Das alte Handwerk des Spinnens wird in Rauen wieder lebendig. Eine Gruppe von Frauen trifft sich regelmäßig, um nicht nur Wolle zu Garn zu verarbeiten, sondern auch Gemeinschaft und Tradition zu pflegen. Eine meditative Arbeit mit Tiefgang.
Nur das Klappern und Surren der Spinnräder ist am späten Nachmittag in der Heimatstube zu hören. Mehrere Frauen sitzen um einen kleinen Tisch mit Häkeldecke und schauen durch ihre Brillen auf die Fäden in ihren Händen. Jede Frau hat vor sich ein hölzernes Spinnrad, das sich unaufhörlich dreht und dreht. Gleich wird auf dem kleinen Tisch der Tee serviert.
Seit einem halben Jahr treffen sich einmal im Monat fünf bis acht Frauen in Rauen (Oder-Spree) und knüpfen damit an eine alte Rauener Tradition an. "Ich habe erfahren, dass es tatsächlich früher Spinngruppen gab, die sich regelmäßig getroffen haben", sagt Ines Hecht.
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Es geht auch um die Gemeinschaft
Die Frauen halten mit den Füßen das Schwungrad in Gang, ihre Finger führen die Wolle, und die Spindeln füllen sich mit Garn. Eine meditative und auch für den Zuschauer entspannende Arbeit. Doch beim Rauener Spinntreff gehe es um mehr als nur dieses Handwerk, so Hecht. "Wir lernen uns kennen, wir hören voneinander, wir sind eine schöne Dorfrunde. Es sind alles Frauen, die hier spinnen."
Eine von ihnen ist Dietlinde Willuda. Seit fast 20 Jahren spinnt sie aus Rohwolle Garn, wie sie sagt. Bis vor Kurzem habe sie es ausschließlich zu Hause getan, doch in geselliger Runde mache es viel mehr Spaß: "Man wird animiert, dieses alte Handwerk zu pflegen und anderen Leuten zu zeigen, dass es das gibt, damit sie Lust bekommen, es zu lernen", sagt Willuda.
Das Spinnen mit dem Spinnrad sehe leichter aus, als es ist, sagt Willuda. Es brauche einiges an Übung. "Man muss die Bein- und die Handarbeit koordinieren. Das muss man richtig lernen."
Quelle: rbb/Eva Kichner-Rätsch
Eine hunderte Jahre alte Erfindung
Das Spinnrad wurde vor etwa 1.000 bis 1.500 Jahren in China erfunden. Das Werkzeug zur Textilherstellung gelangte im 13. Jahrhundert nach Europa. Es löste die Handspindel ab und machte das Spinnen von Garn effizienter. Frühere Modelle wurden mit der Hand angetrieben, später entwickelten sich Tretspinnräder, die den Prozess effizienter machten. Im Zuge der industriellen Revolution ersetzten mechanisierte Spinnmaschinen das Spinnrad. Dennoch blieb es in ländlichen Regionen ein wichtiges Werkzeug und wird heute von Handwerkern und Hobbyisten geschätzt.
Manchmal hat die Lust zum Spinnen auch einen familiären Hintergrund. So wie bei Annegret Stephan, die an diesem Nachmittag zum dritten Mal dabei ist: "Ich wollte immer spinnen, jetzt darf ich es endlich. Dieses Spinnrad kommt aus unserer Familie, und jetzt dreht es sich wieder", sagt sie. Nun kann sie mit dem Werkzeug die Dorfgemeinschaft fördern und ein uraltes Handwerk am Leben halten.