt keiner und vielleicht gibt es jetzt warmes Wasser", erinnert sie sich. Einmal habe es geklappt - einmal nicht.
Eine weitere Wohnungstür öffnet sich, ein Paar mit einem Baby. Sie zahlen 1.800 Euro warm für drei Zimmer. Die Mieterin erzählt, sie habe kurz vor der Geburt ein Entspannungsbad nehmen wollen. "Wir haben dann mit jeder Menge Töpfen und Pfannen zumindest die halbe Badewanne voll mit warmen Wasser gekriegt", sagt sie, während sie ihren Sohn auf der Couch stillt. Er ist eine Woche alt. "Manchmal haben wir Autos von der Heizungsfirma gesehen, das ist aber auch schon wieder Wochen her", sagt sie.
Sie und ihr Freund haben Protokoll geführt. Dazu rät auch der Berliner Mieterverein, denn im Falle einer Auseinandersetzung mit dem Vermieter seien Mieter dazu verpflichtet, den Mangel zu belegen. Am 10. Oktober ist ein Besuch vom Heizungsinstallateur vermerkt. Ein Tag später: "kaltes Wasser 6:30 - 13 Uhr." Und so geht es weiter. "17. Oktober: 12:30, 14:50, 20:10, 23:30: kalt". Ihr Freund hält jetzt mal die Hand unter den Hahn in der Spüle: heiß. Die Howoge sagt, die Anlage sei neu eingestellt worden, dadurch habe man "signifikante Fortschritte" gemacht. "Dem Frieden traue ich noch nicht. Die Hoffnung hatten wir schon öfter - und dann war es doch wieder nichts", sagt er.
In der Chatgruppe der Hausbewohnerinnen und -bewohner kanalisiert sich einstweilen der Frust. "Es ist unglaublich. Und ich weiß nicht einmal, was ich tun soll, um ehrlich zu sein", schreibt jemand. "Wir müssen am besten mit einem Rechtsanwalt arbeiten, dann eine Sammelklage", schreibt eine andere. Claras Mann hat in einer Mail an die Howoge inzwischen Mietminderung angedroht. Dazu rät auch der Mieterverein in solchen Fällen. Sich nicht auf warmes Wasser in seinem Zuhause verlassen zu können, stelle einen erheblichen Mangel dar. "Wir empfehlen hier, den Vermieter im Rahmen der Mängelanzeige unter Fristsetzung zur Beseitigung des Mangels aufzufordern und den Vorbehalt der Mietminderung anzukündigen", sagt die Geschäftsführerin Wibke Werner rbb|24.
Hat man die Mängel genau festgehalten, kann man damit laut Mieterverein eine Minderungsquote für die Miete berechnen - die kann man auch rückwirkend gegen den Vermieter durchsetzen, wenn der Schaden bereits behoben ist. "Minderungsquoten zwischen 20 und 50 Prozent kommen hier in Betracht, abhängig davon, wie im Einzelfall die Raumtemperaturen sind und wie lange die Warmwasserversorgung ausfällt", sagt Werner.
Um eine nervenaufreibende Auseinandersetzung zu vermeiden, sollte man darauf achten, dass die einbehaltenen Mietminderungsbeträge nicht den Betrag einer Monatsmiete überschritten. "Ab einem 'Zahlungsrückstand' von einer Monatsmiete kann theoretisch eine Zahlungskündigung drohen - diese wäre in der Regel nicht zulässig, da es sich ja nicht um einen Zahlungsrückstand, sondern um eine berechtigte Mietminderung handelt", sagt Wibke Werner. Stress mit Anwälten hätte man trotzdem.
"Bleibt der Vermieter untätig, gerät er in Verzug und Mieter können dann die Mängelbeseitigung gerichtlich durchsetzen. Bei kalten Außentemperaturen und länger andauernden Warmwasser- und Heizungsausfällen kann dies im Einzelfall auch ein Eilverfahren im Wege der einstweiligen Verfügung rechtfertigen", sagt Werner. Bei landeseigenen Wohnungsunternehmen könne man auch die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen informieren.
Wo genau liegt nun der Fehler in der Sven-Hedin-Straße? Kurz gefasst: Die Vorlauftemperatur der Anlagen sei von Beginn an falsch eingestellt gewesen, erklärt die Howoge. Nachts wurde sie so weit gesenkt, dass es nicht mehr warm genug wurde. Auch bei zu hohen Temperaturen schaltete sich das System automatisch ab. Bei jeder Wohnung müsse man das Problem einzeln prüfen. "Da es sich hier um eine sehr komplexe Ursachenanalyse handelt, konnten wir konkrete Aussagen zu einem früheren Zeitpunkt nicht fundiert treffen", teilt die Howoge-Sprecherin am Freitag mit. "Wir bedauern es sehr, dass wir diese Mängel nicht vor Inbetriebnahme erkannt und abgestellt haben und es für unsere Mietenden zu Unannehmlichkeiten gekommen ist."
Am Mittwochnachmittag, als es schon dunkel wird, stellt sich Clara wieder hoffnungsfroh an das Waschbecken im Bad und dreht den Hahn auf. Sie hält die Hand unter das Wasser. Es bleibt kalt.
Beitrag von Sebastian Schneider
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