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Interview | Corona-Viren im Abwasser
Auch lange nach dem Ende der Corona-Pandemie wird im Abwasser von Städten noch immer gemessen, wie groß die Virenbelastung ist. Im Interview erklärt Tino Schmidt vom Cottbuser Wasserversorger LWG, wie die Lage in der Region ist.
rbb|24: Herr Schmidt, Sie sind bei der Lausitzer Wasser Gesellschaft (LWG) für die Wasserwerke und die Kläranlage zuständig - damit auch für die Messung von Viren im Abwasser. Wie lange dauert es denn, bis die Hinterlassenschaften aus den Haushalten in der Kläranlage landen?
Tino Schmidt: Der Zulauf ist davon abhängig, wo man wohnt. Es kann einen bis zwei Tage dauern, bis das hier ist. Dann kommt alles in den Kläranlagenzulauf, durchläuft die Rechenanlage, wo die Grobstoffe herausgetrennt werden. Dann kommt der Sandfang, der den Sand abtrennt, dann kommt das Abwasser zur Vorklärung. Im Zulauf der Vorklärung haben wir den Probenehmer, einen automatischen 24-Stunden-Probenehmer. Der nimmt die Abwasserprobe über den Tag, die Kollegen entnehmen die am nächsten Tag und so haben wir eine Mischprobe über einen ganzen Tag.
Wie lange wird das Abwasser bei der LWG schon auf Viren untersucht?
Seit November 2023, da hat das Projekt angefangen. Seitdem haben wir den automatischen Probenehmer. Zwei Mal pro Woche wird eine Probe entnommen und die schicken wir dann ins Labor zur Untersuchung. Die Proben gehen zum Robert-Koch-Institut.
Der Probenehmer entnimmt in festgelegten Zeitintervallen eine bestimmte Menge aus dem Abwasserstrom. Am Ende können wir eine Flasche mit einem Liter Abwasser entnehmen, mit einem Querschnitt über den ganzen Tag.
Warum werden diese Proben überhaupt noch entnommen?
Die Probe wird genommen, um zu schauen, wie die Virenlast im Abwasser ist. Dafür wird es untersucht, aktuell auf das Coronavirus und das Influenza-Virus. Damit wird geprüft, ob es in Cottbus eine steigende Tendenz oder eine fallende Tendenz gibt und wie hoch die Last allgemein ist. Daraus können Schlüsse gezogen werden, wie sich das Krankheitsgeschehen hier im Einzugsgebiet der Kläranlage entwickelt.
Warum werden nur diese zwei Viren untersucht?
An dem Projekt AMELAG (Abwassermonitoring für die epidemiologische Lagebewertung, Anm. d. Red.) sind über 160 Kläranlagen in Deutschland beteiligt, unter anderem die in Cottbus. Man hat sich erstmal auf diese zwei Viren spezialisiert, um das ganze Verfahren zu erproben und zu automatisieren. Es soll aber später ausgeweitet werden, auch auf andere Erreger. Es gibt Überlegungen auch auf Polioviren zu testen, um zu schauen, wie dort die Belastung ist oder ob das Virus überhaupt vorhanden ist oder auch auf resistente Bakterienstämme, die vorhanden sind, um darüber Informationen für die Bevölkerung zu bekommen.
Das ist auch gut, man sieht die Viruslast im Abwasser schneller, als die Menschen Krankheitszeichen haben. Beim Coronavirus scheidet der Körper das Virus fünf Tage vor den ersten Krankheitszeichen aus.
Das bringt dem einzelnen Betroffenen aber am Ende nichts, oder?
Das bringt ihnen nichts, aber man sieht natürlich eine Entwicklung, ob es eine steigende oder fallende Zahl an Viren gibt. Man kann dann, wenn man eine stark steigende Tendenz hat, gewisse Sicherheitsvorkehrungen für einen selbst daraus schließen.
Jeder kann dann selbst Schlüsse aus der Information ziehen, ob er eine Maske aufsetzt oder nicht.
Bevor Sie die Proben an das RKI schicken, nehmen Sie eigene Messungen vor. Was ermitteln Sie dabei?
Die Beprobung ist eine Vorbereitung, bevor wir die Proben zum RKI schicken. Hier messen wir den PH-Wert und die Leitfähigkeit, um zu schauen, ob die Probe im normalen Bereich ist. Das Robert-Koch-Institut bereitet die Probe dann noch einmal auf und untersucht sie auf Corona- und Influenzaviren. Dieses AMELAG-Projekt stammt vom Bundesumweltministerium, Bundesgesundheitsministerium und vom RKI.
Wier krank sind denn die Cottbuser?
Aktuell haben wir noch keine Influenza-Welle in Cottbus, die Viruslast ist sehr gering. Bei Corona haben wir eine leicht steigende Tendenz. Im Vergleich zum letzten Jahr ist das aber noch sehr gering.
Man sieht die steigende Welle relativ gut und auch im Nachgang, wie sie wieder abflaut. Das System funktioniert.
Was entgegnen Sie Kritikern, die in diesem Zusammenhang möglicherweise von einer "Überwachung" sprechen und neue Corona-Maßnahmen befürchten?
Ich sehe das nicht unbedingt so kritisch, zumal wir hier ein recht großes Einzugsgebiet haben, mit über 100.000 Einwohnern. Das ist also alles sehr anonym. Man kann daraus nicht direkt einen Rückschluss ziehen, wie viele Leute explizit erkrankt sind. Man sieht nur, wie hoch die Viruslast ist. Nicht jeder, der das Virus trägt, muss Krankheitssymptome haben.
Was passiert denn, wenn die Messung ergibt, dass die Corona-Viruslast immer weiter steigt?
Es soll nur eine Information für die einzelnen Bürger sein. Es ist nicht so, dass es eine rechtliche Vorgabe gibt, was dann passiert.
Wie lang läuft dieses Projekt?
Das AMELAG-Projekt ist bis Ende des Jahres angelegt und auch finanziert. Wie es im nächsten Jahr weitergeht, ist noch offen. Da warten wir noch auf eine Antwort der Bundesregierung. Aktuell haben wir noch kein grünes Licht, dass wir weitermachen können.
Auf EU-Ebene wird es eine neue Kommunalabwasserrichtlinie geben. Darin ist dann vorgeschrieben, dass man auf bestimmte Bakterien und Viren untersuchen muss. Die wird Ende des Jahres voraussichtlich verabschiedet und muss dann innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Da ist dann vorgeschrieben, dass das Abwasser in großen Kläranlagen, wozu auch die Kläranlage Cottbus gehört, auf resistente Krankheitserreger untersucht werden muss. Das sind Bakterien, die beispielsweise Antibiotikaresistenzen haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Phillipp Manske für Antenne Brandenburg. Für die Onlinefassung wurde es gekürzt und redigiert.
Sendung: Antenne Brandenburg, 07.11.2024, 15:40 Uhr
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